Clowns und Populisten entdecken das Krisenmonster
Auf den ersten Blick wirkt es noch niedlich, wie deutsche Kommentatoren Europa zur politischen Krise erklären. Denn die Italiener haben Leute gewählt, die einigen in Brüssel, Berlin oder Frankfurt oder eben auch München so gar nicht richtig passen. Über Italiens Wähler schreibt Stefan Kornelius in der Süddeutschen Zeitung, sie würden die „Medizin, die gegen die Probleme verschrieben wurde, ablehnen“, deswegen drohe jetzt wieder Unheil für das Euroland, das „Monster“ der Krise stehe wieder einmal vor der Tür.
Wir sollten aber eher solche Kommentare fürchten und die Einstellung, die dahinter steht. Demnach wäre die Krisenlösung eigentlich so einfach, sie liegt förmlich auf der Hand: „Die Italiener mögen den Euro behalten wollen. Aber sie werden nicht akzeptieren, dass dazu auch die Produktivität im Land steigen muss und nicht nur die Lohnkosten, die Preise und die Schulden“, schreibt der SZ-Mann. Aber zugleich müsse die Politik büßen, weil diese Krise eben doch so „unglaublich komplex“ sei: „Ihre seriösen Vertreter bieten keine schnelle Erlösung an. Also schlägt die Stunde der Populisten. Ein ungutes Gemisch – leicht entflammbar.“
Was? Ein Volk sehnt Änderungen herbei nachdem sich die Arbeitslosigkeit im Vergleich zu Vorkrisenzeiten „nur“ auf fast 12 Prozent verdoppelt hat? Unglaublich, da können eigentlich nur Populisten und Clowns am Werk sein! Doch was auch immer man von jedem einzelnen Politiker in Rom hält, könnte es vielleicht etwas in der Krise geben, was man weder Monti noch Berlusconi in die Schuhe schieben kann und woran auch ein Grillo nicht vorbei kommen wird?
Was ist, wenn die unvermeidlichen „konkreten Härten“ gar nichts damit zu tun haben, wer da gerade in Rom reformiert, die Nächte mit wem auch immer durchfeiert oder als Komiker brilliert. Welche Monti-Reformen haben denn die Industrieproduktion seit Mitte 2011 – dem Kriegs- Kriseneintritt Italiens – um 11 Prozent einbrechen lassen – auf ein Niveau wie kurz nach der Lehman-Pleite? Was hat denn dazu geführt, dass die Arbeitslosenquote von 8 Prozent stetig Richtung 12 Prozent gestiegen und das Bruttoinlandsprodukt 2012 um enorme 2,2 Prozent geschrumpft ist?
Ein gelockerter Kündigungsschutz, ein höheres Renteneintrittsalter, Luxussteuern auf Yachten und Privatflugzeuge oder etwa die wieder eingesetzte Immobiliensteuer? Kaum nachvollziehbar. Dann hat Italien vielleicht ein Wettbewerbsproblem auf den Weltmärkten, was den Export einbrechen lässt? Doch auch davon ist nichts zu sehen.
Natürlich sieht man ziemlich schnell, dass Italien (und auch Frankreich) im Exportgeschäft zurückfallen besonders gegenüber Spanien, wo die realen Lohnstückkosten seit der Krise um rund 4 Prozent gesunken sind (dagegen +3,6 Prozent in Italien und +2,6 Prozent in Frankreich). Klar könnten die Italiener an ihren Lohnstückkosten versuchen zu drehen, wenn sie den Rückstand zu Spanien oder sogar Deutschland aufholen wollen. Aber das ist eine Frage, ob die Italiener in Zukunft weniger oder mehr wachsen wollen mit ihrer Wirtschaft – ob sie weniger oder mehr Arbeitsplätze schaffen wollen – dann aber bitte zu niedrigeren Löhnen. Das erklärt jedoch nicht die aktuelle Krise.
