Warum Amerika dringend das neue iPhone braucht? Weil die Gewinne einbrechen
Seit voriger Woche wissen wir, dass neben dem Bau (wenig überraschend nach dem milden Winter) auch der Außenhandel das Frühjahrswachstum in Deutschland gebremst hat: „Die Exporte stiegen im Vorquartalsvergleich weniger stark als die Importe, sodass sich der Außenbeitrag (Exporte minus Importe) negativ auf die deutsche Wirtschaftsentwicklung auswirkte“, schreiben die Fachleute von Destatis.
Und jetzt, im Sommer, wird es nicht besser geworden sein – daran gibt es keinen Zweifel. Denn bekannt ist, dass die Neubestellung in der deutschen Industrie aus dem Euro-Raum und von außerhalb gerade bei Investitionsgütern im Frühjahr regelrecht eingebrochen sind – was sich kaum mit dem Wetter oder Kriegen auf Welt erklären lässt. Und dann sinken seit Anfang Juli auch noch die Ölpreise – neben einem höheren Angebot ist vielleicht dann doch eher eine globale Konjunkturabkühlung unterwegs?
Im vorherigen Beitrag habe ich grob verglichen wie es zuletzt mit der Nachfrage nach deutschen Waren aus Russland und den USA ausgesehen haben könnte. Nach einer Umstellung der Statistik liegen jetzt die Daten des deutschen Bruttoinlandsprodukts bis zum Frühjahr vor. Und wir können einen genaueren Blick darauf werfen, wer die deutschen Exportfirmen zuletzt noch über Wasser gehalten hat.
Dabei müssen wir beachten, dass die Aufschlüsselung der Ausfuhren nach Ländern nur in Rohdaten vorliegt. Sinnvoll können sie nur als Anteil am Gesamteinkommen (also dem Bruttoinlandsprodukt) oder am Gesamtumsatz ausgewertet werden. Und dann auch nur, wenn wir die Zahlen zum jeweiligen Quartal des Vorjahres vergleichen. Weil monatliche Veränderungen aber oft etwas brauchen, bis sie auch in jährlichen Veränderungen erkennbar sind, blicken wir somit leider nur in den Rückspiegel – wir erkennen also, wie der langfristige Trend ungefähr vor einem halben Jahr aussah.
Aber selbst der Blick in die Vergangenheit zeigt wenig Erfreuliches: Die Nachfrage aus dem krisengeplagten Rest des Eurolands bremste Ende 2013 immer noch das Wachstum in Deutschland – wenngleich eine Besserung (d.h. „weniger negativ“) zu erkennen ist – seitdem die EZB ihre Garantieerklärung zur Rettung des Euro Mitte 2012 abgegeben hat. Wenn aber zuletzt der wichtigste Exportmarkt Deutschland noch immer darniederlag, kann es auch mit der deutschen Binnenkonjunktur nicht wirklich aufwärts gehen – dazu ist Deutschland (politisch gewollt) viel zu sehr von seiner Exportwirtschaft abhängig. Höchstwahrscheinlich gab es Anfang 2014 tatsächlich einen Hoffnungsschimmer – das hilft uns aber nicht mehr weiter.
Wir wissen jetzt auch, dass die deutsche Wirtschaft kaum noch von den Investitionen in Amerika profitiert – auch wenn einige Zeitschriften aus Deutschland damit gerade ihr Sommerloch füllen. In der kleinen Katastrophenserie haben wir bereits gesehen, dass die US-Wirtschaft seit 2009 drei Investitionswellen erlebt hat – maßgeblich angetrieben von der Geldpolitik (also den Anleihekäufen) der US-Notenbank. Bei der Bundesbank halten sie es dagegen lieber mit dem Ökonomen Michael Woodford, der glaubt, es habe gar keine großen Effekte des „Quantative Easing“ gegeben.
Was „diese Erfolge“ der Geldpolitik in den USA den deutschen Exportfirmen und den Amerikanern am Ende bringt, wird sich noch zeigen müssen. In der vorherigen Finanzkrise haben die Deutschen mindestens 400 Mrd. Euro an Forderungen verloren. Sicher hat die erste und zweite Investitionswelle bei deutschen Exporteuren kräftig Umsätze und Gewinne steigen lassen, aber das ist längst vorbei: Die dritte und (und wahrscheinlich) letzte Welle hat bereits deutlich an Schwung verloren, was eben auch die deutsche Wirtschaft längst spürt.
Die folgende Grafik unterscheidet sich von der in der Katastrophenserie in zweierlei: So wurden bei der ersten Schätzung für das zweite Quartal in den USA frühere Daten zum Bruttoinlandsprodukt (BIP) nach oben korrigiert. Zudem schauen wir jetzt auf die Wachstumsrate der Halbjahre – jeweils im Vergleich zum vorherigen Halbjahr und dann auf das Gesamtjahr hochgerechnet –, diese BIP-Kurve braucht dann nicht so weit zurück (links) verschoben werden.
Wir erkennen auch, wie die BIP-Kurve sich entwickeln würde, wenn die US-Wirtschaft im dritten und vierten Quartal mit einer annualisierten Rate von 2,4 Prozent wächst. Dies entspricht der aktuellen Tracking-Vorhersage für das laufende dritte Quartal von Barclays, die allein auf monatlichen Konjunkturdaten basiert und bisher (15.08.) allerdings erst mit zwei Indikatoren – Einzelhandel und Industrie – aus dem Juli geschätzt wurde.
