
WikiSubjektiv: Wie sich der Leistungsbilanzüberschuss komplett aus Ersparnis ergibt und warum das so gefährlich sein kann
Die Deutschen sammeln aktuell jährliche Leistungsbilanzüberschüsse von rund 190 Mrd. Euro an. Hier im Blog wurde schon öfter be- und geschrieben, was sich dahinter verbirgt: An der Zahl können wir die Ersparnis der Deutschen ablesen, die sie nicht daheim anlegen, sondern im Ausland. Leicht zugespitzt kann man auch sagen, dass sind die Milliarden, mit denen wir die Welt fluten und mit denen wir beitragen, gefährliche Kreditblasen anzuheizen. Seit Ende 2001 kam dabei eine Anlagesumme von rund 1550 Mrd. Euro zusammen.
Wie in den Kommentaren schon öfter diskutiert, scheint aber nicht jeder Leser diese Auffassung zu teilen. Ich glaube, ein etwas längerer volkswirtschaftlicher Exkurs könnte daher vielleicht nicht schaden. In den Blogkommentaren schreibt Edmund, dass der Leistungsbilanzüberschuss (der im Kern aus dem Exportüberschuss mit Gütern und Dienstleistungen besteht) nur wenig mit dem Ersparten zu tun haben könne. Vor allem deshalb, weil die Statistiker beim Export und Import der Umsatz erfassen und nicht das Einkommen. Die Kosten würden dabei nicht berücksichtigt, meint Edmund. Hier betrachtet er zwei Handelspartner A und B. Er schreibt:
„Wenn A Waren und Dienstleistungen im Wert von 100 nach B exportiert und B Waren und Dienstleistungen im Wert von 70 nach A, dann beträgt der (Umsatz)Überschuss 30. Wenn der (eigentlich unbekannte) Gewinn jeweils 15% beträgt, dann kann A als (Vorsteuer)Gewinn 15 und B 10,5 verbuchen.
Diese (eigentlich unbekannte) Differenz besagt, dass A 4,5 mehr Erspartes hat als B. Sie besagt aber nicht, dass A seinen Gewinn in B anlegt und B in A. A kann seinen Gewinn so anlegen, dass B nichts oder nur einen Bruchteil erhält. In diesem Fall kann A nicht für Kreditblasen in B verantwortlich gemacht werden. Leistungsbilanzen zeigen nur Umsatzströme auf, also keine Gewinnströme.“
Diese Logik ist auf den ersten Blick natürlich bestechend. Aber stimmt sie denn auch? Versuchen wir der Leistungsbilanz auf den Grund zu gehen. Dazu müssen wir die volkswirtschaftliche Gesamtrechung etwas genauer betrachten. Damit es nicht zu kompliziert wird, lassen wir den Staat und seine Rolle bei der Umverteilung von Einkommen außer Acht. In dieser Welt gibt es nur Unternehmen, die produzieren. Die Firmen haben Eigentümer und dort arbeiten Beschäftigte. Beide Personengruppen treten auch als Kreditgeber für die Unternehmen auf. Zudem kaufen beide Gruppen Güter und Dienstleistungen für ihren eigenen, persönlichen Verbrauch und Gebrauch (also den Konsum).
Bruttoinlandsprodukt als Einkommen
In den meisten Ländern veröffentlichten die Statistiker in ihrer volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung regelmäßig das Bruttoinlandsprodukt. Worum handelt es sich dabei? Aus volkswirtschaftlicher Sicht passiert bei Erfassung im Grunde genau das Gleiche wie auf Betriebsebene. Die Statistiker fassen dabei viele einzelne Produzenten zusammen und schauen sich dann den gesamten Umsatz eines Landes an und ziehen davon die Kosten ab.
So gelangen sie zum Einkommen eines Landes. Dieses Einkommen (oder besser gesagt: das Bruttoinlandsprodukt) geben die Unternehmen zum Teil gleich wieder aus, um abgenutzte Maschinen und Anlagen zu ersetzen (Abschreibungen). Der Rest sind Zinszahlungen (hier gehören auch Mieten und Pachten dazu) sowie Gewinne, Löhne und Gehälter.
