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„Mehr Solidarität mit Deutschland, bitte!“

Mit ihrer vergeblichen Suche nach den russischen Schwarzgeldmilliarden auf Zypern haben Bundesregierung und Opposition den Zyprern einen Bärendienst erwiesen. Klar, irgendeine Begründung brauchten sie ja für die brutale Depression, der jetzt auf der Insel droht. Es musste nur irgendwie plausibel klingen. Da kann es schon eine Zumutung sein, vielleicht einmal Leute zu befragen, die sich mit der Geschichte Zyperns auskennen. Leute wie den zyprischen Ökonomie-Nobelpreisträger Christopher Pissarides. Er hätte den deutschen Politikern so etwas erzählen können wie das hier:

„After the Turkish invasion of 1974, when most of the agricultural and industrial base was lost, Cyprus decided to add business services to tourism as its principal export. Dual taxation agreements, lax immigration policies and low corporate taxes attracted business from the Middle East, the EU and Russia.“

Statt auf das Geschäftsmodell Zyperns einzuschlagen hätten sich Bundesregierung und die Troika-Spitzen vielleicht auch einmal mit dem Außenminister Zyperns, Ioannis Kasoulidis, unterhalten können, der jetzt in der FAZ wenig diplomatisch sagte:

„Die Einlagen waren für unsere Wirtschaft sogar schädlich. Unsere Banken boten hohe Zinsen für Guthaben an, was sich in noch höheren Zinsen für Kredite spiegelte und unserer Wirtschaftsentwicklung abträglich war. Wir wussten also, dass wir ein Geschäftsmodell hatten, das korrekturbedürftig war und geändert werden musste. Wir beklagen uns nur darüber, dass man uns gezwungen hat, es so abrupt und brutal zu ändern.

Natürlich weiß heute immer noch niemand, wie viel Schwarzgeld aus Russland tatsächlich in Zypern lag und liegt. Ein „bestimmter Prozentsatz“, so die mageren Erkenntnisse des BND. Und natürlich interessiert das heute auch niemanden mehr. Jetzt wo sie mittlerweile fieberhaft in Nikosia danach suchen, wie viel der Kontoguthaben mit mehr als 100000 Euro sie überhaupt noch schröpfen können. Von Tag zu Tag steigen die Beträge, die in den Medien kursieren.

130330 CY DEPOSITS

Während sie also in Berlin monatelang russischen Phantomen hinterher jagten, kletterten die Kosten für die Rekapitalisierung der zyprischen Banken in jedem Monat des Abwartens, wie die jüngsten Zahlen der Zentralbank in Zypern zeigen. Allein die Bank of Cypurs verlor seit Ende 2012 rund ein Zehntel ihrer Einlagen. Bei der Laiki-Bank sind die Guthaben bereits seit Juni 2012 kräftig geschrumpft. Damals hatte die Regierung den Rettungsantrag gestellt und seitdem sind dem Geldhaus 25 Prozent der Einlagen weggebrochen. Man kann sich sehr leicht vorstellen, wie sich diese Flucht im März noch fortgesetzt hat.

Dann kommen wir auch schon zu der interessanten Frage: Wofür fordert Frau Leutheusser-Schnarrenberger eigentlich noch einmal Solidarität mit der Bundesregierung ein? Ach, für das hier: „Deutschland bringt sich solidarisch ein, damit es am Ende eine Perspektive für die Krisenländer gibt. (…) Da würde ich mir schon wünschen, dass die Persönlichkeiten an der Spitze – also der Kommissionspräsident und der Ratspräsident – auch Solidarität mit uns üben und die Deutschen gegen ungerechtfertigte Vorwürfe verteidigen.“ Ja nee, klar!

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  • Henry Kaspar

    Sorry aber der Artikel verwechselt die elementarsten Dinge. Abzug von Einlagen erhoeht nicht Rekapitalisierungskosten, sondern bedeutet lediglich dass die zypriotischen Banken mehr ELA von der EZB brauchen. Insolvenz und Illiquiditaet sind zwei grundverschiedene Dinge.

    Und bei der Einlegerbeteilung des Zypern-Rettungspakets geht es nicht darum russisches Schwarzgeld zu jagen, sondern darum die zypriotische Staatsschuld auf ein nachhaltiges Mass zu begrenzen. Wer dagegen ist moege bitte eine Alternative vorschlagen.

  • André Kühnlenz

    @HK Okay. Punkt 1 stimmt natürlich.
    Aber indirekt wird schon ein Schuh daraus, oder verstehe ich was falsch?

