Blockchain: Auch die Zukunft der Medien hängt an einer Kette
Dies war mein letzter Artikel, den ich für das WirtschaftsBlatt geschrieben haben. Am 2. September wurde die einzige Wirtschaftstageszeitung Österreichs eingestellt. Wir hatten in der Zeitung eine Rubrik, die hieß Wirtschaftswunder. Hier war eigentlich alles erlaubt: Reportagen, Features und auch Meinungsstücke oder Analysen. Oder alles zusammen. Schön, dass jemand der nicht an Wirtschaftswunder glaubt, das letzte Stück in dieser Rubrik schreiben durfte. Der Begriff der Blockchain kommt hier allerdings zu kurz, so dass ich auf folgenden Artikel (Was ist eigentlich die Blockchain?) aus der FAZ verlinken möchte.
Gern hätten wir auch in den nächsten 21 Jahren beschrieben und beleuchtet, wie und wo die Geschäfte in Österreich und auf der Welt gut und wo sie schlecht laufen. In den nächsten Wochen und Monaten werden wir stattdessen die vielen Karriere-Beilagen des WirtschaftsBlatts durchsehen, die seit 1995 Woche für Woche erschienen sind: Tipps für Bewerbungen oder wie man eine Firma gründet wird uns brennend interessieren.
Und während wir durch die Beilagen blättern und alles versuchen, damit uns die Trübsal nicht übermannt, stoßen wir auf das Interview mit einem Zukunftsforscher aus Leipzig von vor zwei Jahren. Gábor Jánszky sagte damals voraus, dass in Deutschland bis zum Jahr 2025 6,5 Millionen Menschen vom Arbeitsmarkt verschwinden werden. Zu spüren ist davon bisher zwar noch wenig, gleichwohl hat Jánszky recht, wenn er sagt, dass in den nächsten neun, zehn Jahren im Schnitt 25 Prozent der Belegschaft in den Unternehmen in Rente gehen werden. Diese Prognose gilt auch für Österreich.
Eine rosige Zukunft: 2025
Eigentlich ein perfektes Trostpflaster für alle, die gerade ihren Job verlieren. Zumal in Branchen wie dem Journalismus, dem das Internet das Geschäftsmodell kaputtgemacht hat. Nun sind Wirtschaftsjournalisten nicht als Jammerlappen bekannt, und so werden wir zuversichtlich in die Zukunft schauen. Auch wenn wir wohl noch etwas warten müssen, bis das neue Zeitalter anbricht, in dem jeder, der gekündigt wird, sofort zehn neue Angebote bekommt. „Bei jedem halbwegs gut ausgebildeten Menschen wird der Headhunter zweimal in der Woche klingeln“, sagt Jánszky voraus.
Heißt also Durchhalten. Denn es sind immerhin noch lange neun Jahre bis zum Jahr 2025. Dabei kündigt sich bereits die nächste Revolution an. Sie soll die Welt verändern wie damals das Internet. Eine Revolution, die es in sich hat. Denn früher war alles einfach. Wenn die Unterdrückten zur Revolution schritten, hatten sie gewöhnlich nur Eines im Sinn: Sie wollten die Ketten sprengen, die sie in Knechtschaft gefangen hielten. Die Revolution, die sich heute ankündigt, hat wieder mit Ketten zu tun, jetzt allerdings mit Ketten aus Blöcken digitaler Bits und Bytes.
Das englische Zauberwort heißt Blockchain, auf Deutsch: Blockkette. Sie elektrisiert die IT- und Finanzbranche, bringt Notenbanker zum Träumen, und sogar Juristen und Regierungsbeamte interessieren sich dafür. Diese Technologie soll die Wirtschaft komplett umwälzen, neue Freiheiten bringen und völlige Transparenz versprechen.