Die Wettbewerbsnachteile erklären nicht, weshalb sich die gesamte Industrie im freien Fall befindet, während der Export sogar noch leicht wächst (+1,8 Prozent). Wie in Spanien und Frankreich ist auch in Italien zu sehen, wie die Wirtschaft immer stärker von den Ausfuhren abhängt. Also liegt doch etwas in der Binnenwirtschaft im Argen ganz unabhängig davon, wie wettbewerbsfähig die Exportfirmen sind? Immerhin ist die Binnennachfrage 2012 in Italien um 4,9 Prozent eingebrochen, in Spanien um 3,8 Prozent – in Frankreich aber nur um 0,7 Prozent!
Sind also doch die Regierungen schuld? Zerstören sie wie in Griechenland auf Druck der Gläubiger ihr Land? Mit 1,1 Prozentpunkten des BIP hat der Staat in Frankreich 2012 eher moderat seinen Haushalt saniert. Schon doppelt so stark fielen Ausgabenkürzung und Einnahmeerhöhungen in Italien aus, wo es 2,3 Prozentpunkte waren. Das ist allerdings ungefähr das Richtmaß, das Ökonomen für gerade noch vertretbar halten, damit die Wirtschaft wenigstens nur eine „normale“ Konjunkturkrise durchmacht und nicht rabiat zusammenbricht – in Griechenland waren es vergangenes Jahr rund 4 Prozentpunkte.
An den Regierungen in Rom kann es also auch nur zum Teil liegen. Was ist es dann? In Italien und Frankreich gibt es etwas, was beide Länder fundamental unterscheidet. Das ist die Kreditaufnahme des Privatsektors. Gerade die Neuverschuldung der Unternehmen ist außerordentlich stark in Italien eingebrochen. Im Gegensatz zu Frankreich haben Unternehmen und Haushalte in Italien 2012 unterm Strich ihr Kreditvolumen sogar zurückgefahren – sie sparen also. Wo soll da noch Wachstum herkommen, wenn alle gleichzeitig sparen oder sparen müssen.
Wenn schon der im Norden Eurolands so geliebte Monti es mit seinen Reformen nicht geschafft hat, den Italienern soviel Vertrauen einzuflössen, dass sie wieder mehr Geld ausgeben, liegt es vielleicht doch an den Banken des Landes. Genau wie in Frankreich wichen zwar auch in Italien die größeren Unternehmen zum Teil auf den Anleihemarkt aus, um die „knausrigen“ Geldhäuser zu umgehen. Doch während die Franzosen über Anleiheemissionen netto ihre Neuverschuldung kaum senkten (was Berlin überhaupt nicht freut), war dies den Italiener nur teilweise möglich – es hat jedenfalls nicht gereicht. Und dann schlagen die hohen Zinsen eben voll durch. Denn von der Beruhigung an den Staatsanleihemärkten seit vergangenem Sommer ist im Kreditgeschäft bei Italiens Banken noch immer nichts angekommen.
Nun hat die EZB schon sehr viel versucht, um die Banken in den Krisenländer wieder zum Geldausleihen zu verleiten. Wahrscheinlich hat Patrick Artus, Chefvolkswirt bei Natixis, recht, wenn er meint, Euroland müsse erst die Banken sanieren, etwa indem die EZB wie Notenbank in den USA eine Art von Tarp-Programm auflegt und private Schuldscheine aufkauft. Wie auch immer: Solange keine neue Darlehen an Unternehmen und Haushalte fließen, muss eine Regierung, nicht nur die in Rom, eigentlich sehr viel vorsichtiger sein beim Sparen. Sonst droht auch Italien eine verhängnisvolle Abwärtsspirale und in wenigen Monaten reden wir wieder um Schuldenschnitte im Euroland.