    Wenn die Laiki-Bank mehr ELA braucht, muss sie dafür auch mehr Assets als Sicherheiten hinterlegen. Wenn sei keine mehr hat, braucht sie entweder mehr Einlagen (oder andere Finanzierungsquellen) oder mehr Eigenkapital. Laut Nomura nahm die Laiki-Bank die ELA zuletzt mit 9,2 Mrd. Euro in Anspruch. Assets habe sie aber nur noch für 5,4 bis 6 Mrd. Euro gehabt. Nicht umsonst wollte die EZB doch die ELA beenden. Seit Juni 2012 sind 3 Mrd. Euro an Einlagen bei der Laiki-Bank abgeflossen – bis Februar 2013. Die Bank of Cyprus hat und hatte dagegen noch einen ausreichenden Puffer. Wenn der Einlagenabfluss bei der BoC so weiter gegangen wäre wie in den ersten zwei Monaten dieses Jahres, dann wäre der Puffer der BoC nach drei Monate auch vollkommen aufgebraucht gewesen.

    Punkt 2: Ich habe mich gar nicht gegen eine Beteiligung ausgesprochen. Sondern wollte nur darauf hinweisen, dass die Troika viel Zeit verloren hat. Nach dem Rettungspaket hat es Schäuble (oder einer der Koalitions-Finanzleute) wortwörtlich gesagt, wichtigstes Ziel der Deutschen war es, dass die Russen beteiligt werden (weil hohe Zinsen kassiert, und damit auch höheres Risiko eingegangen). Hier wurde doch über Wochen nur über Schwarzgeld diskutiert.

  • Hardy

    „Wir beklagen uns nur darüber, dass man uns gezwungen hat, es so abrupt und brutal zu ändern.“

    Gehts noch? „Abrupt“ kam die Insolvenz dieses Landes, entsprechend schnell mussten die Milliarden her. Wenn Zypern sein „Geschäftsmodell“ nicht ändern möchte: Kein Problem, dann müssen sie halt ohne „unser“ Geld auskommen. Es ist klar, dass Staaten keine Wirtschaftssubjekte im herkömmlichen Sinne sind; aber Kredit zum Überleben zu benötigen und die Kreditgeber zu beschimpfen ist schlicht: Dumm.
    Und wenn dieser Klugscheißer von Minister wusste, dass das „Geschäftsmodell“ schädlich war – wieso HAT er es nicht längst geändert? Und wer – außer ihm – hätte es denn ändern können? Eieiei, manchmal wäre es echt klüger die Klappe zu halten.

  • Henry Kaspar

    @ Andre Kuehnlenz

    wem die EZB wieviel ELA gibt ist vor allem eine politische Entscheidung, getroffen von der EZB und den Euro-Mitgliedsstaaten. Nicht umsonst sind die Kollateral- und Zinsbedingungen fuer ELA nicht so recht bekannt (im Gegensatz zu den Standard-Liquiditaetsfenstern). Eine harte ELA-Beschraenkung, die sich aus der Menge und Qualitaet der Bankassets ergeben wuerde, gibt es schwerlich.

    Und was die Beteiligung der Einleger angeht sehe ich im Wesentlichen drei Optionen: (i) es zahlt der zypriotische Steuerzahler, (ii) es zahlt der euroapaeische (deutsche, frannzoesische, hollaendische, finnische) Steuerzahler, (iii) es zahlen (nicht-versicherten) Bank-Einleger. Dass jemand bei Insolvenz Verluste macht ist unvermeidbar, die Frage ist wer.

    Wobei das zypriotische Insolvenzproblem praktisch ausschliesslich das Ergebnis der Insolvenz der ueberdimensionierten zypriotischen Banken ist.

    Mich wuerde interessieren welche Option Sie fuer die beste halten, und warum.

    Besten Gruss,
    HK

  • André Kühnlenz

    @HK

    Meiner Meinung nach führt die jetzige Lösung dazu, dass der Finanzsektor und alle von ihm abhängigen Wirtschaftszweige einen kräftigen Einbruch erleben werden – ohne dass man weiß, wie das künftige Geschäftsmodell aussehen soll. Die jetzige Lösung führt auch dazu, dass der aufgeblähte Finanzsektor tatsächlich über Nacht geschrumpft wird. Die Folgen werden aber dazu führen, dass in einem Jahr höchstwahrscheinlich wieder ein Rettungspaket notwendig wird und das wird dann wohl ohne Schuldenschnitt der öffentlichen Kreditgeber aus den Euro-Staaten nicht mehr gehen.

