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Meine Stimme aus Zürich: Die EZB hat alles richtig gemacht

Die Eurowährungshüter beenden wie in Aussicht gestellt das umstrittene Anleihenkaufprogramm. Ab dem neuen Jahr werden nur noch die Rückflüsse aus den Tilgungen wiederangelegt, der Bestand an Schuldverschreibungen auf der Bilanz der Europäischen Zentralbank (EZB) wird vorerst nicht schrumpfen  – und das noch eine Weile über den Zeitpunkt hinaus, ab dem die Notenbank ihre Leitzinsen erhöhen wird. Wann auch immer das sein wird.

Die unkonventionelle Geldpolitik diente wie schon zuvor in den USA oder in Grossbritannien und Japan dazu, dass eine Wirtschaftskrise nicht durch sinkende Preise verschärft wird. Denn die Anleihenkäufe sind neben Leitzinssenkungen ein Instrument, um das Zinsniveau in einem Land zu drücken, was wiederum das Kreditgeschäft stützt. Es kann dadurch auch zu steigenden Aktienkursen und einer Währungsabwertung kommen, die wiederum den Exporteuren hilft. Die Handelspartner dagegen sind mit einer Aufwertung konfrontiert, wie die Schweiz leidvoll erleben musste.

Diffuse Ängste und Vorurteile in Deutschland

Vor allem in Deutschland waren die Anleihenkäufe umstritten, war doch die deutsche Volkswirtschaft konjunkturell kaum von der Euroschuldenkrise ab 2011 betroffen. Die kurze Rezession Ende 2012 und Anfang 2013 war am deutschen Arbeitsmarkt praktisch kaum zu spüren, ganz anders als in den Euroländern im Süden und im Westen, die auch unter Ausgabenkürzungen durch ihre Regierungen und den damit verbundenen Einkommensverlusten im Privatsektor litten.

Zur Jahreswende 2014/15 hatten weite Teile des Währungsraums die Folgen der Finanz- und Eurokrise noch immer nicht überwunden. Und so sah sich die EZB gedrängt, den Bestand an Schuldpapieren von Banken, Unternehmen und vor allem von Regierungen um rund 2400 Mrd. € zu erhöhen.

Allein die gewaltige Summe hat in Deutschland bei einigen Ökonomen und Anlegern allerdings sehr diffuse Ängste und Vorurteile geschürt. Die einen fürchteten durch die erhöhte Geldmenge einen Preisschub, die anderen sahen ihre Ersparnisse wegschmelzen.

Dass Anleger allein mit Zinsen aufs Sparbuch ihr Vermögen vermehren können – nach Abzug von Inflation –, war aber schon vor der Euroeinführung ein weit verbreiteter Irrtum.

Auch für die Banken war die unkonventionelle Geldpolitik kein Debakel. Selbst bei den rekordniedrigen Zinsen konnten die deutschen Banken im Schnitt im Zinsgeschäft weiterhin Geld verdienen.

Die Inflationssorgen wirken ebenfalls übertrieben, solange die Regierungen die Notenbanken dazu nutzen, um gewaltige Ausgaben etwa für Kriege wie im vergangenen Jahrhundert zu finanzieren. Die öffentliche Neuverschuldung sinkt seit 2011 im Euroraum Jahr für Jahr: 2018 wird das Defizit selbst ohne das Überschussland Deutschland nur noch 1,5% des Bruttoinlandprodukts (BIP) betragen – nach 3,2% im Jahr 2015.

Arbeitsmarkt leidet unter Finanz- und Eurokrise

Wie es dem Währungsraum wirtschaftlich geht, zeigt dagegen die Entwicklung am Arbeitsmarkt: Ohne Deutschland gerechnet sank die Arbeitslosenquote in der Eurozone erst im Frühjahr 2017 auf das Niveau von vor der Eurokrise im Jahr 2010. Damals war der Anstieg der Arbeitslosigkeit infolge der Finanzkrise gerade gestoppt worden. Mit 9,9% liegt die Quote heute deutlich über dem Durchschnitt der ersten neun Jahre des Euros von 1999 bis 2007, der bei 8,7% lag.

Die Jugendarbeitslosigkeit ausserhalb Deutschlands ist von 31% Anfang 2014 auf zuletzt fast 22% zurückgegangen. Dies zeigt eins: Die unkonventionelle Geldpolitik hat gewirkt. Aber noch immer liegt die Jugendarbeitslosigkeit heute mehr als zwei Prozentpunkte über dem Vorkrisenschnitt.

Bleibt den EZB-Kritikern noch der enorme Auftrieb auf einigen Immobilien- und bis zuletzt auch Aktienmärkten.

Deutschland sollte mehr investieren

Und in der Tat hätten die Währungshüter offensichtliche Übertreibungen womöglich stärker beachtet, wenn die Erholung nach der Finanz- und Eurokrise nicht so zäh verlaufen wäre. Es ist aber völlig unklar, ob nationale Aufsichtsbehörden bereits alles getan haben, um Preisblasen in einzelnen Ländern einzudämmen. Auch hätten die Regierungen, besonders die deutsche, mit öffentlichen Investitionen stärker zum Aufschwung beitragen können.

Wenn jetzt die Klagen gerade aus Deutschland lauter werden, die EZB habe angesichts der laufenden Wachstumsabkühlung den richtigen Zeitpunkt für den Ausstieg verpasst, wirkt das nur noch absurd. Denn gerade die öffentlichen Haushalte im Nachbarland sollten aus ihren Versäumnissen lernen und mehr investieren – erst recht, wenn die Abkühlung weitergeht. Die EZB hat seit 2015 so ziemlich alles richtig gemacht.

Dieser Beitrag erschien als Kommentar in der «Finanz und Wirtschaft» vom 13. Dezember 2018.

Foto: Pixabay/ProfessionalPhoto

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