Die US-Wirtschaft als Ganzes hat es im Frühjahr also gerade einmal geschafft, den außerordentlichen Einbruch des extrem kalten Winters aufzuholen – kaum mehr: Die annualisierte Halbjahresrate lag nur noch bei 0,8 Prozent – dürfte aber wieder etwas steigen, wenn Barclays recht behält. Wobei wir auch beachten müssen, dass die dritte Investitionswelle Ende 2013 sogar noch einmal einen Minischub bekommen hat – was vermutlich daran liegt, dass vergangenes Jahr Kapital aus den Schwellenländern abgezogen und in den USA und Europa angelegt wurde. Derzeit ziehen zumindest die Schwellenländer aber wieder Kapitalströme an.
Doch wie lange werden die Schwellenländer mit ihren neuen Schulden eine Rezession in den USA noch aufhalten können? 18 (die Ukraine ausgenommen) der vom IIF beobachten 30 Volkswirtschaften werden dieses Jahr ein Leitungsbilanzdefizit von im Durchschnitt moderaten 3 Prozent des Bruttoinlandsprodukts ausweisen, so die Prognose des IWF.
Vor allem kommt es jetzt auf China an, das bereits mit einer Immobilienkrise zu kämpfen hat. Zurzeit verschiffen die Chinesen das neue iPhone, was ihnen gerade einen Rekordüberschuss im Außenhandel im Juli beschert hat. Dieser Einnahmeüberschuss wird wohl wie immer großteils in US-Wertpapieren angelegt – China hält Amerika wie schon 2006/2007 noch über Wasser: Die Amerikaner können noch fleißig Konsumprodukte kaufen und vielleicht doch noch am Immobilienmarkt investieren. Aber wahrscheinlich geht diesmal der US-Aufschwung viel schneller vorbei als damals und als so viele heute noch glauben, die erst einmal steigende Leitzinsen (oder was auch immer in Amerika steigen soll) erwarten.
Was uns alle alarmieren sollte: Die Vorsteuergewinne nichtfinanzieller Unternehmen aus dem Inlandsabsatz in den USA sind bereits Anfang dieses Jahres um 7,3 Prozent eingebrochen – saisonbereinigt. Nein, nicht auf das Gesamtjahr hochgerechnet, wie es in Amerika üblich ist. Das ist eine ganz schnöde Quartalsrate, wie wir sie zum Beispiel aus Deutschland kennen. Albert Edwards, der Stratege für den „alternativen“ Blick (einige sagen, es ist der einzig wahre Blick) bei der Société Générale hat bereits Ende Mai darauf hingewiesen: Die offiziellen Gewinne und der Cashflow aus den Bilanzen der Unternehmen sind derzeit erheblich aufgebläht. Der Grund: Ende 2013 sind zahlreiche steuerliche Vergünstigungen für Abschreibungen ausgelaufen, was die Daten verzerrt, wie Edwards beim U.S. Bureau of Economic Analysis (BEA) erfuhr.
Die Unternehmen haben also Ende vergangenen Jahres steuerlich mehr abgeschrieben, als sie ökonomisch – also tatsächlich – an bestehendem Kapitalstock verbraucht haben. Damit fielen aber die Gewinne in den Bilanzen vor der Jahreswende schlechter aus als sie wirklich waren und seit Jahresanfang laufen sie „offiziell“ wiederum besser als sie es tatsächlich sind – blöd nur, wenn sich die Aktienmärkte an diesen Bilanzzahlen orientieren. Nun muss man aber wissen, dass die US-Statistiker über Schätzungen versuchen, solche Effekte herauszurechnen.
Goldman Sachs hat darauf hingewiesen, dass es bei dieser Korrektur vielleicht Schwierigkeiten gegeben haben könnte, dass wir die Zahlen vielleicht daher nicht überbewerten sollten und dann gab es ja da auch noch diesen strengen Winter in den USA, der so vieles erklären soll. Aber selbst wenn wir die Mittelwerte aus korrigierten und ursprünglichen Unternehmensgewinnen heranziehen, erkennen wir: Auch dann schrumpfen die Gewinnmargen bereits. Ende des Monats, am 28. August, werden die Gewinne für das zweite Quartal veröffentlicht.
Wahrscheinlich glauben auch nur realitätsfremde Uniprofessoren an ihre aberwitzigen Gleichgewichtsmodelle, die irgendwas mit Gewinn*erwartungen* erklären sollen. Aber das ist Unsinn. Es sind die Gewinne selbst, die zum Auf- und Ab der Konjunktur führen. Lesen wir lieber bei Edwards nach: „We believe that we are in the autumn of the economic recovery, not the spring. One feature of a cycle that indicates it is long in the tooth is that productivity growth slows and employment growth rises.”
Oder hier – soll niemand sagen, Banker hätten noch nie etwas vom „tendenziellen Fallen der Profitrate“ gehört:
„Regular readers will know that we put the profit cycle at the heart of our analysis. In particular we have shown previously that the BEA’s whole economy profits series tends to lead both stockmarket measures of profits as well as the business investment cycle (…). In that sense monitoring whole economy profits can give a good indication of economic vulnerability and predict unexpected recessions (of course recessions are always unexpected!)“.
Damit sich 2006/2007 aber wiederholen kann (wollen wir das überhaupt?), dafür braucht es mehr als das neue iPhone. Nicht umsonst ruft Jan Hatzius, der Chefvolkswirt von Goldmans, derzeit fast schon wöchentlich den nächsten Immobilienboom in Amerika aus. Wahrscheinlich hat er noch nie auf die Beschäftigungsquote in den USA geschaut oder weiß er vielleicht nur zu gut, was für lustige Finanzprodukte gerade in seinem Haus zusammen geflickt werden?
Die Website des US Department of Labor sollte man eigentlich grundsätzlich nicht aufsuchen, denn was man dort so findet passt überhaupt nicht in das allgemein anerkannte Konzept des American Dream. Daher bringt das einen nur unnötig durcheinander und sollte besser keine Beachtung finden!