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Exporteuropameister oder wie Hans-Werner Sinn den Spaniern Wettbewerbsfähigkeit bescheinigt

Eine beliebte These von Hans-Werner Sinn geht so: „Spanien, Griechenland und Portugal müssen längerfristig im Vergleich zum Durchschnitt der Eurozone um etwa 30 Prozent billiger werden, um wieder wettbewerbsfähig zu werden und selbst Frankreichs Preise müssen um 20 Prozent gegenüber dem Durchschnitt fallen.“ Ein Satz, den auch der ahnungslose Herr Lucke von der AfD bei jeder Gelegenheit nachplappert. Als Sinn am 12. Oktober 2012 sein Buch „Die Target-Falle“ in  Berlin der Presse vorstellte, fragte ich ihn: Wie kann es dann aber sein, dass Spanien seit der Finanzkrise die Ausfuhr genau so stark steigert wie Deutschland?

Nach meinen Audioaufzeichnungen antworte Sinn wie folgt:

„Die sind ja gar nicht so stark gestiegen, die spanischen Exporte sind noch nicht wieder auf dem Trendniveau. Das war ja 2009 alles in den Keller gegangen. Beim Trend ist auch in Spanien noch nicht wieder angekommen. Wenn wirklich eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit dahinter stünde, würden wir mindestens doch mal das Trendniveau wieder erreichen. Das ist in keinem Land passiert. Schon gar nicht in Spanien. Ein signifikantes Zeichen, dass da eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit da wäre, sieht man nicht. Es ist wirklich so, ohne eine reale Abwertung, die Änderung der relativen Preise, ist eine Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit nicht herzubringen.“

Aha, dann schauen wir uns doch an, wie das so aussieht mit Spaniens Export. Hier sehen wir gleich die Zeitreihen von Eurostat. (Sie werden so gesammelt wie es in Deutschland in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung von Destatis üblich ist – in Wechselkursen eines bestimmten Jahres, hier ist es 2005. Das heißt, steigende oder sinkende Eurokurse können den Export in der Endabrechnung weder künstlich aufblähen noch schmälern.)

130809 EWU ExportIn den vergangenen fünf Jahren hat kein großes Euroland seinen Export so stark gesteigert wie Spanien. Warum nur fordert dann Hans-Werner Sinn, das Land müsse seine Löhne und Preise um 30 Prozent senken? Zugegeben, den Titel des Exporteuropameisters halten die Spanier auch nur dann, wenn wir die Niederlande, die Slowakei und Malta nicht mitzählen. Unter den großen Volkswirtschaften gilt er aber zweifellos. Aber so wichtig ist diese Auszeichnung nun auch wieder nicht.

Es zeigt sich aber: Spaniens Güter und Dienstleistungen sind sehr attraktiv im Ausland. Und so kann uns Herr Sinn eigentlich auch nicht mehr erklären, warum ein Barbier in Sevilla oder ein Fleischer in Barcelona seine Preise und Löhne um 30 Prozent senken soll? Zweifellos haben Spaniens Firmen ein Schuldenproblem (und das vor allem im Ausland). Aber ein Land kann sich in der Regel nicht über sinkende Preise und Löhne von seinen Schulden befreien. Im Gegenteil: Sinken die Einkommen, wächst normalerweise die Schuldenlast noch mehr – und die Arbeitslosigkeit auch.

Nur Deutschland hat es seit 2002/2003 geschafft, auf diesem Weg seine Schulden abzubauen. Dafür mussten die Deutschen andere Länder wie Spanien allerdings mit günstigen Krediten überschütten, was umgekehrt unseren Exportboom erst so richtig mit angeheizt hat. Nicht zu vergessen, dass Deutschland damals einen weitaus geringeren Schuldenberg angesammelt hatte als die Spanier heute.

130813 ES Export

Ohnehin leiden die Spanier unter ihrer Rezession heftig – und sie kaufen weniger Güter und Dienstleistung im Ausland. Weil die Exporte aber noch relativ gut laufen, hat Spanien mittlerweile einen Überschuss von 2,6 Prozent der Bruttoinlandsprodukts angesammelt. Damit die Auslandschulden aber nicht explodieren, brauche das Land einen Exportüberschuss von 4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts – wie Daniel Gros und Cinzia Alcidi im Mai 2011 errechnet haben. Wenn es stimmt, was die beiden Ökonomen schreiben, dann muss das Land wohl kaum noch die Löhne und Preise senken!

