Der Irak-Krieg und die Vorherrschaft des Dollar
Angesichts der Eskalation in der Ukraine lohnt es sich, zurückzublicken auf die Gründe des völkerrechtswidrigen Irak-Krieges 2003 und welche Motive die Amerikaner dort verfolgten. Auch heute geht es wieder um Energie und Rohstoffe.
Aus dem WirtschaftsBlatt vom 24. März 2014:
***
Der Krieg beginnt mit einer Lüge. In der Nacht vom 19. auf den 20. März 2003 feuern amerikanische Streitkräfte Marschflugkörper auf Bagdad. Monate waren da verstrichen, in denen die Regierung in Washington versucht hatte, Saddam Hussein nachzuweisen, die Iraker besäßen Massenvernichtungswaffen. Denn die Amerikaner suchten nach einer Begründung, um ihren Militäreinsatz zu rechtfertigen. Wie wir heute wissen, haben die Amerikaner mit angeblichen Beweisen die Weltöffentlichkeit an der Nase herumgeführt und damit einen Krieg gerechtfertigt, der nicht zu rechtfertigen war.
Umso mehr fragte sich die ganze Welt, welche Ziele die Vereinigten Staaten in der Golfregion verfolgten. Und sie fragt sich noch heute.
Zwei Berliner Politikwissenschaftler untersuchten die Kriegsmotive der USA bereits im Jahr 2003: „Wenn allein schlichtes Ausbeutungsinteresse an den Ölvorhaben als Triebfeder der US-Kriegspolitik angenommen wird, greift diese Einschätzung jedoch zu kurz“, schreiben Behrooz Abdolvand und Matthias Adolf in einem Aufsatz für die Zeitschrift „Blätter für deutsche und internationale Politik“. Den Amerikanern sei es im Irak vor allem um die Stabilität des US-Dollars als wichtigster Währung der Welt gegangen und weniger um die Sicherung der Rohstoffvorkommen.
Am Dollar hängt alles
Jedem, der sich heute den weltweiten Handel mit Öl näher anschaut, fällt sofort auf, welch dominierende Rolle der US-Dollar dabei spielt. In der Weltleitwährung werden die wichtigsten Preise für Ölprodukte an den Rohstoffbörsen notiert – egal wo es gefördert wird. Auch die Zahlungen selbst werden fast ausschließlich in der amerikanischen Devise abgewickelt.
Doch erst in den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg stieg der Dollar tatsächlich zur globalen Leitwährung auf, erst in der Nachkriegszeit verdrängte der US-Dollar das britische Pfund auch im Ölgeschäft. Im Jahr 1944, noch während der Zweite Weltkrieg in Europa tobte, verabredeten 44 Staaten in der amerikanischen Stadt Bretton Woods ein System fester Wechselkurse, in dessen Zentrum die amerikanische Währung stand. Die US-Notenbank war die einzige, die damals noch versprechen konnte, ihre Geldnoten jederzeit in Gold zu tauschen. Alle anderen Länder garan
tierten daraufhin, dass ihre Devisen zu einem festen Wechselkurs in US-Dollar getauscht werden.
Öl ersetzt Gold
Als dieses System fester Wechselkurse Anfang der 1970er-Jahre zusammenbrach, musste ein anderer Anker für das Weltfinanzsystem her: „Dass Öl während der vergangenen 50 Jahre global nur noch in Dollar gehandelt wurde, sicherte die Dominanz der US-Währung“, schrieben die beiden Berliner Wissenschaftler 2003. Öl wurde zum Ersatz für das Gold: Auch nach Ende von Bretton Woods brauchten viele Länder der Welt den US-Dollar, um ihre Ölrechnungen zu bezahlen.
Nur dank der dominierenden Rolle des US-Dollars konnte sich die US-Wirtschaft ein Wachstum leisten, das seit den 1970er-Jahren immer stärker auf schuldenfinanziertem Konsum beruhte. Jahr für Jahr brauchten die USA dafür Kredite aus dem Ausland, und das Ausland war – und ist zum Teil noch immer – bereit, sie den Amerikanern zu gewähren. 2003 liehen alle Länder der Welt den USA eine Summe von netto rund 500 Milliarden US-$. Der Rekord lag im Jahr 2006 bei 800 Milliarden US-$,vergangenes Jahr waren es noch rund 450 Milliarden US-$.Wobei allerdings die US-Notenbank selber der Regierung in Washington praktisch enorme Summen aus ihrer elektronischen Gelddruckpresse leiht, indem sie deren Staatsanleihen erwirbt. 2013 machte dies knapp 550 Milliarden US-$ aus – mehr als die Kredite aus dem Ausland.
Einen Großteil des Auslandskredits bekommen die Amerikaner derzeit von den Chinesen und noch immer von den ölproduzierenden Ländern in der Golfregion, die ihre Petrodollars in US-Wertpapieren anlegen. Deshalb haben die Amerikaner bis heute großes Interesse daran, dass ihr US-Dollar den Status der Weltleitwährung behält und dass Öl weiterhin in ihrer Währung abgerechnet wird.
Der Euro wird zur Konkurrenz
Aber genau diese Rolle des Dollars wurde Anfang des Jahrtausends nicht nur von sogenannten „Schurkenstaaten“ infrage gestellt. So begann der Iran damals, sein Öl in Euro zu verkaufen statt in US-Dollar. Bereits im Jahr 2000 hatte sich der Irak entschlossen, seine Ölförderung in Euro zu berechnen. Hinzu kam, dass europäische Ölfirmen den Ölförderländern günstigere Konditionen anboten als angloamerikanische Unternehmen.
Die Amerikaner reagieren.
Dabei sei es den USA gar nicht darauf angekommen, dass sie Öllagerstätten allein bewirtschaften, schreiben die beiden Berliner Forscher. „Vielmehr gründen sie zusammen mit Ölfirmen aus aller Welt internationale Konsortien-unter ihrer Leitung.“ Denn damit wurde abgesichert, dass Erdöl weiter in Dollar gehandelt wird. „Die wichtigste Säule der US-Strategie bleibt deshalb die Kontrolle über das Nahostöl, um die Quelle ihres Reichtums dauerhaft zu stabilisieren“, heißt es in dem Aufsatz von 2003.
Und noch auf einen Punkt machen die Autoren aufmerksam: USA und Russland profitierten davon, dass durch Drosselung der Ölförderung im Nahen Osten die Ölpreise enorm stiegen. Die Öleinnahmen stiegen an und die USA bekamen noch mehr Dollarkredit aus dem Ausland. So hatten beide Großmächte damals gar kein Interesse, die Krise im Irak friedlich zu lösen, und schon gar nicht, dass der Irak wieder in den Weltölmarkt integriert wird. Erst dadurch wurde die Produktion in den Ölfeldern Sibiriens lukrativ und die Ölexportrate Russlands schoss nach oben.
Nun mögen die beiden Wissenschaftler hier nicht alle Motive für den Irak-Krieg beleuchtet haben. Es könnte sich aber lohnen, diese Gründe im Blick zu behalten, wenn wir uns die aktuellen geostrategischen Streitigkeiten in der Ukraine und Chinas im Pazifik anschauen. Nicht zu vergessen sind auch mögliche neue Verwerfungen im Weltfinanzsystem, die durch das Zurückfahren des 550-Milliarden-Dollar-Darlehens der US-Notenbank an die Regierung in Washington entstehen werden.
Denn eins ist sicher: Die USA werden schon in diesem Jahr wieder viel mehr Kredite aus dem Ausland brauchen.