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Drei Flaggen für ein Halleluja – wir brauchen keine Amerikaner in Kiew (ein ernsthafter Friedensvorschlag aus Brüssel)

Barack Obama macht es sich sehr einfach. Die „Anti-Terror-Operation“ in der Südostukraine rechtfertigt er auf der Pressekonferenz mit Angela Merkel so: „Während die ukrainischen Kräfte versuchen, die Ordnung wiederherzustellen, ist ganz klar, dass die von den Russen unterstützen Gruppen nicht einfach nur Bürger sind, sondern es sind stark militarisierte Gruppen, die von Russland unterstützt werden. Die ukrainische Regierung hat das Recht, Recht und Ordnung auf ihrem Territorium wiederherzustellen. Sie können diese Gruppen also entwaffnen und die Gewalt beenden.

Flag of Ukraine

Die mehr oder weniger plausiblen Beweise für die „grünen Männchen“, die Kiew gesammelt hat, legte die Regierung allerdings schon vor dem Gipfel in Genf vor. Auch ohne diese Beweise dürfte doch wohl jedem klar sein, dass Moskau die Aktivisten moralisch und wohl auch verdeckt unterstützt. Und der Punkt dabei ist: Auf dem Gipfel haben sich alle Seiten dazu verpflichtet ausgehend vom damaligen Status Quo die Lage nicht weiter zu eskalieren. Wer die Regierung in Kiew aber so versucht reinzuwaschen wie Obama, der lügt ganz offen. Und aus Bündnistreue lügt jetzt auch die Bundesregierung – mag es auch aus taktischen Erwägungen passieren – schön ist das nicht.

Flagaue

Der Ex-Botschafter der EU in Moskau, Michael Emerson, weist in einem Kommentar des Centre for European Policy Studies noch auf etwas hin: Gezielte Sanktionen gegen Wirtschaftszweige Russland werden kurzfristig kaum etwas bewirken. Statt an Strafen zu denken, sollten die vier Genfer Parteien daher die Rolle der OSZE stärken – ein Weg, den Berlin jetzt mit Nachdruck verfolgt und auch von Moskau unterstützt wird. Oder aber die vier Parteien einigen sich gleich darauf, eine Friedensbrigade aus Sicherheitskräften der Ukraine, Russlands und der EU aufzustellen. Denn eine Mission unter den Flaggen der zwei Staaten und der Europäischen Union hätte gute Chancen, sowohl die Gruppen des „Rechten Sektors“ als auch die Milizen im Osten zu entwaffnen.

Russian flag

Der Wahltermin am 25. Mai ist ohnehin kaum noch zu halten. Das Land dürfte drei Monate noch gut gebrauchen können. Dann sollte nicht nur ein neuer Präsident, sondern auch das Parlament neu gewählt werden. Die Ukrainer könnten zugleich über die Grundzüge ihrer Verfassung abstimmen: Wollen sie einen Zentralstaat oder eher ein föderales Land, wie es den Kräften im Osten und in Moskau vorschwebt? Zugleich muss die EU die Weichen für einen Wirtschaftsraum stellen, der von Lissabon bis Wladiwostok reicht. Das nur für den Fall, dass eine Föderalisierung abgelehnt wird. Welche Symbolkraft hätten doch diese drei Flaggen für eine friedliche Zukunft: der EU, Russlands und der Ukraine.

Und die Amerikaner – egal ob Tauben oder Falken, egal ob Geheimdienste oder Söldner – die bräuchten wir dann nicht mehr in Kiew.

