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Das Rezept eines Drogendealers

Alles gut und schön. Die deutschen Firmen sind also seit 1996 von Jahr zu Jahr wettbewerbsfähiger geworden. Sie haben ihre Arbeitskosten gesenkt und dadurch mehr und mehr auf der ganzen Welt verkauft. Deutsche Exporteure setzen mittlerweile ihre Waren und Dienstleistungen auf der Welt (und in Europa) im Schnitt um ein Drittel günstiger ab als noch Mitte der 1990er Jahre. Und die reale Abwertung will gar nicht mehr aufhören.

Vergleichen wir das Jahr 2012 mit 2001, als Deutschland praktisch eine ausgeglichene Leistungsbilanz auswies. Man könnte auch sagen, das Land befand sich im außenwirtschaftlichen Gleichgewicht. Aufwertung und Leistungsbilanzdefizite nach der deutschen Einheit waren längst vergessen. Nach Berechnungen der EU-Kommission war Deutschland vergangenes Jahr gegenüber 36 wichtigen Volkswirtschaften (inklusive EU und China) rund 5 Prozent unterbewertet – siehe grüne Linie in der folgenden Grafik. In Europa waren es sogar noch 10 Prozent (blaue Linie).

130514 DE LOHNVERZICHT

So große Wettbewerbsvorteile gegenüber dem Rest der Welt dürfte die deutsche Wirtschaft noch nie gehabt haben – gemessen an den durchschnittlichen Wechselkursen an den Devisenmärkten und den vergleichsweise gesunkenen Lohnstückkosten. Wer sich hierzulande vor globalen Abwertungswettläufen oder Währungskriegen fürchtet, sollte  vielleicht einmal zuhause nachfragen. Wir freuen uns stattdessen lieber darüber, dass wir in Sonntagszeitungen von Vollbeschäftigung zu Dumpinglöhnen träumen dürfen.

Noch besser wird es, wenn uns Berliner Politiker oder Jens Weidmann warnen, bloß nicht unsere Wettbewerbsfähigkeit zu verlieren. Sie helfe uns ja auch so „gut“ dabei, durch diese Krise zu kommen. Kein Wort hören wir, dass die Arbeitnehmer in Deutschland in den vergangenen 17 Jahren auf mehr als 20 Prozent Lohnerhöhung verzichtet haben (das ist der orangene Berg in der Grafik oben, den man auch hier in der Grafik sehen kann). Kein Wort auch darüber, dass die Vermögen in Deutschland vielleicht auch deswegen so ungleich verteilt sind wie sonst nirgendwo im Euroland.

Nicht zu vergessen, kein Wort darüber, dass die Vermögenden und die Arbeitgeber in Deutschland lieber die Welt mit billigem Geld zuschütten. Die (reicheren) Deutschen also „viel zu viel sparen und das Geld viel zu schlecht anlegen“. Sie haben nichts Besseres zu tun, als ihren  Kostenvorteil zu verfrühstücken. Investitionen daheim in ihre und unser aller Zukunft sind Fehlanzeige: 1995 waren es noch 22 Prozent des BIP, vergangenes Jahr nur noch 18 Prozent. Scherzkekse nennen so etwas Angebotspolitik.

Und so freut sich Deutschland über seine gewonnene Wettbewerbsfähigkeit. Stolz wie ein kleinkarierter Drogendealer, der es nach 17 Jahren endlich geschafft hat, 6 Kilo Koks am Bahnhof zu verkaufen nachdem er sich selber vor Jahren noch Kleinstmengen dort besorgen musste. Und dem skrupellosen Rauschmittelverkäufer geht es selbst in der Krise immer noch besser als seinen Opfern.

Das Fatale daran ist, dass jetzt alle so werden sollen wie wir. Das heißt, der grüne Wechselkurs in der Grafik soll für jedes Land so schön weg brechen wie in Deutschland. Na gut, vielleicht nicht ganz so stark, Deutschland muss ja immer noch Erster bleiben. Wie auch immer, dafür müssen die Wechselkurse im Rest der Welt aber logischerweise steigen, der Rest der Welt müsste aufwerten und weniger von seinen dann überteuerten Gütern und Dienstleistungen verkaufen.

Aber was meint man wohl in Berlin und Frankfurt? Etwa, dass die ganze Welt (wie Euroland nach der Euro-Einführung) sich kampflos ergeben und angefixt wird, wenn es heißt: „Hurra, hurra, die Deutschen Europäer sind wieder da!“ Irgendwann werden sie es schon merken, dass der Rest der Welt noch so etwas wie eigene Wechselkurse hat und die wird er garantiert nicht wie die Schweizer an den Euro binden.

Spätestens dann, wenn die Barrikaden brennen, doch dann ist schon zu spät!

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  • Erik Jochem

    Noch wirkt die „geringere Wettbewerbsfähigkeit“ der anderen Euroländer wie ein Puffer zwischen den außereuropäischen deutschen Exporten und dem Eurokurs. Würden alle Euroländer ihre realen Wechselkurse so senken wie Deutschland, stiege der Eurokurs und das deutsche und europäische Exportmodell wäre perdu. Gleichzeitig läge der Binnenmarkt endgültig in Schutt und Asche. Deutschland sitzt nicht nur ganz am Ende des Astes, sondern sägt auch noch dran.

  • Henry Kaspar

    Ein Land mit der Altersstruktur Deutschlands hat im Gleichgewicht einen Leistungsbilanzueberschuss.

  • Andreas

    „Das Fatale daran ist, dass jetzt alle so werden sollen wie wir.“

    Laut Merkel soll beim 100- Meter- Lauf jeder erster werden und gleichzeitig sollen alle gleichzeitig durchs Ziel kommen.

  • André Kühnlenz

    @Henry Kaspar

    Warum eigentlich? Weil das Ausland unsere Ersparnisse in den Tresor legt, und in 30 Jahren mit Zinsen zurückzahlt? ;)

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