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Washington und Berlin dealen mit Moskau – vielleicht!

Die Lage im Osten der Ukraine bleibt auch nach der Wahl Poroschenkos unübersichtlich. Berichte über Tschetschenen machten vergangene Woche die Runde. Es blieb allerdings unklar, ob sie nun wirklich auf Befehl Ramsan Kadyrows dort waren. Der meinte jedenfalls, er wüsste nur von 14 Männern, die sich freiwillig in die Ukraine begeben hätten. Was man jetzt glauben kann, oder auch nicht.

Somit bleibt auch unklar, wie viele frische Kämpfer von russischer Seite der Grenze in den Osten geströmt sind: im Auftrag des Kreml, von russischen Nationalisten oder von Janukwitschs Familie finanziert. Gleichwohl könnte die Führung in Kiew tatsächlich versuchen, bis Mitte Juni ihre „Anti-Terror-Operation“ entscheidend voran zu treiben, wie es Oleg Zarjow behauptet. (Hier das Original auf Facebook und auch die staatliche russische Nachrichtenagentur „Ria Nowosti“ beruft sich einmal mehr auf Quellen in Kiew.) Dann könnte der neue Präsident kommen und seine Hände in Unschuld waschen, so die Interpretation Zarjows.

Der Abgeordnete, ein politischer Anführer der Föderalisten (mit dem man ürbirgens reden könnte), scheint jedenfalls noch gute Verbindungen zum ukrainischen Geheimdienst SBU zu haben. Hatte er doch vor wenigen Wochen berichtet, dass die US-Geheimdienste mittlerweile eine ganze Etage im SBU-Hauptquartier besetzt hielten. Einen Tag darauf wurde Zarjow von Banden des „Rechten Sektors“ verprügelt. Auch das kann Zufall sein.

In dieser etwas unübersichtlichen Lage streuen die Regierungen in Berlin und Washington interessante Informationen kurz bevor hier in Europa wichtige Treffen stattfinden. Fangen wir mit den Amerikanern an. Dazu schreibt die FT heute:

„The Obama administration is eager to avoid the impression that the west is going back to business-as-usual with Russia – a message the president will stress when he visits Poland. But US officials acknowledge that one of the crucial next steps is for Ukraine to devise a more decentralised constitution that satisfies some of Russia’s concerns. That will ultimately involve coming to some sort of agreement with Moscow about Ukraine’s future relationship with both Nato and the EU.

“If we think this election result is a way to declare victory over Putin, we will be right back in the middle of a major crisis,” says one senior European official.“

Wenn sie ernst gemeint sind, sind dies völlig neue Töne aus Washington. Denn bisher haben die Amerikaner der Führung in Kiew nicht nur in ihrer „Anti-Terror-Operation“ volle Rückendeckung gegeben. Sie haben Kiew auch darin bestärkt, bei eher kosmetischen Veränderungen der Verfassung zu bleiben, zumindest lautet so der Vorwurf aus Moskau.

Auch Berlin blieb nicht untätig vor dem Wochenende. Das Auswärtige Amt ließ im „Spiegel“ seine Ungeduld gegenüber den Amerikanern freien Lauf:

„Ein weiterer Streitpunkt zwischen Bundesregierung und US-Administration ist das Vorgehen der ukrainischen Regierung gegen die Separatisten im Osten des Landes. Das Auswärtige Amt wirft den USA vor, Kiew darin zu bestärken, nicht mit den Aufständischen zu sprechen. Eine militärische Lösung, wie sie die ukrainische Regierung mit politischer Unterstützung Washingtons anstrebe, werde es aber nicht geben, heißt es in Berlin. „Die USA spielen in dieser Frage keine gute Rolle“, sagt ein hoher Regierungsbeamter.“

Hochinteressant ist in diesem Zusammenhang auch die heutige Pressekonferenz von Angela Merkel und dem georgischen Ministerpräsidenten Irakli Garibaschwili. Auf die Frage hin, was der Premier der ukrainischen Führung rät, sagte er:

