Perfektes PR-Schauspiel zur brutalstmöglichen Zypernrettung
In ganz Europa wächst die Kritik an Deutschlands Rolle in der Zypern-Rettung. Zunächst einmal muss aber gesagt werden, dass Bundesregierung und IWF völlig richtig damit liegen, dass Zypern keinen vollen Kredit über 17 Mrd. Euro bekommen hat – so klein dieser Betrag relativ für die Euro-Staaten und den IWF auch sein mag. Die Staatsschuld Zyperns hätte sich auf 180 Prozent des BIP verdoppelt, eine spätere Umschuldung wäre damit unausweichlich geworden. Irgendeine Form von Beteiligung der Bankkunden in Zypern lag also auf der Hand – denn bei den Aktionären und Anleihegläubigern der Banken war und ist wenig zu holen.
Soweit können wir also noch etwas Verständnis für das Rettungskonzept aufbringen, das sie da in Berlin ausgetüftelt haben. Doch die Art und Weise, wie es durchgedrückt wurde, das wird dem deutschen Steuerzahler noch schwer zu schaffen machen. Nicht zu vergessen, dass Zypern wie damals Ostdeutschland ökonomisch in eine Trümmerlandschaft verwandelt wird – nur ohne Transferzahlungen.
Es fing damit an, dass die Troika die Regierung Zyperns ins offene Messer des Internetshitstorms laufen ließ, der vor einer Woche losbrach. Niemand, nicht Herr Schäuble, nicht Frau Lagarde, nicht Herr Rehn und auch nicht Herr Asmussen und wie sie alle heißen, hat verhindert, dass Zyperns Regierung ursprünglich die Kleinsparer an den Kosten der „Rettung“ beteiligen wollte. Wer auch immer wem im Nachhinein die Schuld für diese Idee in die Schuhe schiebt – Fakt ist, niemand hat verhindert, dass sie öffentlich wurde. Und die Bedeutung der europaweiten Garantie für Einlagen bis 100000 € sollte wohl jedem Finanzbeamten im Umfeld von Europas Spitzenpolitikern selbst im tiefsten Schlaf noch so was von klar sein.
Die Vorstellung, dass hier übermüdete Verhandlungspartner einfach nicht daran gedacht haben könnten, welch lauten Aufschrei die Idee auslösen würden – diese Vorstellung ist einfach nur absurd. Eher würde es schon Sinn ergeben, wenn hier bewusst ein Shitstorm über Twitter und die angeschlossenen Blogs provoziert oder zumindest in Kauf genommen wurde. Der Shirtstorm hielt nicht lange, vielleicht eine halbe Woche, in der sich twitternde und bloggende Journalisten, Analysten, Investoren oder einfach nur an Wirtschaft Interessierte an der Idee abarbeiteten. Ziemlich schnell war klar, dass Einlagen bis 100000 € in Zypern verschont werden.
Danach drehte sich die Diskussion eigentlich nur noch um die Frage, wie viel die Vermögenden zur Rettung beitragen sollen – und zwar so brutal und schnell wie möglich, wenn schon die Kleinsparer nicht bluten dürfen. Die Folgen in Zypern wurden dabei ganz bewusst ausgeblendet. Erschwerend (oder gar gewollt?) kam hinzu, dass der kleine Banksturm in Zypern längst begonnen hatte. Im Laufe der vergangenen Woche bluteten die zyprischen Banken langsam und schleichend aus – über Massenabhebungen an den Geldautomaten – auch wenn die Filialen der Kreditinstitute geschlossen blieben.
In Deutschland war sowieso klar, dass hier nur kriminelle Russen in Zypern gerettet werden sollten. Nach Belegen fragte hier kaum jemand. Spitzenpolitiker in Berlin haben natürlich nie offen darüber geredet. Deswegen droschen sie zuletzt nur noch auf das Geschäftsmodell Zyperns ein – dem aufgeblähten Bankensektor der seit Beginn der Finanzkrise und dem Schuldenschnitt in Griechenland strauchelte. Ein Modell, dass es so aber schon bei der Euro-Einführung in Zypern 2008 gab – damals aber niemand gestört hatte.
Das Geschäftsmodell hätten wahrscheinlich nur die Russen retten können und wollen, die damit aber ein Einfallstor in die EU und in eine geostrategisch wichtige Region bekommen hätten. Die EU und der IWF haben sich aber schon auf dem G20-Gipfel in Moskau in Geheimgesprächen dagegen abgesichert, dass Russland zur Hilfe eilt, wie die FT schreibt (via Google). Sollten die Russen einfach keinen Fuß mehr auf die Insel bekommen und am besten gleich verschwinden? War das der eigentliche Grund für die Brutalität dieser „Rettung“?
Dass an weniger brutale Lösungen überhaupt nicht mehr gedacht wurde, lag am Ende daran, dass die Zeit tatsächlich immer knapper wurde und Zyperns Banken auf den Abgrund zusteuerten – allerdings erst ausgelöst durch das Schweigen von EU, IWF und EZB eine Woche zuvor. Eine weniger brutale Lösung hätte natürlich auch den Einfluss Russlands in Zypern gestärkt. Klar wollte die Bundesregierung bis Ostern das Thema vom Tisch haben, um sich danach in Ruhe auf den Bundestagwahlkampf vorzubereiten. Wenn die neue Bundesregierung jedoch Ende 2013 die Geschäfte übernimmt, dann kommt das ganze Unheil dieser Rettung wie ein Bumerang zurück.
Sobald die Kapitalkontrollen in Zypern etwas gelockert werden, ziehen Ausländer, vor allem Russen und Ukrainer, ihre verbliebenen Gelder ab, was sie ohnehin bereits (heimlich) tun. Die Banken brauchen noch mehr Kapital und der unausweichliche Konjunkturabsturz wird zudem die Staatsschulden noch mehr in die Höhe schießen lassen.
Das war es, was Zyperns Regierung noch bis zuletzt verhindern wollte und am Ende tragischerweise nicht mehr konnte – mit verheerenden Konsequenzen vor allem für Zypern, das jetzt überhaupt kein Geschäftsmodell mehr hat. Am Ende zahlen dafür aber auch die deutschen Steuerzahler: Jetzt bekommt Zypern erst einmal 10 Mrd. Euro vom Rettungsfonds ESM – doch der nächste Schuldenschnitt steht schon vor der Tür.