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Die EZB stößt mit ihrer Euro-Abwertung in Deutschland an ihre Grenzen: Noch steigen die Gewinnmargen, aber die Investitionen erlahmen bereits

Dass der Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie jetzt schrumpfende Geschäfte signalisiert, dürfte wohl niemand überrascht haben, der hier häufiger mitliest. Gewöhnlich dauert es aber etwas, bis eine Rezession auch die Gesamtwirtschaft erfasst. Am Arbeitsmarkt in Amerika zeichnen sich bislang noch keine Jobverluste ab – was ebenfalls nicht weiter erstaunt. Denn eine Rezession spüren zuerst immer die Hersteller von Kapitalgütern, während der Rest der Wirtschaft vielleicht noch die vorhandenen Kapazitäten stärker auslastet (aber bereits zögerlicher erweitert); entsprechend steigen noch die Umsätze mit Konsumprodukten.

Auch kann noch viel passieren, was die nächste Rezession aufhält. Wir können aber davon ausgehen, dass die US-Industrie derzeit nicht allein unter dem starken Dollar leidet, wie einige Analysten bereits wieder behaupten. Denn die Profitabilität der amerikanischen Privatwirtschaft sinkt bereits seit Anfang 2014, seitdem steigt die Gewinnsumme prozentual langsamer als die Lohnsumme. Wenngleich die starke amerikanische Währung jetzt natürlich voll durchschlägt, seitdem die entlastende Wirkung des Ölpreisverfalls auf die Gewinnmargen nachlässt. Auf unserer Seite des Atlantiks werden die Unternehmen hier in Europa dagegen vom schwachen Euro profitiert haben.

Besonders in Spanien und anderen kleineren Euro-Staaten haben bis zuletzt die Neuinvestitionen regelrecht geboomt, was auch die deutschen Hersteller von Kapitalgütern noch bis zum Sommer über Wasser gehalten hat und wohl noch etwas weiter hält. Schauen wir uns an, wie die Gewinnmargen der deutschen Privatwirtschaft sich entwickelt haben, also der Anteil am Umsatz, der auf die Gewinne entfällt. Um den Umsatz der Privatwirtschaft abschätzen zu können, brauchen wir aber den Produktionswert, wie er von Destatis veröffentlicht wird.

Der Produktionswert bereinigt um Vorratsveränderungen einer Volkswirtschaft misst den Absatz von Konsumprodukten, Produkten des Kapitalstocks und von Vorprodukten die in einer Volkswirtschaft erzeugt werden – und zwar im In- und Ausland.

Damit können wir auf volkswirtschaftlicher Ebene so etwas betrachten, was wir aus den Unternehmensbilanzen als EBIT-Marge EBITDAMarge kennen (EBIT: earnings before interest and taxes, Gewinn vor Zinsen und Steuern). Also die durchschnittliche oder allgemeine operative Gewinnmarge nach Abschreibungen eines Landes:

 

Update 17.12.15: Die Grafik wurde nachträglich aktualisiert, weil in der ersten Version mehrere Fehler aufgetreten sind...

 

 

Die meisten Statistiker und akademischen Volkswirte schauen nicht so gerne auf den Umsatz, was man nicht unbedingt verstehen muss. Sie bevorzugen lieber die Analyse von volkswirtschaftlichen Einkommensgrößen (wie das Bruttoinlandsprodukt oder die Bruttowertschöpfung). Die Produktion an sich und ihre Realisation am Markt blenden sie aus welchen (ideologischen?) Gründen auch immer meistens aus.

Dabei steigen die Gewinnmargen, wenn die Unternehmen ihre Kosten relativ zum Umsatz reduzieren oder sinken, also vor allem Löhne oder Ausgaben für Vorprodukte wie Öl und Energie. Die Gewinnmargen steigen auch, wenn die Unternehmen bei gleichbleibenden Kosten mehr Umsatz in Euro umgerechnet im Ausland erzielen, wenn zum Beispiel eine Währung abwertet. Die Gewinnmargen in Deutschland steigen nun schon seit Sommer 2013 im Trend. Da hat der Euro noch um drei Prozent handelsgewichtet an Wert gewonnen bis zum Frühjahr 2014. Seit dem Mai vorigen Jahres verlor er aber bis zuletzt 13 Prozent an Wert, zugleich stieg die durchschnittliche Gewinnmarge von 10,9 auf 11,5 Prozent (gemessen am Umsatz ohne Staatsausgaben).