1. Beispiel: Ein Land ohne Außenwirtschaft
Solange ein Land nichts exportiert und importiert, verkaufen die Unternehmen ihre Güter und Dienstleistungen logischerweise nur im Inland: z.B. für den Konsum privater Haushalte (Fernseher, Brot, Friseurbesuch, usw.). Einige Firmen verkaufen auch Güter, die nur dazu dienen, dass andere Unternehmen überhaupt produzieren können (z.B. Maschinen, Fertigungsanlagen) – Statistiker nennen sie Investitionsgüter. Für die Produktion von Konsumgütern und Investitionsgütern kauft jedes Unternehmen Zwischenprodukte.
Zwischenprodukte werden noch verarbeitet oder montiert, sie werden bei der Produktion verbraucht oder einfach nur umgewandelt: Das sind Zulieferteile (z.B. Spiegel eines Autos oder elektronische Bauelemente), Rohstoffe (z.B. Metalle, Holz, chemische Grundstoffe), Hilfsstoffe (z.B. Schrauben, Nägel und Lacke) oder Betriebsstoffe (z.B. Erdgas, Benzin, elektrischer Strom, Schmieröl, Putz- oder Kühlmittel). Auch Reparatur-, Beratungs- und Reinigungsdienstleistungen gehören zu den Zwischenprodukten. Statistiker nennen die Zwischenprodukte auch Vorleistungen.
Summe der Ausgaben ist gleich Summe der Einnahmen
Generell dürfen wir aber nicht vergessen, dass jeder Kauf mit einem Verkauf einhergeht. Jeder Ausgabe steht eine Einnahme gegenüber. Im Produktionskonto jeder Volkswirtschaft können wir sehen, wie die Summe aller Ausgaben der Summe aller Einnahmen entspricht. Jedes Unternehmen kauft Vorleistungen, bezahlt Beschäftigte, nimmt Abschreibungen vor, um die Betriebsstätten und Büros zu erhalten, bezahlt Zinsen an die Bank und an die Investoren. Am Ende bleibt (hoffentlich) ein Gewinn übrig. Den kann das Unternehmen verteilen an die Eigentümer oder behalten, um Geld für neue Investitionen auszugeben: entweder in Sachanlagen oder in Finanzanlagen.
Gleichzeitig (also sagen wir innerhalb eines Jahres) müssen die Unternehmen ihre Produktion verkaufen, um diese Ausgaben zu tätigen: Entweder sie verkaufen Zwischenprodukte (also die Vorleistungen) oder Endprodukte – für Investitionen und für den Konsum. Da jedes Unternehmen die Kosten für seine Vorleistungen erst einmal einnehmen muss, gehen sie praktisch eins zu eins in den Verkaufspreis aller Endprodukte mit ein. Alles was darüber hinaus eingenommen wird, das gilt den Statistikern als Einkommen – ähnlich dem Überschuss eines einzelnen Unternehmens.
Dieses Einkommen muss natürlich erarbeitet werden. Wenn die Unternehmen ihre Vorleistungslieferanten bezahlen, reichen sie den Produzenten der Vorleistungen das Einkommen weiter, das dort entstanden ist. Nur mit diesem Einkommen können die Unternehmen und die Beschäftigten Endprodukte kaufen: mit der Summe aus Abschreibung, Gewinn, Zinsen sowie Löhnen und Gehältern kauft das Land Konsumgüter und Investitionsgüter.
Eigentlich könnten die Statistiker vom Produktionswert (Umsatz) auch gleich die Abschreibungen genau wie die Vorleistungen als Kosten mit abziehen. Denn auch diese Ausgaben müssen zunächst mit den Einnahmen aus dem Verkauf der Produkte bezahlt werden, bevor die Unternehmen daran denken können, ihr Einkommen zwischen der Kapitalseite und der Arbeitsseite aufzuteilen. Aber die Definition des Einkommens als Bruttoinlandsprodukt passt halt so schön zum Konzept, dass ein Land sein Einkommen entweder für den Konsum ausgibt oder spart (investiert).
Viel Ersatzinvestitionen, wenig Erweiterungsinvestitionen
Zudem bläht das Konzept des Bruttoinlandsprodukts die Investitionssumme so schön auf, die aber zu einem großen Teil nur verbrauchte Maschinen und Anlagen ersetzt. Erweitungsinvestitionen machen zum Beispiel in Deutschland nur 1 Prozent des Umsatzes (Produktionswertes) aus. Ersatzinvestitionen dagegen 8 Prozent.
Wie auch immer, das Gesparte einer Volkswirtschaft wird wieder investiert. Das Besondere dabei: Banken refinanzieren ihre Kredite, die sie an Unternehmen vergeben, mit dem Ersparten und tragen dazu bei, dass Unternehmen das Ersparte für Investitionsgüter ausgegeben – auch wenn der Sparer davon gar nichts mitbekommt, sondern sein Geld nur zur Bank bringt.