Banken könnten verschwinden, ganze Zahlungsströme, Wertpapierkäufe und Verträge über Blockchains abgewickelt werden. Selbst Geschäftsmodelle in sozialen Netzen wie Facebook oder Uber und Airbnb stehen vor dem Aus. So sagen es die Visionäre voraus: Die Internetnutzer erlangen die Kontrolle über ihre persönlichen Daten zurück, keine zentrale Konzerninstanz wird uns noch kontrollieren können. Dezentral gespeicherte und kopierte Datenblöcke verhindern, dass jemand damit noch sein Geld verdienen kann.
Noch aber weiß niemand, ob die Blockchain-Technologie am Ende tatsächlich die herbeigesehnte Befreiung von den Zwängen des analogen wie des digitalen Zeitalters bringen wird. Gut möglich, dass sie einmal unsere Freiheiten durch Automatismen so einschränkt, dass die Menschen doch wieder nur an eines denken: Wie sie diese digitalen Ketten sprengen können.
Doch das ist heute ferne Zukunftsmusik, denn bisher steckt die Blockchain-Technologie noch in den Kinderschuhen, einzelne Zweifler werden kaum gehört. „Die Blockchain gilt als neuer Stern am Himmel der IT-Szene“, schreibt das Kompetenzzentrum Öffentliche IT der deutschen Fraunhofer-Gesellschaft. Vereinfacht gesprochen verbirgt sich dahinter nur eine Datenbank, die alle Transaktionen einer bestimmten Art für immer – dezentral und verschlüsselt – auf Tausenden von Rechnern im Netz speichert. Das bekannteste dieser Transaktionsmittel ist die digitale Währung Bitcoin.
Aktuell träumt die Bank of England bereits davon, verzinstes Digitalgeld der Zentralbank unter die Leute zu bringen, neben dem Kreditgeld der Privatbanken, das wir heute hauptsächlich nutzen. In Russland und China basteln die Notenbanker wahrscheinlich schon an Konzepten, wie sie die Vormacht des US-Dollar brechen können. Auch im Kleinen ersinnen Entwickler neue Anwendungen: Verträge könnten sich über die Blockchain automatisch aktualisieren, Abstimmungen in Unternehmen oder ganzen Ländern abgehalten werden. Auch an die Kaufabwicklung von Wertpapieren wird längst gedacht.
Medien verteilt über Blockchain
Nun hat eine Zeitung natürlich auch ihren Wert, nur eben einen ideellen. Und so ein Wertpapier wird vielleicht auch einmal über die Blockchain ihren Weg zu den Lesern finden. Was wir heute als analoge oder digitale Vertriebskanäle kennen, kann bis 2025 schnell in Vergessenheit geraten: Keine Druckereien mehr, dafür Ausgabegeräte, von denen wir heute nur ahnen, wie sie unseren Medienkonsum verändern werden.
So könnte sie aussehen, die Zukunft: Jeder Medienschaffende bekommt sofort über die Blockchain sein Geld für seine Dienstleistung überwiesen, keine Almosen mehr, mit denen heute noch viele Blogger abgespeist werden. Und für jedes Medienprodukt sind sofort die Reaktionen der Leser abrufbar, wie lang haben sie gelesen, das Video geschaut oder mit der interaktiven Grafiken rumgespielt.
Verlage, Werbung und Sponsoring könnten in zehn Jahren überflüssig werden. Was sich heute unter eine Zeitungsmarke sammelt, wird später einfach nur von einem Kollektiv guter und sehr guter Journalisten betrieben, die sich gemeinsam und recht simpel über die Blockchain vermarkten. Daneben wird es weiterhin Einzelkämpfer geben, egal ob Superblogger oder Edelfedern, die auch allein überleben können.
Eine Utopie? Vielleicht. Unausgereift? Mag auch sein. Aber bevor wir einfach nur warten, bis die Headhunter zweimal in der Woche klingeln werden, können wir immer noch ein bisschen träumen. Davon, wie der Journalismus in den nächsten zehn Jahren wieder aufblühen wird.
Foto: Flickr/Peter Shanks/(CC BY 2.0)