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Die relative Stärke im Kapitalaufbau Amerikas

Im jüngsten Wirtschaftsausblick des Internationalen Währungsfonds (IWF) findet sich eine bemerkenswerte Analyse über die angebliche Investitionsschwäche in den Industrieländern. Die IWF-Ökonomen stützen die These, dass der gleichzeitige Versuch des Privatsektors und der öffentlichen Haushalte, ihre Verschuldung zu senken, seit der Finanzkrise das Einkommenswachstum empfindlich gedämpft hat und Unternehmen weniger geneigt waren, ihren Kapitalstock zu erweitern.

Warum die Ökonomen die Entwicklung der Investitionen mit früheren Prognosen vergleichen, bleibt zwar ein großes Rätsel. Doch für Paul Krugman ist klar, dass der IWF hier wieder einmal einem unter Europas Spitzenpolitikern verbreiteten Irrglauben entgegen tritt: Wenn Regierungen nur ihre Haushaltsdefizite abbauen, würden Mittel frei, die in die Privatwirtschaft fließen und dort Investitionen anschieben könnten.

Wenn wir uns jedoch die Daten etwas genauer anschauen, stellen wir fest, dass am Ende doch beide Seiten dieser Kontroverse irgendwie recht haben und zugleich auch nicht.

Blicken wir auf die amerikanische Volkswirtschaft, wo der Staat von Mitte 2009 bis Ende 2014 seine Ausgabenquote für öffentliche Dienstleistungen und Investitionen kräftig um 3,6 Prozentpunkte – gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) – gesenkt hat. In der zweiten Hälfte der 1990-Jahre und im vorherigen Aufschwung sank die Ausgabenquote dagegen nur um 0,8 und um 0,4 Prozentpunkte.

Im aktuellen Aufschwung war der US-Staat damit die wichtigste Bremskraft für das Wirtschaftswachstum. Keine andere volkswirtschaftliche Ausgabenkomponente dämpfte die Entwicklung des Bruttoinlandsprodukts mehr.

 

Doch ist diese Schwäche zugleich nur relativ, wie ein Blick auf den wichtigsten Wachstumstreiber einer Marktwirtschaft verrät: die Nettoinvestitionen. Konkret geht es um den Anteil, den die Amerikaner von ihrem volkswirtschaftlichen Einkommen für Investitionsgüter aus dem Inland ausgeben, um ihren Kapitalstock zu erweitern. Diese Investitionsquote stieg nach dem Absturz in der Finanzkrise mittlerweile um außerordentlich starke 4,8 Prozentpunkte des BIP. Im vorherigen Aufschwung waren es nur 2,0 Prozentpunkte.

 

An den Unternehmen liegt es also nicht, dass die Erholung der US-Wirtschaft vergleichsweise schwach ausfällt. Allerdings dürfte auch die Sparpolitik in Washington mit dazu beigetragen haben, dass die Löhne in den USA kaum steigen und die privaten Gewinnmargen (hier als operative Profite im Verhältnis zur Nettowertschöpfung) auf Rekordniveau liegen. Das wird aber auch nicht ewig so bleiben.

 

Foto: Flickr/Jonathan Haeber/(CC BY 2.0)
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