Bilanzrezession und Investitionsschwäche – Update
Update: In der Grafik weiter unten ist ein Fehler aufgetaucht. Die neue Grafik findet sich hier.
Vor wenigen Wochen sagte die Bundeskanzlerin beim Handelsblatt-„Deutschland Dinner“ einen bemerkenswerten Satz: „Interessanterweise hat man in der Geschichte der Bundesrepublik die schweren Aufbaujahre ohne Verschuldung geschafft.“ Die Aussage mag auf den ersten Blick richtig sein, sie ist jedoch auch irreführend falsch – denn wie so oft kommt es auf die Perspektive an. Als Regierungschefin hat Merkel allein die Staatsverschuldung gemeint.
Blicken wir aber auf die Unternehmen und Privathaushalte wird schnell klar, dass natürlich auch die „Wirtschaftswunder“-Jahre auf schuldengetriebenem Wachstum beruhten und was für einem. Wir haben es bereits hier in der Grafik gesehen: Die Schulden des Privatsektors stiegen von 30 Prozent des BIP im Jahr 1950 auf 67 Prozent im Jahr 1960 und Anfang 1970 waren es bereits 90 Prozent. Die folgende Grafik zeigt, wie es danach weiter ging – unterteilt nach Unternehmen und Haushalten.
Höhepunkt waren die 135 Prozent im Jahr 2003.
Seitdem bauen vor allem die Unternehmen ihre Schulden ab. Und noch ist keine Ende in Sicht, was die Investitionsschwäche der jüngsten Zeit erklären dürfte. Zugleich nutzen aber die Privathaushalte die niedrigen Zinsen aus – sie nehmen wieder mehr Kredit auf.
Unterm Strich blieb die Privatverschuldung seit Anfang 2011 aber konstant bis leicht rückläufig. Bemerkenswert ist dabei, dass die Zinslast von Unternehmen und Haushalten mit rund 5 Prozent des BIP im vergangenen Sommer höchst wahrscheinlich sogar bei weniger als dem lag, was Unternehmen und Haushalte noch Ende 1950er Jahre an Banken und andere Kreditgeber abdrücken mussten. Zum Vergleich: Zu Beginn dieses Jahrtausends dürften es noch rund 10 Prozent des BIP gewesen sein.
Praktisch müsste sich durch Schuldenabbau und Zinsrückgang auch der Verteilungsspielraum stetig erhöht haben, den Arbeitnehmer und Arbeitgeber in Gewinnen und Löhnen aufteilen können. Nur in ihren Lohn- und Gehaltsabrechnungen haben die Deutschen davon lange nichts gemerkt – nach Abzug der Inflation. Über die krasse Ungleichverteilung der Vermögen in Deutschland braucht sich auch deswegen wohl niemand wundern.