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SpiegelOnline und die russische Schwarzgeldlüge

Vergangenen Herbst machte der angeblich geheime Bericht des BND über russische Schwarzgelder die Runde. Seitdem bestimmt er die öffentliche Diskussion in Deutschland: „Wenn wir Zypern retten, retten wir vor allem russische Verbrecher“, so der Tenor vieler Berichte nachdem das Magazin „DER SPIEGEL“ davon berichtet hatte. Allerdings gibt es zwei Versionen des Artikels – eine in Print und eine Online. Sie erinnern, milde gesprochen, an das Spiel „Stille Post“ – aber vielleicht steckt doch Absicht dahinter?

In der Ausgabe 45/2012 schreibt der „DER SPIEGEL“: „(I)n einem geheimen Bericht legt der Bundesnachrichtendienst (BND) dar, wer vor allem von den europäischen Steuermilliarden profitieren wird: russische Oligarchen, Geschäftsleute und Mafiosi, die ihr Schwarzgeld in Zypern angelegt haben.“ Soweit so gut, soweit auch alles seriös und nicht gerade überraschend. Kein Wort findet sich im Magazinbericht darüber, wie viel von dem Geld illegal sein könnte.

Etwas später heißt es weiter, „26 Milliarden Dollar Vermögen hätten Russen bei Banken in Zypern deponiert. Das ist deutlich mehr als die Jahreswirtschaftsleistung des Landes.“ Eine Summe, die rund 20 Mrd. € entspricht, die man so auch aus den Statistiken der EZB oder der zyprischen Zentralbank entnehmen kann. Also eine komplette Nullinformation, die im so geheimen BND-Bericht steht.

Doch was lesen wir noch heute auf „SPIEGEL ONLINE“:

„In einem geheimen Bericht legt der Auslandsgeheimdienst den Schluss nahe, dass von den Hilfsmaßnahmen, die die Europäische Union dem Land möglicherweise schon bald zahlen wird, vor allem Inhaber russischer Schwarzgeldkonten profitieren würden. Nach Erkenntnissen des BND haben russische Staatsbürger 26 Milliarden Dollar bei zyprischen Banken deponiert, berichtet der SPIEGEL. Das ist mehr als die Jahreswirtschaftsleistung des Landes.“

Hoppla, war der Bericht der Printkollegen etwa nicht aufregend genug? Kein Wort mehr von Oligarchen und ganz normalen Geschäftsleuten, wie es in der Printausgabe steht. Ist das Zufall? Oder wurde einfach der Printartikel missverstanden?

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Es kommt noch besser. In der Bildunterschrift werden im Online-Artikel aus den 26 Mrd. Dollar russischer Einlagen gleich einmal „26 Mrd. Dollar russisches Schwarzgeld“. Woher die Onliner beim „SPIEGEL“ diese Information haben, dass alle russischen Gelder einen kriminellen Ursprung haben, darüber lassen sie uns allerdings leider im Unklaren. Wie sollen sie uns auch aufklären?

Denn ganz offensichtlich weiß es nicht einmal der BND, wie die Bundesregierung auf Anfrage bestätigte und wie es BND-Chef Gerhard Schindler auch vor dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags aussagte: „Dies sei zwar, so der BND-Chef, nicht alles Schwarzgeld, aber ein bestimmter Prozentsatz davon ‚muss dem Schwarzgeld zuzurechnen sein’“. Aha. Genau das hatte schon der Print-„SPIEGEL“ berichtet, alles wenig spektakulär. Kein bisschen hat der BND also zur Aufklärung beigetragen.

(Natürlich machen auch Journalisten Fehler, aber warum finden wir die Falschaussagen fast fünf Monate später immer noch auf der Seite? Hat es einfach niemand gemerkt – auch nachdem die Diskussion in Deutschland populistisch abgegleitet ist?)

Doch auch sonst trägt der BND nicht gerade zur Aufklärung bei, wenn man Medienberichten glauben darf. Wie die „Süddeutsche Online“ unter Berufung auf das „Handelsblatt“ weiter berichtet, habe Schindler weiter gesagt: Es „seien etwas 40 Prozent der Nettogeldabflüsse aus Russland Schwarzgeld oder ‚aus Geldwäsche entstanden’. Insgesamt seien aus Russland 2012 rund 40 Milliarden Dollar (30,8 Milliarden Euro) abgeflossen, davon ein großer Teil nach Zypern.“

Hmm, woher weiß der Mann das. Vergangenes Jahr sind aus Russland zumindest nach dieser Statistik 57 Mrd. Dollar abgeflossen – netto. Und wenn man sich die Statistiken der EZB anschaut, stiegen die Einlagen in Zypern, die von außerhalb der EU kommen (also wohl vor allem aus Russland oder Ukraine) unterm Strich um 3,4 Mrd. Euro ( von Banken und Nicht-Banken) – also ungefähr um 4,4 Mrd. Dollar. Die Direktinvestitionen aus Zypern nach Russland (also ein Teil der Rückflüsse) lagen von Januar bis September bei 4,6 Mrd. Dollar. Vielleicht sollte der Wirtschaftsausschuss des Bundestages und die SPIEGEL-Leute das nächste Mal einfach einen Ökonomen befragen, der sich mit Zahlungsbilanzen auskennt und nicht den BND-Chef.

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  • egghat (@egghat)

    Hast du mal die Einlagen bei den zyprischen Banken, die Inländern zuzurechnen sind, auf Pro-Kopf-basis umgerechnet? Und das verglichen mit Deutschland? Ich habe einen Verdacht …

  • André Kühnlenz

    Einlagen von Inländern (ohne Banken) – pro Kopf:

    CY: 38188
    DE: 37669

  • egghat (@egghat)

    Findest du, das passt zum deutlich niedrigerem BIP in Zypern?

    Mir hat ein aus Zypern stammender erzählt, dass in Zypern relativ viel Geld privat gewaschen wurde. Also Blatt Papier + Handschlag als Vertrag, dann Koffer mit Geld, und dann hat der Zyprer die Knete behalten und als zyprisches Geld bei der Bank eingezahlt, davon Immobilien gekauft, whatever. (Ich kenne so ein Modell aus meinem privaten Umfeld aus der Zeit, als Ausländer in Dänemark noch keine Immobilien kaufen durften).

    Hätte allerdings dann mit höherem (Geld-)Vermögen der Zyprer gerechnet … Hat die Bundesbank auch für Zypern Zahlen bekannt gegeben? Sind die Zyprer auch „reicher“ als die Deutschen?

    (Was in der Diskussion mit der Fixierung auf die Russen übrigens auch total untergeht: Griechen haben ebenfalls massenhaft Geld nach Zypern gebracht. Aber darauf hinzuweisen ist irgendwie gerade anscheinend politisch nicht opportun. Lieber schimpft man auf die Schweiz als Steuer- und Schwarzgeldoase für Griechenland. Und in Zypern liegt nur Schwarzgeld von bösen Russen …)

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