Das Bruttoinlandsprodukt ist eine Art von Einkommen, nicht der Umsatz
Das Zahlenbeispiel im oben zu sehenden Konto macht noch einmal deutlich, dass das Bruttoinlandsprodukt (auch inklusive der Abschreibungen) keinen Umsatz, sondern das Einkommen einer Volkswirtschaft misst. (Wie gesagt fehlen hier ohne den Staat, die Steuern, Abgaben, Subventionen und Transferzahlungen.) Das vereinfachte Beispiel (ohne Staat und Außenwirtschaft) zeigt, wie ein Land ein Einkommen von 100 Euro erwirtschaftet. Die Unternehmen zahlen 5 Euro für Zinsen, schreiben 15 Euro ab und geben diese Summe für Ersatzinvestitionen aus, sie bezahlen die Beschäftigten mit 55 Euro und sie geben 95 Euro für Vorleistungen aus. Am Ende bleibt ein Gewinn von 25 Euro übrig.
Fassen wir Gewinne und Zinsen zusammen, ist es vorstellbar, dass von 30 Euro nur 2 Euro investiert werden und 2 Euro auf dem Sparkonto landen. Die Arbeitnehmer legen von ihren 55 Euro Einkommen vielleicht 1 Euro aufs Sparkonto. Am Ende gibt die Volkswirtschaft 20 von 100 Euro nicht für den Konsum aus – es handelt sich hier um die Ersparnis, die die Unternehmen und ihre Beschäftigten investieren: 15 Euro Ersatzinvestitionen (Abschreibungen) plus 5 Euro Erweiterungsinvestitionen, wobei davon 3 Euro durch Bankkredit finanziert werden.
2. Beispiel: Ein Land mit Außenwirtschaft
Bisher leben wir aber noch in einer Welt ohne Export und Import – also ohne Außenwirtschaft. Beides kommt jetzt hinzu. Betrachten wir also wieder die Umsätze im Produktionskonto und ergänzen jetzt die Verkäufe im Ausland (=Export) auf der Einnahmeseite und auf der Ausgabenseiten nehmen wir die Käufe im Ausland (=Import) mit auf. Dabei steigt der Gesamtumsatz (oder der Produktionswert) um 110 Euro, die im Export eingenommen werden. Dafür brauchen die Exportunternehmen jetzt aber mehr Vorleistungen aus dem Inland oder aus dem Ausland. Verkäufe im Ausland und ein größerer Absatz im Inland lassen letztendlich das gesamte Einkommen steigen. Davon profitieren natürlich auch die Konsum- und Investitionsgüterproduzenten, die jetzt mehr verkaufen können.
Noch sind wir bei den Umsätzen stehen geblieben. Wie kommen wir aber auf der Ausgabenseite zum Einkommen oder zum Bruttoinlandsprodukt? Die Vorleistungsverkäufe im Inland können wir wie im ersten Beispiel einfach abziehen. Dann könnten wir auch noch die Vorleistungen aus dem Ausland auf beiden Seiten abziehen. Egal ob die Unternehmen die importieren Vorleistungen schlussendlich für die im Inland verkauften Produkte brauchen oder für den Export.
Damit hätten wir bereits alle Kosten der Produktion herausgerechnet bevor wir überhaupt zum Exportüberschuss und in diesem vereinfachten Beispiel also zum Leistungsbilanzüberschuss kommen. Übrig bleiben nach Abzug von 70 Euro importierter Vorleistungen in diesem Beispiel noch ein Import von 30 Euro (100 minus 70) und auf der Einnahmeseite ein Export von 40 Euro (110 minus 70). Mit 30 Euro der Exporteinnahmen bezahlt das Land seine restliche Importrechnung von 30 Euro, womit am Ende ein Einkommen – also ein Leistungsbilanzüberschuss – von 10 Euro übrig bleibt (40 minus 30 oder gleich Gesamtexport minus Gesamtimport: 110 minus 100).
Anders als Edmund vermutet, stellt der Leistungsbilanzüberschuss von 10 Euro aber vollständig Einkommen da – alle Ausgaben (Kosten und Import) sind bereits abgezogen. Das Bruttoinlandsprodukt ergibt sich somit aus Konsumausgaben plus Investitionen plus Exportüberschuss. (In diesem einfachen Beispiel entspricht der Exportüberschuss genau dem Leistungsbilanzüberschuss. In der Realität werden in der Leistungsbilanz auch die jeweils im Ausland verdienten Löhne und Zinsen erfasst, sowie die Überweisungen von Gastarbeitern – also auch wieder Einkommensströme).