In Euro ausgedrückt macht das 33,5 Mrd. €, die die deutsche Privatwirtschaft allein durch die wachsenden Margen gewonnen hat. Die Lohnsumme stieg in der gleichen Zeit, also vom zweiten Quartal 2014 bis zum Sommerquartal 2015 um 49,3 Mrd. €. Die Lohnsumme wächst im Aufschwung in absoluten Zahlen aber immer stärker als die Gewinnsumme. Wollen wir aber wissen, wie sich die Profitabilität (gemessen am Kapitalstock oder am Gesamtkapital, für die wir leider keine guten Daten vorliegen haben) entwickelt hat, müssen wir uns die prozentuale Veränderungen anschauen.

Nur konzentrieren wir uns jetzt aber nur noch auf die nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften der deutschen Privatwirtschaft. Wie sehen also: Seit der Rezession des Jahres 2013, die verstärkt wurde durch den Austertitätsschock in Europa, steigt die Profitabilität. Spuren einer nahenden Krise können wir zumindest derzeit hier noch nicht erkennen.

Ganz im Gegensatz zu den USA lässt die Profitabilität in Deutschland also noch nicht merklich nach. Und das dürfte vor allem aus der Euro-Abwertung herrühren, die von der EZB zwar nicht offiziell als Ziel ausgegeben wurde, aber gleichwohl betrieben wurde. Es wird eben mit harten Bandagen gekämpft in der Weltwirtschaft. Vielleicht liegt es ja auch an dieser unterschiedlichen Gewinnentwicklung, dass der VW-Skandal gerade jetzt aufpoppt, auch wenn das natürlich in den USA niemand offiziell zugeben wird.

Die steigenden Gewinnmargen in Deutschland haben also die Profitabilität stabilisiert und zuletzt gesteigert jedoch nicht zu einem ordentlichen Aufschwung geführt. Von so hohen Gewinnmargen oder einer Mehrwertrate wie vor der Finanzkrise, als Deutschland seine Löhne und die Beschäftigung gedrückt hat, können die deutschen Unternehmen heute allerdings nur träumen. Es dürfte kein Zufall sein, dass die Rufe wieder lauter werden, dass dieses Land mal wieder Strukturreformen braucht. Wenn die Unternehmen ihre Arbeitsproduktivität nicht über steigende Investitionen verbessern, suchen sie eben wieder nach anderen Wegen, ihre Kosten zu senken und damit die Wettbewerbsfähigkeit zu verbessern.

Seit der Finanzkrise ist das Gewinn-/Lohnverhältnis (Mehrwertrate) aber nie auf mehr als knapp 43 Prozent gestiegen – zuletzt wohl auch nur mit Hilfe der EZB. Sinken kann die Mehrwertrate jedoch ziemlich schnell, wie wir immer wieder sehen. Stehen wir nun vor einem Aufschwung oder geht es wie in den USA eher abwärts? Der Kapitalaufbau, also die Investitionsdynamik, deutet eher an, dass Europa den USA folgen wird. Die deutsche Nettoanlageinvestitionsquote zeigt bereits im Trend eine ähnliche Dynamik wie in den USA. Noch steigt sie aber, der Kapitalaufbau beschleunigt sich also, aber die Zuwächse werden bereits geringer.

Für Deutschland haben wir allerdings wieder das Problem, dass Destatis nicht die Anlageinvestitionen für die einzelnen Sektoren veröffentlicht, sondern nur die Investitionen inklusive Vorratsveränderungen. Aber wie wir sehen, können wir uns ganz gut mit Schätzungen behelfen.

Es bleibt also in Europa spannend, können sich Länder wie Spanien vom globalen Abwärtstrend, ausgelöst in Amerika, abkoppeln? Was passiert mit Ländern wie Frankreich, Italien oder Österreich, wo ich gerade diese Zeilen schreiben?

Mir fehlt jedenfalls die Zuversicht, dass sich Europa tatsächlich vom negativen Welttrend abkoppeln kann. Steigende Gewinnquote haben bereits zu Beginn des Jahrtausends in Deutschland die Unternehmen nicht dazu veranlasst, ihre Investitionen wieder kräftiger auszuweiten. Jedenfalls dürfte darin auch ein Grund liegen, warum derzeit die Aktienkurse noch immer so stark steigen. Wie wir bereits früher gesehen haben, können die Unternehmen manchmal ganz gut damit leben, wenn die Gesamtwirtschaft in eine Rezession und dann Stagnation verfällt. Eine steigende Profitabilität bedeutet eben noch lange nicht, dass die Unternehmen automatisch mehr in den Aufbau neuen Kapitalstocks und neuer Job investieren. Das „Profitwunder“ aus dem ersten Jahrzehnt der 2000er Jahre dürfte sich jedoch sobald aber nicht wiederholen.

Foto: Flickr/Andre Douque/(CC BY-ND 2.0)

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