„Nur nach Hause, nur nach Hause, nur nach Hause gehn wir nicht“ – Streit ums OMT-Programm (Teil IV)
Noch ist unklar, wie weit sich die neue Bundesregierung von den chinesischen Planungsphantasien in der Euro-Rettung verabschieden wird. Egal auf welche Hardliner und abstrakten Tagträumer (sprich Prinzipienreiter, „keine Steuererhöhungen“ und so) sie bei der Union Rücksicht nehmen müssen: Aber stellen wir uns nur einmal kurz vor, diese SPD würde so innerlich hin- und herwankend den Euro retten wie Frau Merkel. Dann doch lieber gleich das Original.
Etwas anderes würden die Sozialdemokraten leider auch nicht einfallen. Diese Zerissenheit der deutschen Euro-Politik macht eben genau die deutsche Gesellschaft heutzutage aus: Ein breiter Konsens von CDU/CSU bis zur Linken will den Euro um jeden Preis behalten. Nur die deutsche Wirtschaft will dabei natürlich ihre Vormacht in Europa um kein Deut verlieren, die sie sich mit Hilfe der Gewerkschaften seit rund 20 Jahren erarbeitet hat.
Deutschland braucht so quälend lange
Vielleicht hat es am Ende sogar noch etwas Gutes, wenn die Bundesbank angeblich so heldenhaft in Fundamentalopposition zum OMT-Programm tritt – wohl wissend, dass darüber wohl kein deutsches Gericht zu entscheiden hat. Wer weiß, wo die AfD sonst gelandet wäre, hätten wir nicht Herr Weidmann und wie sie alle heißen? So dauert es aber so unendlich quälend lange, bis auch die deutschen Hardliner durch Merkels Taktierereien Schritt für Schritt klein beigeben. Bitter sind nur die Folgen für die südlichen und westlichen Krisenländer. Sehr bitter. So lässt sich Europa auf Dauer nicht regieren.
Absurd wird es, wenn die Hardliner und die Bundesbank die Fahnen der Ordnungspolitik hochhalten und dabei tatsächlich genau das Gegenteil davon propagieren, was sie eigentlich im Sinn haben: Bislang erinnert die deutsche Rettungslogik in Wahrheit eher an staatskapitalistische Lenkungsphantasien aus Peking – die Kapitalströme sollen bitte so schön umgeleitet werden, dass niemand ein Sicherheitnetz (also das OMT-Programm) mehr braucht. Wozu gibt es denn Regeln, die angeblich ein stabiles Fundament der Währungsunion ersetzen können?
Fatale Rettungslogik
Auf den Punkt gebracht, sieht diese Logik so aus: Wer in seinem Land die Löhne am wenigsten steigen oder noch besser sinken lässt, dessen Volk kauft immer weniger Güter und Dienstleistungen aus dem Ausland (und im Inland) – am besten klappt das natürlich nur, solange Unternehmen und Haushalte keine neue Kredite aufnehmen (können). Und wenn das Land Glück hat und Ausländer fleißig dessen Güter und Dienstleistungen kaufen, dann hat es den Jackpot gewonnen. In etwa so wie Deutschland vor der Finanzkrise. Wenn aber alle Länder gleichzeitig rabiat ihre Ausgaben kürzen und Einnahmen erhöhen, dann bricht eben überall die Binnenwirtschaft ein und Importe sinken drastisch. Das ist der bittere Preis für eine verbesserte „Wettbewerbsfähigkeit“.
Jedes Euro-Land soll jetzt unabhängig werden von Kapital aus dem Ausland. Kein Wirtschaften auf Pump mehr. Kein Staat des Währungsraums soll auf das Versprechen seiner Zentralbank vertrauen, im Notfall alles gegen eine Kapitalflucht zu unternehmen (also genau das, wozu das OMT-Programm gedacht ist). Vielleicht liegt es daran, dass deutsche Dax-Unternehmen vergangenes Jahr bereits mehr Umsatz in China erwirtschaftet haben, als Deutschland nach Frankreich exportiert. Vielleicht ist das der wahre Grund, warum unsere Hardliner insgeheim so gerne von Fünfjahresplänen träumen, als wären sie irgendwo in Peking ersonnen worden.
