Meine Stimme aus Wien: Nächste Stufe im Ukraine-Krieg
Der Krieg in der Ostukraine eskaliert wieder. Der Russlandbeauftragte der deutschen Bundesregierung, Gernot Erler, beklagt, dass die Falken, die den Konflikt militärisch lösen wollen, die Oberhand gewinnen. Alles, was in politischen Gesprächen zuletzt erreicht wurde, werde nicht umgesetzt. Der Grund: Russland sieht sich weiterhin nicht in der Verantwortung. Deshalb scheitern derzeit alle Versuche einer diplomatischen Lösung zur Beendigung des Krieges, sagt Erler.
Moskau versucht weiterhin, die selbst ernannten Volksrepubliken Donezk und Lugansk als vollwertige Partner bei den internationalen Verhandlungen aufzuwerten. Kiew hat die von Russland unterstützen Separatisten aber nie anerkannt, auch nicht, bevor die Militäraktion – Antiterroristische Operation genannt – im April 2014 begonnen hatte. Und daran wird sich so schnell nichts ändern. Für Russland geht es aber darum, dass es nur eine föderative Ukraine geben darf, in der die Russen ihren Einfluss behalten. Das ist die alte Roadmap aus Moskau vom März vergangenen Jahres.
Wie es aussieht, versuchen die Rebellen derzeit das von ihnen kontrollierte Territorium im Donbas auszuweiten. Zunächst bis an die Grenzen der Regionen Donezk und Lugansk, die sie bisher nur zum Teil kontrollieren. Höchstwahrscheinlich werden sie dabei von russischen Streitkräften unterstützt. Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) vermutet, dass in den vergangenen Wochen sehr viel Nachschub an Ausrüstung und schweren Waffen aus Russland in die Ostukraine geschleust wurde.
Wenn der Westen jetzt auf die Eroberung jeder weiteren Stadt mit neuen und immer harscheren Sanktionen reagiert, mag dies nachvollziehbar und logisch erscheinen. Doch sollte jeder wissen, dass Moskau wohl bereit ist, nach Mariupol auch Slawjansk einzunehmen. So beschreibt die unabhängige Wirtschaftszeitung „Wedomosti“ ein Szenario, das gerade in Moskau kursiert. Und wenn erst einmal Charkow und Odessa eingenommen sind, werde der Westen schon einknicken, seine Sanktionen fallen lassen und die Ukraine am Ende eine föderative Verfassung bekommen, so die Idee.
Der Kreml hat sich auf zwei Krisenjahre eingestellt, und die bereits erwartete Herabstufung seiner Bonität auf Ramschniveau stört ihn da möglicherweise nur wenig. Selbst dann, wenn sich der Kapitalabfluss demnächst noch verstärken sollte. Ein schnelles Ende des Krieges scheint jedenfalls in weiter Ferne. Österreichs Unternehmen und Banken, die auf eine schnelle Lösung gehofft haben, müssen sich auf weitere Belastungen einstellen.
Mein Leitartikel (in leicht erweiteter Version) im WirtschaftsBlatt vom 28. Januar 2015
Foto: Flickr / Jordi Bernabeu Farrús / (CC BY 2.0)