Nun mag sich Herr Sinn schon vor einem Jahr die Exportdaten nicht so genau* angeschaut haben, sonst hätte er auf der Pressekonferenz vielleicht nicht so offen gesagt, was er tatsächlich denkt. Denn auch nach seiner Logik bräuchte Spanien nun ja gar keine Abwertung mehr. Wollen wir hoffen, dass sie im Bundesfinanzministerium und im Bundeskanzleramt die Daten etwas genauer anschauen. Meinetwegen können sie ja dann zu selben Schlüssen wie Hans-Werner Sinn kommen, also wie damals im Oktober 2012.

* Wer weiß, vielleicht handelt sich hier wie so oft auch nur um selektive Wahrnehmung von Fakten und Zahlen – der gewohnte Tunnelblick eben…

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  • M.Brand

    Wodurch hat Herr Sinn es geschafft noch kommentiert oder gar ernst genommen zu werden?

    MfG: M.B.

  • Herbert

    Ist das nicht ein Fachmann fürdie Regierung?

  • flomo

    Interessant ist doch, dass Sinn argumentiert, die Exporte seien (trotz massiver Lohn- und Lohnstückkostensenkung) noch nicht wieder auf „Trendniveau“. D.h. er argumentiert, trotz massiv sinkender Lohnstückkosten, wachsen die Exporte noch nicht einmal genauso schnell, wie zu Zeiten, als die Lohnstückkosten in Spanien nach offizieller Messung stark gestiegen sind… Vielleicht muss man ja einfach das Trendniveau bei den Lohnstückkosten wieder erreichen, damit alles so verläuft, wie Sinn es sich wünscht.

  • ACEMAXX-ANALYTICS

    Mr. Sinn seems to reject the view that the economy is in a liquidity trap and it in fact there is a Pigou effect instead.

  • ACEMAXX-ANALYTICS

    Spain has achieved for the first time since the introduction of the common currency a current account surplus. Because of the declining imports since the beginning of austerity, the mentioned success in foreign trade cannot be the result of improved competitiveness. It is the weak domestic demand due to the austerity. Yes, André you are right.

    One must also not forget the fact that the virtual DM was against the currencies of Spain, Portugal and Greece (according to calculations by UBS, Zurich) undervalued by over 30% at the beginning of the euro crisis in 2009.

  • Stefan Behrendt

    Um die Analyse von flomo weiterzuspinnen:
    Wenn die Lohnkosten schon runter sind, die Exporte aber nicht steigen, können die Exporte also nicht vom Lohnniveau abhängen!??!?!
    Auf kurze Sicht ist das ja auch völliger Humbug. Wo sollen auf einmal aus dem nichts die Fabriken entstehen, nur weil die Löhne von 8 auf 7,50 gefallen sind, und die Lohnkosten auch nicht die einzigen Kostenbestandteile sind.
    Die Austeritätspolitik war auf so vielen Ebenen zum Scheitern verurteilt, dass man eigentlich nur über die Politiker / Austeritätsökonomen lachen könnte (wenn das nicht alles so traurig wäre) – v.A. die, die weiterhin am Sparkurs festhalten.

  • Johannes Fritz

    Der Verweis auf das Trendniveau ist eine ökonomische Nebelwand und nutzlos um die Frage nach absoluten Wachstumsraten zu relativieren. Der Verweis auf den Trend impliziert dass spanische Exporte schlicht deshalb seit 2008Q3 schneller wachsen, weil sie schon vorher schneller gewachsen sind als im Rest des Euroraums. Sind sie nicht: Durchschnittswachstum der Exporte je Quartal vor 2008Q3: GER 2.02%, ESP 1.96%.

    Was stimmt ist dass gesteigerte internationale Wettbewerbsfähigkeit sich in einem gesteigerten Exportwachstum relativ zum vorherigen Trend zeigen dürfte. So interpretiere sich seine Verweise auf das nicht erreichte Trendniveau: bei gesteigerter Wachstumsrate kehrt man überhaupt je zum Trendniveau zurück.
    Die Distanz zum Trendniveau ist PIIGS, FRA und GER in etwa gleich mit leichtem Vorteil für erstere. In 2013Q1: GER:-24%; ESP -20%, FRA -17%.
    Das Bild zu diesen Zahlen ist hier: https://twitter.com/maximumvariety/status/367214377780248576/photo/1

    Spanien hätte demnach seinen Wettbewerbsfähigkeitsrückstand vis-a-vis Deutschland einen Tick aufgeholt. Das sagt freilich nix darüber wie gross der ja war oder sein sollte.

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