Nur dann sollten sie wenigstens auch die aktuellste Version des Fünfjahresplanes lesen, der wird ja regelmäßig in Peking aktualisiert. Chinas Führung hat immerhin schon lange kapiert, wie gefährlich es ist, allein auf Export zu setzen. Doch allein diese Einsicht garantiert natürlich auch noch nicht, dass die Volksrepublik sich so einfach wandeln wird. In Katar haben sie dafür extra eine WM auf dubiose Weise ins Land erkauft geholt, um das Land zu modernisieren und ihre Petrodollar sinnvoll anzulegen. Allein 200 Mrd. Dollar werden dort bis 2015 in die Infrastruktur investiert.
Doch während die Deutsche Bahn den wohl größten Metrobau überhaupt mit planen darf, liegt die ICE-Strecke von Berlin in den Westen Deutschlands noch immer brach. Soweit, dazu, wo unsere Prioritäten liegen. Am Persischen Golf und in China: „Nur nach Hause, nur nach Hause, nur nach Hause gehn wir nicht„, singen sie in der Salatschüssel von Berlin, wenn sie einer völlig unbekannten alten Dame (auch von der deutschen Staatsbahn finanziert) zujubeln. Diese Liedzeile könnte glatt als Hymne für die Investitionsverweigerer aus der deutschen Wirtschaft und Regierung durchgehen.
Es bringt auch nichts, Staatsausgaben einfach nur umzuschichten – weniger Konsumausgaben, dafür mehr Investitionsausgaben. Noch so ein fataler Traum all derjenigen, die gegen Steuererhöhungen stänkern. Es muss in diesem Land mehr ausgeben werden, und wenn der Staat es nicht tut, soll sich doch die Privatwirtschaft selbst organisieren. Eine Transferunion in Europa mit intelligentem Design – die Ersparnisse langfristig und sinnvoll angelegt, das wäre doch mal eine gescheite Planungsphantasie. So oder so bleiben die Deutschen vorerst ein Transfergeberland.
Wir ersinnen zwar die schönsten und albernsten Regeln für ganz Europa, geht es aber ans Eingemachte (z.B. unseren übermäßiger Kapitalexport – sprich Leistungsbilanzüberschuss) verzweifelt unser ratloser Finanzminister darüber, dass die ganze Welt bei jeder internationlen Konferenz mit dem Finger auf Deutschland zeigt. Und wenn Herr Weidmann so von Europa voller Ampeln und Regeln schwärmt und sich auch nicht zu schade ist, zu allem und jedem seinen Senf abzusondern, warum hören wir eigentlich nie von ihm Vorschläge, wie wir unseren Leistungbilanzüberschuss mal so richtig abbauen könnten?
Planungsphantasien, die so richtig Spaß machen
Klar, da fehlt ihm natürlich die Zeit dafür, wenn er tagelange an Klageschriften gegen das OMT-Programm tüftelt. Da fehlt auch die Zeit, uns zu erklären, warum wir es eigentlich zulassen sollen, dass unser Erspartes ohne Sinn und Verstand durch die Welt vagabundiert? Dabei dürften wir nicht vergessen: Spanien braucht jetzt wahrscheinlich zehn bis zwanzig Jahre, um wieder auf die Beine zu kommen. Das Land muss sich nicht nur von einer geplatzen Blase erholen, die wir Deutschen mit verursacht haben und wo die Bundesbank auch schön weggeschaut hat.
Die Spanier müssen sich auch noch vom Austeritätsschock erholen, den unsere Regierung mit zu verantworten hat. Von Griechenland ganz zu schweigen. Oder müssen wir unseren Hardlinern erst noch vorrechnen, wer von der Transferunion mit Ostdeutschland am meisten profitiert hat. Mit ist jedenfalls nicht bekannt, dass auch nur ein westdeutsches Unternehmen dadurch an Bedeutung in der Welt verloren hat.