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Der sinkende Ölpreis wird nicht lange helfen, die US-Wirtschaft vor der Krise zu bewahren

Nach den jüngsten Zahlen zum US-Bruttoinlandsprodukt bekam ich wieder einmal viel Häme ab von den lieben Kollegen (hier beim Wirtschaftsblatt in Wien). Wo sie denn nur bliebe, die Rezession, vor der seit dem Sommer in diesem Blog gewarnt wird. Auf Twitter attestiert man mir schon lange einen gewissen Realitätsverlust angesichts der doch so tollen Konjunkturdaten aus Amerika.

Und in fast allen Prognosen der Banken ist zu lesen, die „US-Wirtschaft ist robust genug, dass selbst die butterweiche Fed die lockere Geldpolitik beendet.“ (Commerzbank). Institutsökonomen sprechen sogar davon, dass eine „kräftige Expansion in den USA“ im nächsten Jahr bevorsteht.

Doch wenn wir uns weiterhin die richtigen Charts anschauen, spricht noch immer nichts dafür, dass am Ausblick vom Juli auch nur ein Wort geändert werden muss. Denn der Trend hat noch immer nicht gedreht – trotz der jüngsten Minierholung der Gewinnmargen. Wie hieß es hier damals im Blog:

„Wir müssen uns in Europa Sorgen machen. Denn die USA stehen kurz davor, wieder in eine Rezession abzurutschen. Und das trifft Euroland hart, weil wir es immer noch nicht geschafft haben, die Arbeitslosigkeit merklich zu senken. Es sieht danach aus, als würde die nächste Konjunkturkrise zwischen diesem Sommer und nächstem Frühjahr ausbrechen.“

Natürlich sollten wir uns vor allem die Quote der Nettoinvestitionen anschauen sowie die Gewinnmargen (ebenfalls im Verhältnis zu Bruttoinlandsprodukt) – was hier  hier im Blog seit dem Sommer auch passiert. Beides bestimmt entscheidend den Konjunkturverlauf. Neue Arbeitsplätze entstehen nur, wenn verstärkt neu investiert wird und entsprechend die Privathaushalte dann auch mehr Geld ausgeben, wenn sie wieder mehr Jobs abbekommen. Die Löhne steigen ja ohnehin nicht mehr – um die Inflation bereinigt in den USA.

Der Staat kann dabei nur stützend oder bremsend eingreifen. Sinken die Margen, sinkt auch irgendwann der Anteil des Einkommens, der für Investitionen ausgegeben wird. Daraufhin fällt die Zahl der Jobs wieder und die Privathaushalte geben weniger für den Konsum aus, womit der Abschwung aber erst richtig beginnt. Weder Zinserhöhungen lösen üblicherweise eine Krise aus, noch können Zinssenkungen der Notenbank oder aktuell der sinkende Ölpreis eine verhindern.

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Was fällt also auf, wenn wir uns den Chart anschauen:

  • Der Trend der Nettoinvestitionen zeigt weiterhin abwärts – zuletzt waren diese Ausgaben wohl durch die Anleihekäufe der US-Notenbank noch unterstützt worden sowie vermutlich auch durch Kapitalflüsse in die USA. Der Kostenvorteil sinkender Ölpreise wird ohnehin nicht in höhere Löhne weitergeben, weder in Amerika, noch in Europa.
  • Die Lage auf dem Arbeitsmarkt bleibt katastrophal mit einer Beschäftigungsquote von zuletzt knapp merh als 65 Prozent bei Männern im arbeitsfähigen Alter. Zur Erinnerung: Sie lag im vorherigen Aufschwung im Schnitt fünf Prozentpunkte höher. Das heißt nichts anderes, als dass immer mehr Arbeitslose aus der Statistik fallen. Wer angesichts offiziell niedriger Arbeitslosenquote von nahender Vollbeschäftigung in den USA spricht, der muss in einer anderen Realität leben.
  • Die Gewinnmargen sind in der Tat im dritten Quartal im Vergleich zum selben Quartal ein Jahr zuvor minimal angezogen. Damit sich dies aber in einen anhaltenden Aufschwung niederschlägt, braucht es wohl eher eine ordentliche Aktienmarktrally wie wir sie zum Beispiel Mitte der 90er Jahr erlebt haben, die damals eine drohende Rezession weggebügelt hat. Doch woher soll der Markt heute eine vergleichbare Fantasie nehmen? Etwa vom sinkenden Ölpreis? Das wird zuletzt noch geholfen haben, aber lange wird es nicht tragen.
  • Seit dem dritten Quartal 2013 steigt zwar die Verschuldung der Privathaushalte wieder, wie sie von der New York Federal Reserve gemessen wird. Seit Anfang dieses Jahres sinkt aber sowohl die Verschuldungsquote als auch die Konsumquote der Privathaushalte (im Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt). Neue Impulse für das Wachstum sind von hier also auch nicht zu erwarten. Zusammen mit den stagnierenden Reallöhnen wird es nach jetzigem Stand daher kaum zu einem neuen Immobilienboom in den USA kommen, der eventuell eine Konjunkturkrise noch hinauszögern könnte.