    Die beste Lösung wäre wahrscheinlich eine Rekapitalisierung durch den ESM gewesen, was von Deutschland aber abgelehnt wird. Das hätte es aber ermöglicht, dass der Bankensektor langsamer geschrumpft wird. Die Euro-Staaten tragen auch Mitverantwortung, denn sie waren es, die Zypern 2008 mit einem schon damals aufgeblähten Bankensektor aufgenommen haben.

    Sehr reizvoll (wenn es nicht sogar ein besserer Vorschlag war) fand ich aber den Vorschlag von Buchheim und Gulati, Einlagen mit mehr als 100000 Euro über die Umwandlung in handelbare Certifcates of Deposit (mit Laufzeiten von fünf bis zehn Jahren) festzufrieren. Zugleich hätte auch die Rückzahlung der Staatsanleihen gestreckt werden müssen. Dann hätte die Regierung die Banken leichter rekapitalisieren können, wie es im ersten Rettungsversuch vorgesehen war. Und dann wären die Folgen nicht so krass gewesen und man hätte den Bankensektor langsam schrumpfen können. http://www.weitwinkelsubjektiv.com/2013/03/19/ein-perfekter-plan-fur-zypern/

    So wird es alles aber sehr brutal, mit Folgen für alle – auch die Steuerzahler in Deutschland. Vielleicht etwas naiv, aber warum nicht die Einlagen des kompletten Bankensektors Zyperns mit mehr 100000 Euro in Eigenkapital der Banken umwandeln? http://www.weitwinkelsubjektiv.com/2013/03/27/40-prozenteigenkapital/

  • Henry Kaspar

    @ Kuehnlenz

    Sie wollen also (ii): der euopaeische Steuerzahler soll zahlen (die insolventen zypriotischen Banken „rekapitalisieren“), damit die Grosseinleger ungeschaedigt ihre Depositen abziehen koennen.

    Ueber die oekonomsche und politische Weiseit dieses Vorschlags kann man geteilter Meinung sein (ich halte ihn fuer unweise). Wieso dies aber den Schrumpfungsprozess des zypriotischen Bankensystems verlangsamen soll ist mir unklar. Der wird schliesslich von der Asset- und nicht von der Liability-Seite getrieben: die Banken muessen ihre non-performing Assets abschreiben bzw. im Wert bereichtigen (insbesondere griechische Staatsanleihen), und dafuer muss loss-absorbing capacity vorhanden sein. Bei Ihnen absorbieren die Verluste nicht unversicherte Einleger sondern europaeische Steuerzahler – das ist aber auch schon alles.

    Beim Buchheim- und Gulati-Vorschlag verstehe ich nicht, woher die loss-absorbing capacity ueberhaupt herkommen soll. Die Fristigkeit von Deposits verlaengern haelt Banken zwar moeglicherweise liquide (solange die CDs laufen), aendert rein gar nichts an ihrer Unterkapitalisierung – und damit geht der Vorschlag am Problem vorbei. Liquiditaet behebt kein Solvenzproblem.

    Depositen in Eigenkapital umwandeln hingegen geht, aber es unterscheidet sich nicht wesentlich von der gefundenen Loesubg. Anstatt zu sagen „ihr habt unversicherte Einlagen von 100, und davon schreibt ihr jetzt 30 ab, um die Verluste zu decken“ sagen Sie „ihr habt statt unversicherten Einlaegen jetzt Bankkapital von 100, und 30 davon werden faellig um die Verluste abzudecken“. D.h. der Wert des Bankkapitals ist danach 70.

    Besten Gruss,
    HK

  • André Kühnlenz

    Der ESM Vorschlag wäre aktuell auch nicht mehr praktizierbar gewesen, da gebe ich Ihnen recht. Der hätte halt viel früher kommen müssen, bevor die Depositen abgezogen worden sind. Eigentlich hab ich schon Verständnis dafür, wenn Deutschland sagt, man kann mit dem ESM keine Bankprobleme aus der Vergangenheit lösen, nach Zypern wäre dann Spanien dran und das kann noch teuer werden… (Ich bin mir aber immer noch unsicher, ob das tatsächlich die beste Weg ist und man zuerst einen Abwicklungsmechanimus usw. installieren sollte…)

    Okay, also das mit der „wahrscheinlich besten Lösung“ nehme ich wieder zurück, zumal ich die Beteiligung der Einleger bei allen Zweifeln (besonders nach der ersten Rettungslösung) ja auch nicht mehr so verkehrt finde – gerade in Zypern.