Und, ist diese Krise nun so „unglaublich komplex“? Eigentlich recht einfach zu verstehen, oder? Noch einfacher scheint es allerdings, den Italienern und ihren Politikern auf die Schnelle fehlenden Opferwillen anzudichten. Klar, wenn man wie in Deutschland nur auf die Exportfirmen setzen will – das wird aber nicht klappen. Gerade dies könnte noch brandgefährlich werden. Am Ende werden sich Kommentatoren und Kanzlerkandidaten vor ganz anderen Populisten oder Clowns fürchten müssen, die dann aber ganz andere Uniformen tragen werden.
Vielleicht leiden die italienischen Banken aber auch selber an schlechten Refinanzierungsbedingungen? Z.B. indem ihre italienischen Staatsanleihen dank marktpreisabhängiger Haircuts bei der EZB zu immer weniger Refinanzierung reich(t)en? Meiner Meinung nach hätte es die EZB nie zulassen dürfen, dass sich die Refinanzierungsbedingungen in Euroland auseinanderentwickeln, bzw. der Transmissionsmechanismus der Geldpolitik nicht mehr funktioniert (so beschreibt Draghi das wohl).
Hmm, aber die 10-jährigen Renditen auf ital. Staatsanleihen sind seit August von 6 auf fast 4 Prozent Ende Januar gesunken…
http://www.bloomberg.com/quote/GBTPGR10:IND
Umgekehrt sind die Kurse ja gestiegen… Mittlerweile ist die Hälfte dieser Erholung aber wieder verschwunden….
Ich bezog mich vor allem auf den Zeitraum davor. Aber vielleicht hat Draghi mit der Konditionalität einen großen Fehler gemacht. Durch die Ankündigung sanken zwar die Zinsen, aber gleichzeitig mussten die Unternehmen auch davon ausgehen, dass im Zweifel die Austerität kommt. In eine heraufziehende Austerität hinein in einen Binnenmarkt zu investieren ist sicherlich keine gute Idee…
Es geht mir darum, dass die Banken eben nur eine Seite des Kreditgeschäfts sind. Wenn niemand die Kredite abrufen möchte um zu investieren, geht auch nichts voran.
Es ist natürlich immer schwierig zu unterscheiden, was kommt von der Kreditnachfrage und was geht auf die Banken zurück. Die Nettoneuemissionen von Anleihen deuten jedenfalls darauf, dass die Nachfrage durchaus vorhanden ist… Können aber nur große Unternehmen an den Kapitalmarkt gehen und dies dürften oftmals Exporteure sein… Aber selbst die müssen auf den Kapitalmarkt ausweichen…
Die EZB hat jedenfalls alles getan, um gegen eine Refinanzierungsklemme vorzugehen: LTROs und OMT…
Es ist alles so traurig, dass es schon wieder lustig wird!
Was erwartet man denn eigentlich? Die Schulden müssen natürlich sinken. Schulden kommt von Schuld. Schulden sind einfach schlecht. Das aber die ganze Welt, alles um uns herum nur auf Schulden basiert will man offenbar nicht sehen. Hilfreich ist es da sich mit unserem Geldsystem auseinander zu setzen. Geld kann nun mal nur durch Schulden entstehen. Wenn wir also Wachstum und Wohlstand wollen geht das nur über neue Schulden. Neues Geld entsteht nur wenn jemand zur Bank geht und sich verschuldet, egal ob das der Staat -also wir alle als Gemeinschaft- Unternehmen, oder private Haushalte sind. Schulden sind also die somit zwingende Folge aller wirtschaftlichen Aktivität. Wenn man sich ansieht wie unser Geldsystem entstanden ist, dann kann man eins leicht erkennen.
Am Anfang stand die Lüge. Und wie jeder aus Erfahrung wissen müsste: Wenn man mit einer Lüge beginnt, und nicht will das dieses entdeckt wird, muss man immer weiter lügen. Das passiert jetzt seit Jahrhunderten. Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten aus der Misere. Entweder man schafft ein gänzlich anderes Geldsystem oder man macht nie einen Strich unter diese ganz große Rechnung und versucht abzurechnen.