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  • Rob

    Wo ist eigentlich das Problem mit dem Merkel-Zitat? Der mittlere Teil wohl nicht. Es ist doch bescheuert, dass nicht einfach von den separatisten demonstriert wurde (wie es normal wäre), sondern knallhart und bewaffnet mit seltsamen Gesichtsverschleierungen Gebäude eingenommen wurde, oder wie am Freitag in Odessa: Karina B. wurde Zeugin, wie prorussische Separatisten die Demonstranten angriffen: „Sie gingen mit schweren Stöcken auf die Fans los. Plötzlich herrschte überall Chaos.“ Während auf den Straßen heftige Kämpfe ausbrachen, flüchtete Karina B. aus dem Zentrum. In sozialen Netzwerken verfolgte sie, wie dazu aufgerufen wurde, die beiden gegnerischen Gruppen zu unterstützen.
    Dann fragt sie sich: Woher kamen die Kämpfer? Woher hatten sie die Waffen? Und warum sahen die Polizisten tatenlos zu?
    Aus: http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-05/odessa-ukraine-russland-kaempfe-unruhen?red_suggested=true#comments

    In Anlehnung an den Titel: Wir brauchen keine Russen in Ost-Ukraine. Und warum die so eine Interesse am Stören haben wird aus Folgendem noch mal deutlicher:

    Dass am 25. Mai in der Ukraine eine Präsidentenwahl stattfindet, ist nicht im Interesse Russlands, schreibt Alexander Braterskij in einer Analyse für die russische Online-Zeitung gazeta.ru. Falls die Wahl stattfände, werde die russische Regierung sie vermutlich nicht anerkennen, darauf lasse die offizielle Rhetorik bereits schließen. Am Wochenende hatte Putin-Sprecher Dmitri Peskow gesagt, eine Wahl während einer „Strafexpedition“ durchzuführen, sei „absurd“.

    Laut Braterskij passt der russischen Regierung eine Wahl in der Ukraine aus drei Gründen nicht:
    1. Der aussichtsreichste Kandidat, der Schokoladenfabrikant Petro Poroschenko gilt als „Feind Russlands“.
    2. Nach der Wahl gäbe es nicht nur einen legitimen Präsidenten, sondern in der Folge auch eine legitime Regierung – was die bisherige russische Sprachregelung, Janukowitsch sei der einzige Präsident der Ukraine und die Regierung habe sich an die Macht geputscht, zunichte machen würde.
    3. Sollten auch im Osten und Süden der Ukraine mehr als die Hälfte der Bürger zur Wahl gehen, würden sie damit deutlich machen, dass sie sich als Ukrainer sehen – und eben keineswegs zu Russland gehören wollten.

  • André Kühnlenz

    Du meinst sicherlich das Zitat von Obama? Also noch einmal, ich verteidige nicht Russland oder die Aktivisten im Osten oder sonstige Gewalttäter.

    Ich erkenne hier nur einen Handlungsstrang, der irgendwann auf dem Maidan begonnen hat und aktiv von der Amerikanern betrieben wird. Das hatte sich auf dem Maidan noch verschwommen abgezeichnet. Verschwommen deshalb, weil es da für vieles keinen Nachweis gab, außer vielleicht das abgehörte Gespräch mit Nuland…

    Seit dem 21. Februar wird dieser Handlungsstrang jedoch immer sichtbarer und zwar überdeutlich. Die USA unternehmen alles, um die ihr nahestehende – weil explizit antirussische und kaum legitime Führung in Kiew – in ihrem Kurs zu bestätigen, die Lage zu eskalieren. Und Russland reagiert darauf – ob man es nun gut findet oder nicht. Einerseits schafft Moskau Tatsachen und begleitet dies mit Propaganda und verschärfter Repression nach innen…

    Der Handlungsstrang nach dem Sturz von Janukowitsch:

    1. Russland gliedert sich die Krim an, um sicher zu sein, dass es noch einen Zugang zum Schwarzen Meer behält und das Schwarze Meer nicht fast vollständig von Nato-Ländern oder Nato-Kandidaten umschlossen wird.

    => über den Bruch des Völkerrechts kann man streiten… ist für mich hier fast schon unerheblich.