    Und bei Buchheit/Gulati hätten wir beides gehabt, Beteiligung der Einleger, die Verluste bei einem vorzeitigen Verkauf der CDs hätten hinnehmen müssen. Und zugleich eine Rekapitalsierung durch ESM-Mittel wie im ersten Vorschlag (10 Mrd. Euro) – deswegen ja auch die Verlängerung der Staatsanleihen damit in den nächsten drei Jahren keine Mittel für die Refinanzierung der Regierung gebraucht werden. Am Ende wären es nicht ganz 10 Mrd. Euro geworden, weil aus der Summe auch die laufenden Budgetdefzite hätten finanziert werden müssen.

    Mit den jetzt veröffentlichten Plänen, läuft es tatsächlich darauf hinaus, dass Einleger mit mehr als 100 000 Euro erst einmal fast alles verlieren könnten bzw. in Eigenkapital umgewandelt wird. Da nach Ende der Kapitalverkehrkontrollen aber in den anderen Banken (60% der Einlagen liegen hier), z.B. der Hellenic Bank auch ein Massenabzug der Depositen droht (62% der Einlagen bei der Hellenic Bank kommen aus dem Ausland, allein 33% aus Russland) – bleibt wohl das Problem, dass es mit dem ersten Rettungspaket nicht getan ist und der Steuerzahler trotzdem wahrscheinlich noch einmal ran muss (wenn aus Liquiditätsproblemen weitere Insolvenzen drohen).

    Und klar, kann man jetzt noch nicht berurteilen, wie tief der Wirtschaftseinbruch wird. Immerhin wird ein Teil der eingefrorenen Einlagen wohl für allem dafür in Reserve gehalten. Aber auch hier gefällt mir die Logik nicht, wir lassen die Wirtschaft einbrechen (-8% in diesem Jahr und -3% im nächsten laut geleaktem Entwurf für das MoU) und für die damit zu erwartenden Abschreibungen sorgen wir schon einmal vor. Zumal auch ganz normale Unternmen in Zypern derzeit nicht an ihre größeren Einlagen kommen.

  • Henry Kaspar

    @ Kuehnlenz

    Wenn der Trick bei B/G ist dass die CDs handelbar sind und zu abgeschriebenen Werten in die Bilanz eingestellt werden, dann ist das praktisch das Gleiche wie Umwandlung in Eigenkapital (man braucht dann auch keinen ESM recap). Die Einleger werden dadurch freilich mindestens ebenso schlecht gestellt wie bei der jetzigen Loesung – und wahrscheinlich schlechter, da Marktpreise in Krisen meist ueberschiessen.

    So oder so muessen die Einleger einen Grossteil ihrer Einlagen abschreiben. Wieso der Weg ueber CDs dann schonender sein soll als Besteuerung bleibt mir unklar.

    ( Ebenso die rechtliche Seite – die Bank kann schwerlich unilateral den Vertrag mit dem Einleger umwandeln. Auch zweifle ich ob die Bank auf der Passivseite Abschreibungen relativ Nennwert – den die Bank bei Faelligkeit ja weiterhin schuldet – vornehmen darf.)

    Beim ESM bin ich persoenlich vor- wie rueckwaertsgewandt skeptisch. Vorwaertsgewandt bedeutet es dass Europas Steuerzahler fuer die Folgen von Ereignissen wie italienischen Wahlergebnissen haften. Solange Europa institutionell nicht so weit entwickelt ist dass italienische Wahlergebnisse keine oekonomische Rolle mehr spielen (wobei sich dann die Frage stellt, ob dies unter Demokratiegesichtspunkten wuenschenswert ist) scheint mir so eine Pauschal-Bailoutgarantie oekonomisch wie politisch unvernuenftig.

    Dies heisst nicht dass Europa nicht einen Mechanismus braucht um mit Insolvenzfaellen umzugehen. Es braucht ihn. Zypern kann so ein Fall werden, wie Sie richtig schreiben, Spanien auch, Griechenland ist es de facto bereits. Insolvenzfaelle koennen die Steuerzahler anderer Laender belasten – dies ist der Preis Eurpoas. Aber solche Bailouts sollten meiner Ansicht nach immer one-off sein, und an Massnahmen gebunden sein, die eine Wiederholung unwahrscheinlich machen. Bei Zypern heisst dies dass der Bankensektor auf ein Mass zurueckgefuehrt wird das kompatibel ist mit der Leistungsfaehigkeit des Volkswirtschaft, und keine Gefahr fuer den Rest Europas darstellt.

    Besten Gruss,
    HK

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