Zypern-„Rettung“: Wenn es nicht so zynisch wär, wünscht ich mir ein Blutbad her
Zynisch sind zum Glück ja immer die anderen, aber wenn eine krasse Marktreaktion am Montag den Bundestag noch zum Einlenken bewegen könnte… Ach, lassen wir diese Gedankenspiele… Auf diesen Shitstorm am Samstagmorgen jedenfalls waren die Zypern-„Retter“ wohl gar nicht gefasst. Hier meine Top-6 Beiträge:
1. The Cyprus Bank Bailout Could Be A Disastrous Precedent: They’re Reneging On Government Deposit Insurance by Tim Worstall
2. Cyprus: A Brutal Lesson in RealPolitik by Pawel Morski
3. Depositors burned, bondholders saved, a modern European bailout by namawinelake
4. Brüsseler Irrsinn für Zypern von Frank Lübberding
5. Bewusste Irreführung von Eric Bonse
6. Deposit holders in Cyprus pay. Solves todays political problem in Germany at the cost of future bank runs in other Eurozone countries by Paul De Grauwe
Im Gegenzug hab ich nur zwei erwähnenswerte Aussagen gefunden, die die Sorgen im Netz etwas besänftigen:
1. Thanks to the ECB’s safety net, we think that contagion from Cyprus will be fairly limited by Holger Schmieding
2. „Let’s calm down. I am just saying that if you were earning 5% a year on a short-term euro deposit you can perhaps suffer a one-off 6% tax“ by Jean Pisani-Ferry
Wie die Auswahl bereits zeigt, neige ich doch eher der ersten Gruppe zu, die in der Beteiligung der Sparer an der Rettung einen unvergleichlichen Vorgang sieht. Der, wenn es schlimm kommt, das Ende des Euro bedeuten könnte und vielleicht noch viel mehr Schaden anrichtet. Bislang waren Einlagen immer heilig. Es kann daran gezweifelt werden, ob die Bürger der anderen Länder ernsthaft daran glauben, es würde sich in Zypern nur um einen einmaligen Vorgang handeln. Mit peinlichen Sprachverdrehungen („upfront one-off stability levy“) kann das Vertrauen die Sparer im Euroland jedenfalls nicht gewonnen werden (hier in Wort und Bild&Ton).
Natürlich können die Verteidiger der „Rettung“ recht behalten, wenn sie sagen, dass das Sicherheitsnetz durch das OMT-Programm der EZB eine Ansteckung und einen Bankrun in Italien oder Spanien und anderswo verhindern dürften – auch falls sich später einmal die Lage in den Länder wieder zuspitzen sollte. Doch die entscheidende Frage ist dann: Wenn wir schon ein Sicherheitsnetz haben, warum werden dann die Besitzer von Bankanleihen (neben den nachrangigen Papieren) nicht herangezogen? So wird aber fast die Hälfe der Last auf die Cyprer, also Kleinsparer, Kinder, Rentner, Unternehmen, Versicherungen, Pensionsfonds – einfach alle -, entladen. Eine Beteiligung von Vermögenden, egal woher sie kommen, sollte doch bitte anders aussehen – so wünschenswert sie auch wäre.
Da hilft es auch wenig, wenn man bedenkt, dass zu den niedergelassenen Zyprern wohl auch der eine oder andere vermögende Russe und seine dubiose Firma zählt. Aber wissen wir genau, wie viel sie an der Summe des heimischen Privatsektors („Cypriot non-banks“) ausmachen? Als Ausländer außerhalb der Insel wohnend bekommen sie jedenfalls höhere Zinsen in Zypern. Klar ist nur, dass die Einlagen von außerhalb der EU (vermutlich Russland und anderen Ex-Sowjetstaaten) nur ein Fünftel ausmachen. Es hilft auch wenig, dass wenigstens die griechischen Einlagen in zyprischen Bankenfilialen verschont bleiben. Und es hilft auch wenig, wenn die Sparer im Tausch für ihre Einlagen Anteile an ihrer Bank bekommen. Wie sicher sind die noch einmal?
Es bleibt am Ende ein mulmiges Gefühl, das fatal an die Lehman-Pleite erinnert. Noch schlimmer ist aber die absolut ungerechte Lastenverteilung. Es bleibt zu hoffen, dass die Bundestagsabgeordneten von alleine aufwachen und diese „Rettung“ noch stoppen. Glauben mag man es ja nicht. Vielleicht würde ja doch so ein ganz kleines Blu… Ach, lassen wir das…
Update 1: Von Mark Schieritz und auch hier in den Kommentaren kam der Hinweis von thomas müller, dass die Banken in Zypern kaum Anleihen ausgegeben hätten. Darauf habe Jacob Funk Kirkegaard bereits im Februar hingewiesen: Hier der Link zu den EZB-Daten – aktuell sind es 1,7 Mrd. € – das macht 1,8 Prozent aller Einlagen (ohne die griechischen) aus.
Update 2: Tatsächlich kam die Entscheidung über die Beteiligung der Kleinsparer nicht von der Bundesregierung und vom IWF. An dem Paket dürfte sich noch eine Menge ändern.
Wolfgang Schäuble sagte am Sonntagabend im Interview mit den Tagesthemen:
„Das war die Position der Bundesregierung und des Internationalen Währungsfonds, dass wir den wesentlichen Teil der Mittel, der für die Sanierung der Banken notwendig ist, von den Eigentümern und die Gläubigern der Banken, das sind die Anleger bekommen müssen. Aber natürlich hätten wir die Einlagensicherung respektiert, die Konten bis zu 100000 sichert. Aber diejenigen, die keinen Bail-In wollten, dass waren die zyprische Regierung, auch die europäische Kommission und die EZB, die haben sich für diese Lösung entschieden. Das müssen sie nun dem zyprischen Volk erklären.“
Das schreibt das WSJ:
But Ms. Lagarde had something else in mind. The IMF chief presented a much more radical plan, in which deposits above €100,000 in Laiki and Bank of Cyprus would have been cut by between 30% and 40%. The owners of senior bonds in the two banks would also have faced losses. That plan would limit the international bailout to €10 billion and raise some €7.5 billion from depositors.
It quickly garnered the support of German Finance Minister Wolfgang Schäuble, as well as the delegates of Finland, the Netherlands and Slovakia—all countries with strong, bailout-wary parliaments.