Meine Stimme aus Wien: Die ökonomische Zerstörung Griechenlands
Da soll noch jemand sagen, die Griechen seien ein reformfaules Volk. Vorige Woche hat das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln dem Land bescheinigt, bei Strukturreform deutlich vorangekommen zu sein. Verbesserungen sieht das arbeitgebernahe IW bei der Flexibilisierung der Lohnverhandlungen, den Beschäftigungsschutzregeln, in der Produktmarktliberalisierung sowie bei administrativen Vorschriften für Unternehmensgründungen. Griechenland liegt anders als noch 2008 im OECD-Ranking zur Beschäftigungsregulierung bereits deutlich vor Deutschland und dem Durchschnitt des Euro-Raums.
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So erfreulich diese Ergebnisse auch sein mögen, ändern sie jedoch bislang wenig am Kern der griechischen Malaise. Seit dem Sommer 2009 geben die Unternehmen weniger für Investitionsgüter aus, als sie an abgenutztem Kapital abschreiben. Die negativen Neuinvestitionen lagen seit Anfang 2012 im Durchschnitt bei rund 40 Prozent der Nettowertschöpfung, in den zwölf Monaten bis September waren es immer noch 21 Prozent, wie Daten der OECD zeigen. An den Aufbau einen Kapitalstocks denkt in Griechenland derzeit einfach niemand. Und nach EU-Prognose wird die Kapitalzerstörung im gesamten Land auch 2016 weitergehen. Nominal dürfte Griechenland dann sieben Prozent weniger Kapitalstock ausweisen als 2010.
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Der Austeritätsschock seit 2010 hat die Depression in Griechenland verstärkt und die Abwärtsspirale aus sinkender Nachfrage, fallenden Preisen und Löhnen erst richtig losgetreten. Gemessen am Bruttoinlandsprodukt (BIP) sanken die Staatsausgaben (für Investitionen und öffentliche Dienstleistungen) seit 2009 um 16 Prozent, von 27 auf 23 Prozent des BIPs im vorigen Jahr. Immerhin hat Athen seine Ausgabenquote 2014 endlich einmal leicht steigen lassen. Das brachte dem Land wenigstens etwas Wachstum – auch weil die Ersatzinvestitionen der Unternehmen im Sommer erstmals seit langem wieder gestiegen sind, wie die Grafik oben zeigt. Doch bereits im vierten Quartal war von Wachstum nichts mehr zu spüren: Das BIP schrumpfte um 0,2 Prozent im Vergleich zum Vorquartal, wie Eurostat am Freitag mitteilte.
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Die EU-Kommission erwartet, dass die Staatsausgaben 2016 auf 21 Prozent des BIPs fallen, wie vor der Euro-Einführung. Sollte es dabei bleiben, wird sie nicht enden, die Depression – und die soziale Katastrophe noch schlimmer werden. Bei solchen Aussichten investiert kein Unternehmen, so sehr die Löhne sinken mögen und der Arbeitsmarkt flexibilisiert wird.
Meine kurze Kolumne aus dem Wirtschaftsblatt vom 17.Februar 2015 (leicht erweitert und zusätzlich mit Grafiken ergänzt).
Foto: Flickr / SpaceShoe / (CC BY 2.0)