„Der Ukraine würde ich raten, so schnell wie möglich einen konstruktiven Dialog mit Russland anzufangen, aber natürlich unter Beteiligung der internationalen Gemeinschaft. Ich glaube, erst so wird man zu einem Ergebnis kommen können. (…)

Wir glauben, dass konstruktiver Dialog der beste Ausweg ist, um jede mögliche Krise zu lösen. Wir haben es geschafft. Wir haben gezeigt, dass konstruktive, normale Beziehungen mit Russland möglich sind und dadurch Probleme zwischen zwei Staaten lösbar sind. (…)

Damit wollen wir auch ein Beispiel dafür geben, dass Georgien ein Ort sein kann, der einerseits ein Teil Europas werden will und in einem Monat ein Assoziierungsabkommen mit der EU unterzeichnen wird, aber gleichzeitig eine konstruktive Politik mit Russland fährt. Wir haben sozusagen von beiden Seiten positive Signale empfangen. Ich glaube, Georgien könnte in dieser Hinsicht beispielhaft in der Region werden.“

Und auch Merkel sprach zuvor schon ähnlich auf der Pressekonferenz:

„Wir sehen auf der anderen Seite, dass Georgien auch viel Kraft investiert, um die Beziehungen zu Russland Schritt für Schritt zu entwickeln. Insofern sehen wir, glaube ich, an diesem Beispiel auch, dass es nicht um ein Entweder-oder geht, sondern dass hier eine Regierung auch beide Bereiche sehr klar im Auge hat.

Einerseits möchte man hoffen, dass dies alles keine Showaussagen bleiben. Bei der Bundesregierung war ich in letzter Zeit eigentlich vorsichtig optimistisch, dass sie mit Poroschenko und Putin im Hintergrund bereits so etwas wie einen Deal in die Wege geleitet hat. Jetzt scheinen auch die Amerikaner mit an Board zu kommen. Eventuell steigen ja tatsächlich die Chancen auf einen friedlichen Interessensausgleich.

Aber wer weiß, vielleicht erfolgt die „Anti-Terror-Operation“ dann auch mit stillschweigendem Einverständnis Moskaus – man könnte fast daran glauben. Wird es ein „Abgekartetes Spiel um die Ostukraine, Tote inklusive“, wie Albrecht Müller auf den NachDenkSeiten schreibt?

Update: 0 Uhr – 3. Juni

Aktuell sieht es aber nach einer weiteren Eskalation von beiden Seiten aus. Nachdem die Rebellen am Montag einen Grenzposten in Lugansk angegriffen haben, zitiert die staatliche russische Nachrichtenagentur „Ria Nowosti“ eine anonyme „Quelle in den ukrainischen Sicherheitsstrukturen“:

„Auf Anweisung des neuen Präsidenten hin wurde dem Anti-Terror-Zentrum befohlen, alle Verwaltungsgebäude in den Gebieten Donezk und Lugansk bis zur Amtseinführung des Staatschefs (7. Juni – Anm. der Redaktion) von den Besetzern zu räumen. In die Region werden zusätzliche Panzerfahrzeuge, Schützenpanzerwagen neuer Generation und Panzer sowie mehr Personal der Innentruppen und der Armee verlegt“, hieß es.

„Nach vorliegenden Angaben wird (US-Vizeverteidigungsminister) Derek Chollet an der Planung und Durchführung der Operation teilnehmen“, sagte der Gesprächspartner, der anonym bleiben wollte.

Auf der einen Seite wollen die Amerikaner ein Abkommen mit Moskau auf der anderen Seite geht es um den (letzten?) Versuch, den Konflikt doch noch militärisch zu lösen. Hoffen wir, dass der Spuk nach dem 7. Juni vorbei ist und dann alle Seite ihre Truppen abziehen.

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