Diese 10 Euro haben die Sparer weder für den Konsum im Inland ausgegeben, noch für Investitionsgüter oder Vorleistungen. Auch für Import wurden diese 10 Euro Leistungsbilanzüberschuss nicht ausgeben. Was bleibt also übrig, was haben die Sparer also damit gemacht?
Es gibt keine andere Möglichkeit: Die Sparer haben den Leistungbilanzüberschuss im Ausland angelegt – in Sachvermögen (Investitionen) oder in Geldvermögen (z.B. ausländische Wertpapiere).
Auf diesem Weg haben die Inländer also ihr erspartes Einkommen in das Ausland exportiert. Sie hoffen darauf, in Zukunft neues Einkommen zu beziehen (also Zinsen und Dividenden). Damit wird auch klar, warum das hier beschriebene Land unter seinen Verhältnissen lebt: Weil es sein Einkommen nicht zuhause ausgibt.
Bei einem Defizitland ist es genau umgekehrt, es gibt mehr aus als es einnimmt. Dafür braucht es aber das Ersparte aus dem Ausland: Investitionen in Sachvermögen oder Geldvermögen (Kredit). Das Land lebt somit über seinen Verhältnissen. Das muss nicht unbedingt immer gefährlich sein. Doch jahrlange auf Kredit des Auslands zu zählen – das kann eben auch bedrohliche Blasen schüren. Und die platzen nun einmal wie in den USA oder Spanien.
Das Kapital findet immer seinen Weg
Dabei kommt es bei einer Blase in den Defizitländern oft zu einer leichtfertigen Kreditvergabe. Selbst wenn die Finanzaufsicht immer aufpasst, findet das Auslandskapital oftmals doch wieder „kreative“ Wege, sogar strenge Kapitalverkehrkontrollen zu umgehen. Zum Beispiel indem Investoren Exportrechnungen faken. Auf der anderen Seite trifft die ausufernde Kreditvergabe auf eine Geldflut aus den Überschussländern, die oftmals zu lange auf eine mehr oder weniger extreme Exportförderung gesetzt haben: Lohnzurückhaltung in Deutschland, Wechselkursfixierung in China. Hinzu kommen noch die Ölexportierenden Länder.
Wichtig dabei: Da wir den Exportüberschuss – also unser Einkommen als Kredit ans Ausland vergeben, finanzieren wir den Importüberschuss eines Defizitlandes. Oder anders ausgedrückt: Wir geben einem anderen Land Kredit, damit es unseren Exportüberschuss kaufen kann. Kreditgeber und Kreditnehmer können sich dabei gegenseitig immer weiter hochschaukeln: der Exportüberschuss wächst bei uns an, womit wir wiederum mehr Kredit vergeben können, das Defizitland kann im nächsten Schritt noch mehr auf Pump kaufen und unser Exportüberschuss wächst noch mehr an usw. – bis es eben knallt. Es sei denn, ein Überschussland unternimmt etwas dagegen, dass der Exportüberschuss anwächst. Schwierig ist es zudem für das Defizitland, sich gegen die Kapitalflut zu wehren – zumal wenn sie innerhalb einer Währungsunion passiert.
Kreditflüsse und -verflechtungen im globalen Finanzsystem
Es bringt auch nichts, wenn ein Land wie Deutschland seine Ersparnisse gleichmäßig auf alle Länder der Welt aufteilt, die Kreditflüsse und -verflechtungen im globalen Finanzsystem zwischen den Volkswirtschaften führen am Ende immer wieder dazu, dass sich die globale Geldflut doch auf wenige Länder konzentriert. Irgendwo auf der Welt knallt es deswegen regelmäßig alle paar Jahre bzw. es setzt eine plötzliche Umkehr der Kapitalströme ein, was wiederum ganze Volkswirtschaften in arge Schwierigkeiten bringen kann. Erst werten Währungen extrem auf, dann stürzen sie auch wieder ab: So wie es zuletzt in vielen Schwellenländern zu beobachten war.
