Die Schwalbe und der Sommer (Teil 1 – Die Binnennachfrage)
Gut, es ist Wahlkampf. Da kann man schon einmal Sachen durcheinanderbringen. Alles nicht weiter schlimm. Morgen haben wir eh schon wieder vergessen, was unser Wirtschaftsminister den lieben langen Tag rumerzählt. So wie das, was er am Mittwoch gesagt hat:
„Das Wirtschaftswachstum in Deutschland gewinnt derzeit neuen Schwung. Damit tragen wir dazu bei, dass nun auch der Euroraum insgesamt aus der eineinhalb Jahre dauernden Rezession herauskommt. Das Wachstum der deutschen Wirtschaft wird immer stärker von der Binnennachfrage getragen.“
Wir stoppen hier, aus der Pressemitteilung der Bundesregierung zu zitieren. Wer jetzt schon weiterlesen möchte – hier geht’s lang. Wir kommen gleich noch einmal darauf zurück.
Schauen wir uns stattdessen die Zahlen des deutschen Bruttoinlandsprodukts etwas genauer an. Das ist wegen ein paar Sondereffekten im Frühjahr wieder gestiegen, nachdem es im Winter noch stagniert war. Der Winter war aber sehr, sehr, sehr kalt und viele Bauarbeiter mussten ihre Arbeiten deswegen auf das Frühjahr verschieben. Somit interessiert uns weniger das vergleichsweise starke Plus von 0,7 Prozent. Ein Sonderwachstumsschub gewissermaßen.
Wichtiger und interessanter ist da schon die Binnennachfrage. Also das, was unser Wachstum immer stärker tragen soll. Also das, wofür Unternehmen und Privathaushalte ihr Einkommen im Inland ausgeben oder eben nicht ausgeben. Und auf den ersten Blick sieht es gar nicht so schlecht aus: Der Privatkonsum steigt um 0,5 Prozent – fast eine Punktlandung im Vergleich zu dem, was hier vorhergesagt wurde. (Aber wollte ja leider keiner wetten…) Die Ausrüstungsinvestitionen (Investitionen ohne Bauausgaben) legen auch zu – und zwar um 0,9 Prozent. Immerhin der erste Anstieg seit dem dritten Quartal 2011.
Doch wie stark tragen nun diese Ausgaben unser Wachstum. Alle Ausgaben zusammen, gemessen als Anteil am Bruttoinlandsprodukt: für Maschinen, Geräte und Fahrzeuge (das sind die Ausrüstungsinvestitionen) sowie für Konsumgüter. Das ist der Kern dessen, was wir als Binnennachfrage* verstehen. Man könnte auch sagen, das ist die Binnennachfrage, auf die es am Ende ankommt – nur wo ist sie hin diese Binnennachfrage?:
Dann hören wir doch einmal, was der Wirtschaftsminister noch so dazu zu sagen hat, warum das „schwunghafte“ Wachstum in Deutschland angeblich immer stärker von der Binnennachfrage getragen wird:
„Dazu haben auch die Entlastungen der Bürgerinnen und Bürger bei Steuern, Abgaben und nicht zuletzt der Praxisgebühr von insgesamt 22 Mrd. Euro beigetragen. Das Vertrauen von Unternehmen und Verbrauchern nimmt wieder zu. Neben der wachstumsfreundlichen Konsolidierung unserer öffentlichen Haushalte haben wir mit strukturellen Reformen die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft nachhaltig gestärkt. Diese Politik zeigt Erfolge, das belegt die günstige wirtschaftliche Entwicklung in Deutschland.“
Nein, jetzt bitte nicht lachen, es ist doch nur Wahlkampf!
Zum Schluss noch ein Blick auf den langfristigen Trend (unbereinigte Zwölfmonatssummen) der Konsumausgaben und dann gleich folgen auch noch die Ausrüstungsinvestitionen (diesmal ohne Staat):
Während sich im Konsum eine Trendwende nach unten abzeichnet sieht es mit den Ausrüstungsinvestitionen der Unternehmen ganz bitter aus. Gemessen an der Wirtschaftsleistung wird in Deutschland derzeit so wenig investiert, wie seit der Einheit nicht mehr. Wie war gleich noch einmal die Überschrift der Pressemitteilung, in der Herr Rösler so schön zititert wurde: „Deutschland geht es gut.“ Ja, klar…
* Die Binnennachfrage besteht zusätzlich neben den Bauausgaben zudem noch aus den anderen Staatsausgaben, die nicht für Investitionen verwendet werden.
Sehr schöne Darstellung der wirklichen Probleme Deutschlands.
In Wahlkampfzeiten leider sehr selten geworden.