Meine Stimme aus Zürich: Keine Bange um die Bundesbank
Hans-Werner Sinn wird auch 2018 nicht müde. Noch immer fordert er, dass die Euro-Notenbanken ihren grenzüberschreitenden Zahlungsverkehr strikt begrenzen. Stattdessen wünscht er sich ein privates System als Alternative herbei, die mögliche Verlustrisiken der Notenbanken reduziert. Leider bleibt der Ökonom auch in diesem heissen Sommer recht vage dabei, Verlustszenarien zu konkretisieren – es geht ihm immer nur um maximale Schadenssummen. Oder maximale Verunsicherung?
Dabei können wir Woche für Woche aus den Bilanzposten des Eurosystems ohnehin ablesen, wie hoch der unplausible Totalverlust aller Forderungen der Euro-Notenbanken gegen Kreditinstitute, Regierungen und Unternehmen wäre: aktuell 3316 Mrd. €. Über den deutschen Anteil am Risiko der Geldpolitik sagen diese Positionen tatsächlich mehr aus als die Targetforderungen der Bundesbank, an denen sich Hans-Werner Sinn seit 2011 abarbeitet.
Die private Geldleihe der Banken liegt darnieder
Leider erklärt uns der emeritierte Professor auch nicht, wie ein privater Zahlungsverkehr funktionieren soll, wenn schon der private Geldmarkt der Banken seit der Finanzkrise darniederliegt. Also der Markt, wo sich die Kreditinstitute normalerweise zu ähnlichen Zinsen wie bei der Notenbank die benötigten Zahlungsmittel borgen können, um die Überweisungswünsche und den Bargeldbedarf der Kunden zu erfüllen.
Sollte der Interbankenmarkt einmal wieder in Gang kommen, würden sich die Geldhäuser gegen Sicherheiten ohnehin weniger Zahlungsmittel bei der heimischen Notenbank leihen. Da beisst sich die Katze in den Schwanz. So wird die EZB auch weiterhin die Aufgabe erfüllen, die ihr in den EU-Verträgen übertragen wurde: einen reibungslosen Zahlungsverkehr im Währungsraum zu garantieren.
Alles andere würde nur eine Liquiditätskrise auslösen und die Eurokrise wieder aufleben lassen. Wo doch Italien gerade erst einer schweren Depression entkommen ist, die die Verschuldung des italienischen Staates auch oder gerade durch die Ausgabenkürzungen in enorme Höhe getrieben hat. Die Gefahr eines Krisenrückfalls ist immer noch akut, weshalb die populistische Regierung in Rom das Land mit steigenden Ausgaben stabilisieren will – wenngleich bislang mit überzogenen Plänen.
Kein Vertrauensverlust bei Euro-Austritt Italiens
Sollte Italien dagegen aus dem Euro austreten, bleibt nur festzuhalten, dass jede Notenbank latente Abschreibungen sogar auf Jahrzehnte hinauszögern kann, wie der Fall der deutschen Tochter der Pleitebank Lehman Brothers zeigt, bei dem die Bundesbank keinen einzigen Cent verloren hat. Denn es ist anders als Hans-Werner Sinn glaubt: Für das Vertrauen der Geschäftsbanken und aller anderen Wirtschaftsakteure in die Bundesbank und damit auch jede Währung, die sie ausgibt, zählt nicht das, was auf ihrer Aktivseite steht – heisst es nun Gold oder Target2.
In erster Linie zählt, dass die Banken fristgerecht die Wertpapiere zurückbekommen, die sie im Tausch gegen benötigte Zahlungsmittel hinterlegt haben. Wie jede Notenbank der Welt kann die Bundesbank die Rückgabe der Sicherheiten aber stets garantieren. Denn sie tastet sie nur dann an, wenn ein Geldhaus ausfällt. In zweiter Linie zählt natürlich, dass die Bundesbank keine inflationäre Staatsfinanzierung mitbetreibt. Und das wird in hundert Jahren nicht passieren. Mindestens.
Dieser Beitrag erschien als Kommentar in der «Finanz und Wirtschaft» vom 11. August 2018.
Foto: Flickr/Mike Mozart/(CC BY 2.0)