Wir haben ja „nur“ rund ein Drittel im Ausland verloren: Bleibt noch 1 Billion
Die Zahlen im Produktionskonto mit Außenwirtschaft geben übrigens auf der Einnahmeseite die Verhältnisse in der Bundesrepublik ganz gut wieder – wobei sich die Konsumausgaben des Staates in den „Verkäufen an die inländische Haushalte“ verstecken. Auf der Ausgabeseite fehlt jetzt noch die staatliche Umverteilung über Steuern, Abgaben, Subventionen und Sozialtransfers. Da wir den Staat nicht berücksichtigt haben, fehlen hier natürlich auch entscheidende gesellschaftliche Eingriffsmöglichkeiten, um einen Leistungsbilanzüberschuss abzubauen.
Doch zunächst müsste die Führung eines Landes wie Deutschland auch einsehen, dass jahrelang extrem hohe Leistungsbilanzüberschüsse nicht gerade gesund sind – auch nicht für unsere private Altersvorsorge. Die Deutschen haben immerhin rund ein Drittel ihres im Ausland angelegten Geldvermögens seit 2001 wieder verloren haben. Wahrscheinlich trösten sich hier ein paar Leute damit, dass am Ende ja noch immer rund 1 Billion Euro dieses fiktiven Vermögens übrig geblieben ist. Jeder kann sich ja denken, wer diese Forderungen gegenüber dem Ausland hält, wahrscheinlich nicht gerade die, die jetzt auf einen Mindestlohn hoffen.
Was hilft gegen Leistungsbilanzüberschüsse?
Wenn aber die Einsicht einkehrt, dass die Überschüsse nicht wirklich gut sind für die Welt und auch die Deutschen, was kann also getan werden? Der Staat könnte sich zum Beispiel noch mehr verschulden und damit die Ersparnis seiner Bürger einzusammeln und diese Summen dann sinnvoll ausgeben. Staatsschulden sind im Prinzip nur dann ein Problem, wenn die Zinslast zu hoch wird. Aber wenn der Staat in Infrastruktur investiert, in Bildung usw. trägt er dazu bei, dass in Zukunft die Steuern reichlich fließen werden und er damit auch künftig Zinsen auszahlen kann. Auch Staatsschulden sind eine Art privater Altervorsorge, denn wo legen denn zum Beispiel die Versicherungen so gerne unserer Erspartes an? Genau, in Staatspapieren.
Öffentliche Haushaltsüberschüsse sind im Prinzip nur dann sinnvoll, wenn Inländer in einen Investitions- und/oder Konsumrausch verfallen, der kräftig auf Pump finanziert wird. Also genau das Gegenteil davon, was wir derzeit in den Krisenländern des Euro-Raums erleben. Natürlich könnten auch die Löhne für ein paar Jahre in den Branchen stärker steigen, die nicht für den Export produzieren (und nicht nur da) – Stichwort Mindestlohn. Nachholbedarf gibt es genug und die Vermögenden und Unternehmen haben ohnehin ein ordentliches Vermögenspolster in den vergangenen Jahren angelegt.
Ein Mindestlohn kann etwas helfen
Mit einem Mindestlohn könnten die Beschäftigten mehr ausgegeben für heimische Güter (was wieder mehr Einkommen schafft) und auch für ausländische Güter und der Leistungsbilanzüberschuss würde schrumpfen. Wir können uns dabei sogar sehr gut vorstellen, dass kein Exporteur irgendwelche Einbußen erleiden müsste – nur falls hier noch jemand von Fieberträumen voller Blei an den Füßen gepeinigt morgens aufwacht. Aber natürlich fürchten unsere Standortstrategen, dass auch die Löhne in den Exportfirmen zu stark steigen könnten – was schlussendlich zu weniger Gewinnen führt. Da aber steigende Gewinne in den vergangenen Jahren mit sinkenden Investitionen im Inland einher gingen, braucht sich darum eigentlich nicht wirklich jemand sorgen.
Schlussendlich kann der Staat auch die Steuern erhöhen. Eine Umschichtung innerhalb der Staatsausgaben (weniger konsumtiv und dafür mehr investiv), wie derzeit wieder einmal ein paar schlaue Ökonomen unseren Politikern einreden, bringt dabei gar nichts. Der Staat muss vor allem mehr ausgeben und zwar vor allem für Investitionen – die Konsumausgaben können ja ruhig eingefroren werden. Oder wir träumen von einer marktwirtschaftlich-korporatistischen Lösung. Aber dafür sind wir wahrscheinlich alle nicht naiv genug, um an den guten Willen und die Einsicht unserer Unternehmenslenker und Standortpropheten zu glauben.
Foto: Flickr / ideowl / (CC BY 2.0)