Meine Stimme aus Wien: Die Mitschuld des Westens am Ukraine-Konflikt
Aus dem WirtschaftsBlatt vom 5. Mai 2014:
Für viele Kommentatoren ist eins völlig klar: Das „neoimperialistische“ Russland strebt in der Ukraine äußerst aggressiv danach, die Sowjetunion wieder auferstehen zu lassen. Garniert werden die „Annexion der Krim“ und die Destabilisierung der Südostukraine mit „völkischem Nationalismus“,wie es so oft heißt. Putin müsse daher unbedingt gestoppt werden.
Jedoch spricht einiges dafür, dass diese Sichtweise zu kurz greift. Wir dürfen nicht nur Propaganda und Lügen des Kremls benennen. Wir sollten auch nach Fehlern suchen, die der Westen begangen hat. Angesichts der blutigen Verschärfung mit vielen Todesopfern am Wochenende in Odessa müssen wir alle sehr schnell zur Besinnung kommen.
Wackliger EU-Pakt. Mag sein, dass die EU einmal ihre Strategie gegenüber Russland überdenken wird. Natürlich war es naiv zu glauben, dass mit den Milliarden auch die Demokratie in Russland einkehrt. Doch bei der Fehlersuche dürfen wir hier nicht haltmachen. Wer nur selbstgerecht Russlands Bruch des Völkerrechts brandmarkt, leistet keinen Beitrag zur Entspannung. Nicht erst in der Anbahnung des Freihandelsabkommens mit der Ukraine, sondern schon viel früher gab es Versäumnisse, die zur heutigen Eskalation beigetragen haben.
Nachdem das Abkommen im Herbst gescheitert war, bekannte Deutschlands Außenminister Frank-Walter Steinmeier gleich bei seinem Amtsantritt, welche Fehler der EU unterlaufen sind. Stefan Meister vom European Council on Foreign Relations bringt es in einer Studie auf den Punkt: Deutschland und andere Mitgliedstaaten seien gescheitert, weil sie es nicht vorhergesehen hätten, wie sich Russland gegen das Assoziierungsabkommen wehren wird.
Bereits im Sommer 2013 war längst klar, dass es weder Brüssel noch Kiew wahrhaben wollten: In Moskau gab es berechtigte Sorgen, von billigen Konkurrenzprodukten überflutet zu werden. Kein Wunder, schloss Russland bereits im August die Grenzen für ukrainische Güter. Wenn wir Alexander Rahr glauben dürfen, ging es aber tatsächlich um noch viel mehr. Der Putin-Biograf, dem eine gewisse Nähe zum russischen Präsidenten nachgesagt wird, erzählte kürzlich vor Journalisten, wie Putin den „geheim verhandelten“ Entwurf des Abkommens sogar erst im September zu Gesicht bekam. Dabei hätte der Kreml gar „kein echtes Problem“ damit, wenn sich Ex-Sowjetstaaten in Richtung EU orientieren würden, sagte Rahr. Aber wenn im Vertrag von einem „gemeinsamen Sicherheitsraum“ die Rede sei, dann sehe Putin darin einen ersten Schritt hin zu einer Nato-Integration; eine „rote Linie“ sei überschritten worden.
Wachsendes Misstrauen. Doch wie kam es zu dieser „roten Linie“? Wolfgang Richter von der Stiftung Wissenschaft und Politik, einer vom deutschen Bundeskanzleramt finanzierten Denkfabrik, hat es kürzlich beschrieben. Zur „Annexion der Krim“ schreibt er: „Es greift zu kurz, die Erklärung dafür lediglich in einem neosowjetischen Revisionismus zu suchen. Russland sieht sich in der Defensive gegenüber einer westlichen Vorwärtsstrategie, die russische Sicherheitsinteressen gefährdet. Diese Bedrohungsperzeption mag überzogen sein. Doch auch westliche Staaten haben zu ihrer Entwicklung beigetragen, indem sie Sicherheitsvereinbarungen marginalisiert oder umgangen haben.“
Dabei war die transatlantische Allianz seit 2002 zunächst noch bemüht, mit dem Nato-Russland-Rat Moskau zu besänftigen. Damals stand die Nato-Erweiterung um die baltischen Staaten auf der Tagesordnung. Doch schon 2007 zeigten sich ernste Zerwürfnisse: Es fing damit an, dass sich Russland gefährdet sah, als die USA eine Raketenabwehr in Polen und Tschechien planten. Ein weiterer Streitpunkt war die Rüstungskontrolle.
