Willkommen im Klub, liebes Euroland, …willkommen bei uns Drogendealern!
Gleich wenden wir uns wieder dem Bild des Drogendealers zu. Fangen wir etwas trocken mit einer ökonomischen Gesetzmäßigkeit an: Will jemand sparen, kann er es nur, wenn er jemand anderem Kredit gibt. (Wir vergessen einfach mal, dass wir unser Bargeld auch in der Matratze einnähen könnten.)
Wer zum Beispiel sein Erspartes zur Bank bringt, der gibt der Bank einen Kredit. Das Geldhaus wiederum finanziert damit Investitionsdarlehen, Ratenkredite für den Hauskauf oder größere Anschaffungen oder die Bank legt unser Erspartes in Wertpapieren (auch eine Art von Kredit) an.
Wird in einem Land aber weniger investiert und auf Pump konsumiert als gespart wird, fließt das Geld ins Ausland. Oder anders ausgedrückt: Wenn eine Volkswirtschaft zuviel spart, gibt sie dem Rest der Welt immer einen Kredit. Natürlich gibt es auch Konsum und Investitionen ohne Pump, aber das finanzieren wir mit unserem Einkommen und zurückgelegten Gewinnen. Diese Ausgaben sollen hier keine Rolle spielen.
Diese Gesetzmäßigkeit sollten wir bedenken, wenn wir uns den starken Anstieg des Leistungsbilanzüberschusses des Eurolands im März anschauen. Am Mittwoch hat die EZB die neuesten Zahlen veröffentlicht. Was sagt uns das: Das Euroland exportiert mehr Güter und Dienstleistungen ins Ausland, als wir von dort erhalten. (Hinzu kommen noch Erwerbs- und Vermögenseinkommen und andere Übertragungen, die wie hier aber ignorieren können.) Wir, also das Euroland, verzichtet auf Konsum und Investitionen, weil wir lieber mehr Geschäfte im Ausland machen.
Doch wie kann das Ausland mehr Güter und Dienstleistungen einführen als es selber herstellt? Es braucht dafür Kredit oder Erspartes (was das Gleiche ist, wie wir am Anfang dieses Beitrags gesehen haben). Denn ihr eigenes Erspartes nutzt das Ausland bereits, um Investitionen und den Konsum im Inland zu finanzieren. Das Ausland kann also nur dann mehr verbrauchen als es einnimmt, wenn es Kredit bekommt. Und wer gibt den Kredit? Das können nur die Länder, die mehr im Ausland verdienen als sie für ausländische Güter ausgeben. Konkret sind das also die Länder mit einem Leistungsbilanzüberschuss.
Der Rausch vom Gelddrucken: Wie ein Drogendealer am Bahnhof
Gleich sind wir wieder beim Bild des Drogendealers. Wer der restlichen Welt Kredit gibt, das ist derjenige, der in unserer modernen Weltwirtschaft das Geld erschafft. (Es ist niemals die Notenbank!) Eigentlich nicht so schwer zu verstehen, selbst wenn man die Sendung „Börse vor Acht“ moderiert. Wie ein Händler beständig seine Aufputschmittel an den Kunden bringt, so versetzen die Überschussländer den Rest der Welt in einen Rausch. Einen Rausch aus Konsum und Investitionen. Immer ist es mehr als man sich dort eigentlich leisten kann.
Und wer von seinem Dealer Jahr für Jahr mehr und noch mehr Rauschmittel kauft, der kommt vielleicht einmal an einen toten Punkt. Irgendwann setzt sich der Abhängige eine Überdosis. In der Weltwirtschaft passiert das dann, wenn in einem Land die Schuldner ihre Kredite nicht mehr tilgen und keine Zinsen mehr zahlen können. So ist es in den USA, Spanien und Irland passiert als dort die jüngste Finanzkrise begann. Nur mit Mühe und Not konnten die Patienten gerettet werden. An den Folgen der Überdosis leiden wir alle noch heute.
Unser Auslandsvermögen ist ständig in Gefahr
Nun besteht die Welt aus vielen Ländern. Und es könnte jemand einwenden, dass wir unseren Kredit gleichmäßig auf der Welt verteilen könnten. Es müsse nicht unbedingt zu Übertreibungen und Kreditboom kommen, heißt es dann. Und dann heißt es auch: Wo die Bevölkerung stärker wächst als bei uns, diese Länder dürften es sich doch leisten können. Sie müssten doch unseren Darlehen samt Zinsen zurückzahlen können, sagen manche.
Das Problem ist nur, dass wir den Weg der Geldströme im Ausland kaum noch kontrollieren können. Genau das ist es, was den Übergang zur kapitalgedeckten Altersvorsorge in Deutschland (die nur im Ausland erfolgen kann) so riskant macht. Und genau so riskant ist es, wenn Länder wie Spanien auf diesem Weg ihre enorme Auslandsverschuldung abbauen wollen (oder sollen, wenn es nach den Vorstellungen in Berlin oder Frankfurt geht).
Erfahrungen zeigen, dass die Kredite von einem Land zum anderen wie an einer Kette weitergereicht werden. Und immer wieder kommt es dazu, dass sich diese Kapitalströme auf wenige Regionen konzentrieren. Waren es vor einem paar Jahren die USA, Spanien oder Irland, sind heute vielleicht Brasilien, Kanada oder Südostasien.
Finanzkrisen sind so gut wie vorprogrammiert
Vielleicht schon bald werden diese Regionen von einer Kreditüberdosis heimgesucht. Neue Finanzkrisen sind so gut wie vorprogrammiert. Oder die Länder schotten sich irgendwie von den internationalen Kapitalströmen ab. Tut dies das ganze Ausland dann bleiben wir „sitzen“ auf dem riesigen Berg an Arbeitslosen an der Rändern Eurolands. Dann brennen hier bald die Barrikaden!
Auch wenden einige ein, dass doch die Notenbanken den weltweiten Kreditrausch anheizen, indem sie ihre Zinsen so niedrig festsetzen. Dies würde zu leichtfertiger Kreditaufnahme und Fehlinvestitionen führen. An den Warnungen ist schon etwas dran – aber nur zum Teil.
Wachsende Ungleichheit führt zur Krise
So wie eine Heroinschwemme aus Afghanistan die Preise am Bahnhof einbrechen lässt, so ist es auch in der Weltwirtschaft. Nur ist es hier nicht der Preis für ein Gramm Heroin sondern der Zins, wie der Preis des Geldes genannt wird. Wird die Kreditschwemme zu groß, kann selbst die Notenbank mit einem höheren Zinsen nichts mehr anrichten.
Vielleicht versteht man jetzt, warum die wachsende Ungleichheit bei Einkommen und Vermögen (wie in Deutschland) am Ende immer zu mehr Krisen führen wird. Vergleichsweise geringe Arbeitskosten und „mehr Wettbewerbsfähigkeit“ sind das eine, verlorenes Auslandsvermögen ist das andere. Deswegen muss dagegen dringend etwas unternommen werden, für den Frieden auf der ganzen Welt und für die Zukunft späterer Generationen!