Nein, die Zeit ist reif für einen neuen Abschwung (oder Stagnation) und zwar bevor die US-Notenbank auch nur überlegen wird, ihren Leitzins einen Hauch anzuheben. Wenn aber die Federal Reserve mit einem neuen Anleiheaufkaufprogramm um die Ecke kommen würde, dürfte es diesmal kaum noch ausreichen, die Wirtschaft wieder auf Aufschwung zu trimmen. Wie gesagt, es hängt derzeit alles an den Kursen von Aktien und anderen Wertpapieren – die Konjunkturoptimisten bewegen sich auf sehr dünnem Eis.

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  • sirop

    Also, wenn dann die Eurozone auch mindestens stagniert, dann werden die Sanktionen gegen Russland aufgehoben, ja?

  • Tom Hofmann

    sirop sagte am 4. Dezember 2014 um 02:30 :Sanktionen aufgehoben.

    Lieber Sirop.. der letzte der das forderte ist in Moskau auf der Startbahn verunfallt….

  • egghat (@egghat)

    Die Anzahl der Beschäftigten wächst. Das reicht für’s Wachstum. Die Beschäftigtenquote steigt leicht, die Gesamtbevölkerung auch. Die größte Schuldenlast ist weg (dank der Niedrigzinsen), der Konsum (pro Kopf) kann daher leicht steigen. Der Automarkt zieht z.B. ganz schön an.

    Klar , die Investitionen hinken hinterher. Aber insgesamt reicht das für ein kleines BIP-Wachstum. Pro-Kopf gerechnet wächst die Wirtschaft in den USA eh schon lange nicht mehr wirklich. Der überwiegende Teil des Wachstums kommt über die wachsende Bevölkerung. War aber die letzten 20 Jahre auch schon so.

  • André Kühnlenz

    Nein Egghat, die Logik ist andersherum. Wenn investiert wird, dann steigt auch die Beschäftigung. Investiert wird aber nur solange, wie die Profitabilität steigt. Im Kern ist es so: Nicht die Investitionen hinken hinterher, sondern die Nachfrage, die durch Jobaufbau wächst. Wenn die Profitabilität anfängt zu sinken (und dieser Punkt kommt immer im Zyklus), dreht irgendwann auch der Konjunkturzyklus.

    Auch kurz vor einer Krise hinkt die Nachfrage und Jobaufbau hinterher, deshalb merkt man die Rezession in den BIP-Zahlen erst viel später als bei den Investitionen/Gewinnen. Letzter Effekt war besonders in den USA ausgeprägt, wenn Kredit, Leitzinsen und Aktienkurse die Nachfrage noch künstlich aufblähen – bis es dann kracht.

    Und Mitte der 90er Jahre hat der damals einsetzende New-Economy-Aktienboom die eigentlich fällige Rezession verhindert, weil dadurch die Gewinne erst einmal weiter gestiegen (im grünen Bereich) sind, hier immer als Anteil am Gesamteinkommen gemeint, also in % des BIP. Das sieht man in der Grafik. Ich sag ja, dass dies durchaus diesmal wieder passieren kann. Nur frage ich mich, woher die Fantasie für so eine Aktienhausse wie damals herkommen soll, wenn die Kurse jetzt schon durch QE aufgebläht sind?

    Der sinkende Ölpreis wirkt wiederum wie ein vorrübergehender Stimulus, er wirkt mit gewissen Nachwirkungen nur solange er fällt. Fängt er sich oder beginnt wieder zu steigen an, dann ist der Stimulus auch wieder weg. Es kann natürlich sein – was man nicht ausschließen sollte -, dass der Ölpreis zu einem Investitionsschub führt, nur wird der wohl auch nicht lange anhalten, würde ich jetzt mal vermuten.

  • egghat

    OK, verstehe.

    Dann darfst du mich aber beim nächsten Mal nicht mit der Beschäftigtenquote verwirren.

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