Russland hatte bereits 2004 ein Abkommen ratifiziert, das den Kontrollvertrag über Konventionelle Streitkräfte in Europa (KSE) aus dem Jahr 1990 aktualisieren sollte. Die USA und ihre angelsächsischen und osteuropäischen Bündnispartner machten jedoch die Ratifizierung davon abhängig, dass Moskau seine Truppen aus Georgien und der Republik Moldau abzieht. Nachdem Russland seine regulären Verbände und schweren Waffen fast vollständig abgezogen hatte, waren die Nato-Länder aber noch immer nicht bereit zu diesem Schritt.
Das Misstrauen wuchs zugleich mit jeder neuen Militärintervention unter US-Führung: gegen Serbien 1999, im Irak 2003 und in Libyen 2011. Sie verletzten nach Ansicht Moskaus das Völkerrecht. Als 2008 die Amerikaner die Ukraine und Georgien in die Nato aufnehmen wollten, war für Russland die „rote Linie“ erreicht. Noch aus anderen Gründen, die Richter beschreibt, erkannte Moskau ein antirussisches geopolitisches Gesamtkonzept im Westen.
Im Jahr 2008 kam es dann zum Angriff Georgiens auf Südossetien und die dort stationierten russischen Friedenstruppen. Mit der folgenden Militärintervention Russlands war wiederum für die USA und ihre mittel-und osteuropäischen Partner klar, welche Gefahr von Russland ausgehen würde. Doch auch Moskau blickte da schon länger sorgenvoll zum Kaukasus: Waren doch Georgiens Truppen von den USA, von mittelund osteuropäischen Staaten, der Türkei und der Ukraine ausgerüstet worden. Und: Zum Zeitpunkt des Angriffs auf die russischen Truppen befanden sich zahlreiche US-Berater in Georgien.
Im Februar 2014, als der ukrainische Präsident Viktor Janukowitsch aus dem Amt gejagt wurde, erinnerten sich die Russen an seinen Vorgänger Wiktor Juschtschenko. Der hatte nämlich bereits 2008 gedroht, das Flottenabkommen mit den Russen für die Krim zu kündigen. Rund 70 Prozent ihrer Schwarzmeerflotte befindet sich dort. Dieses Bedrohungsszenario hatte Moskau plötzlich wieder vor Augen: Bald wäre Russland nur noch ein Gast am Schwarzen Meer, das von Nato-Staaten und-Kandidaten umschlossen wäre.
Es wird viel Blut fließen. Eins ist in den vergangenen Wochen klar geworden: Eine Lösung der Krise lässt sich nicht mit Sanktionen finden, sondern nur im Dialog mit Politikern aus dem Südosten des Landes, die von Moskau Rückendeckung erhalten. Leider sieht es so aus, als würde die Kiewer Führung mit Unterstützung der USA nicht mit sich reden lassen. Es ist zu befürchten, dass noch sehr viel Blut fließen wird-sehr viel Blut.
Es sind *immer* die Amis. Aber solange FAZ, Süddeutsche, Bild, Welt und wie diese Käseblätter alle heißen, in den entsprechenden Gremien (*) sitzen, wird sich daran nix ändern. Im Gegenteil: Die Süddeutsche tilgt ihre Kredite nicht mehr, die FAZ schreibt seit Jahren rote Zahlen. Zeit zum Umdenken, zur Wahrheit, zur Wahrhaftigkeit? Nein, das „gute Verhältnis zu unseren amerikanischen Freunden“ steht über der eigenen Glaubwürdigkeit, der eigenen Existenz. Die wird, zumindest bei SZ und FAZ, wohl kein Jahrzehnt mehr halten. Die eigenen Kunden anlügen war noch nie eine besonders schlaue Idee.
(*) Trilaterale Kommission, Atlantikbrücke etc.
Zur Info (Umfrage-Ergebnisse):
http://www.pewglobal.org/2014/05/08/despite-concerns-about-governance-ukrainians-want-to-remain-one-country/
Gut zu wissen, tauchte meines Wissens in keiner meingungsgbildenden Postille auf:
http://burisma.com/hunter-biden-joins-the-team-of-burisma-holdings/
Burisma Holdings, Ukraine’s largest private gas producer, has expanded its Board of Directors by bringing on Mr. R Hunter Biden as a new director.
Der Sohn Joe Bidens wird also am 12.5.2014 Mitglied im Vorstand des größten nichttstaatlichen Gas-Produzenten der Ukraine. Ups. Interessant ist zu sehen, wo da gefördert wird. Das nenne ich mal Deeskalation und Feingefühl.
Wessen Krieg soll das eigentlich werden?
Vielen Dank, sehr interessant. SpOn hatte es vorhin gebracht: http://bit.ly/REfNnT