    Aber folgendes klingt vernünftig, aber keiner hört damals Moskau zu, weil alle im Westen noch so beschäftigt sind mit dem Verbrechen auf der Krim:

    2. Russland macht einen Vorschlag (am 17. März – einen Tag nach dem Krim-Referendum) und findet dafür auch die Zustimmung im Osten des Landes. Die wesentlichen Punkte:

    * Entwaffnung des „Rechten Sektors“ und anderer bewaffneter Kräfte auf dem Maidan
    * Einberufung eines Verfassungskonvents aller Regionen, der dem Land eine föderale Struktur gibt und Russisch als zweite Staatssprache festschreibt
    * Verfassungsentwurf wird von allen (!) Teilnehmern beschlossen
    * es findet ein Verfassungsreferendum statt
    * danach (!) Präsidentschafts- und Parlamentswahlen sowie Wahlen in den Regionen

    Quelle: http://bit.ly/1q8q4sq

    Bis heute gibt es keinen Verfassungskonvent, bis heute gibt es keine Zusicherung des Status der russischen Sprache als Staatssprache, bis heute ist der Verfassungsprozess nicht in Gang gekommen! Das liegt allein an Kiew und wurde von Washington gedeckt.

    3. In den drei Wochen nach dem Krim-Referendum gibt es pro-russische Demos und Besetzungen – aber keine Versuche, ganze Städte unter die Kontrolle von Milizen zu bekommen.

    Kiew lehnt jedoch jeden Versuch und jedes Gespräch (!) über eine Föderalisierung ab – Begründung: Damit würde Russland das Land zerstören. Noch einmal: Moskau hat vorgeschlagen, dass jeder Teilnehmer des Konvents dem Entwurf zustimmen sollte.

    4. Nachdem auch ein Treffen mit Kerry erfolglos blieb, beginnen eine Woche später (5./6. April) die Besetzungen im Osten, weitgehend gewaltlos gegenüber Menschen.

    => Der Westen reagiert hilflos und redet wieder nur von Sanktionen! Niemand fordert Kiew zu einem Verfassungsprozess auf!

    5. Eine Woche später (13.April), nach der Besetzung einer Polizeistation in Kramatorsk (bei der auch „grüne Männchen“ gesicht wurden), beschließt Kiew den Beginn der „Anti-Terror-Operation“, während gerade der CIA-Chef unter falschem Namen in Kiew weilt.

    6. Genfer Gipfel (17. April) beschließt keine weitere Gewalt usw.

    7. Bereits am 22. April beschließt Kiew die Wiederaufnahme der „Anti-Terror-Operation“, die über Ostern ausgesetzt wurde – während Joe Biden in Kiew weilt. Am 24. April gibt es die erste Tote in Slawjansk, Russland zieht Truppen an der Grenze zusammen.

    => Das war ein klarer Bruch des Genfer Abkommens mit Rückendeckung der USA

    8. Besetzungen im Osten weiten sich aus, am 25. April werden Bundeswehrsoldaten und anderer Militärbeobachter gekidnaped.

    9. Die „Anti-Terror-Operation“ wird am 2. Mai wieder aufgenommen, nachdem die Russen sich von der Grenze wieder zurückgezogen haben. Dabei wird auch eine Gefährdung der deutschen Geiseln in Kauf genommen.

    Dass sich dabei überall im Land die Leute radikalisieren – darüber brauchen wir uns nicht zu wundern. Hier irgendwas in Odessa aufklären zu wollen, das ist fast schon zwecklos! Auch die nationalistischen Fußball-Ultras/Hooligans in Odessa waren bereits mit Waffen auf der Demo, bevor sie von pro-russischen Kräften angegriffen wurden. Weit bevor das Gewerkschaftshaus in Brand gesteckt wurde.

    Für die Eskalation seit Genf ist zwar nicht allein Kiew und Washington verantwortlich. Aber sie waren der Auslöser. Jetzt klar, warum ich ein Problem mit dem Zitat von Obama habe? Jetzt noch unklar, warum ich die Amis da raus haben will?

  • Rob

    Sorry, tatsächlich ein Obama-Zitat.
    Pkt. 1: OK, ist abgehakt – zwar sehr unsauber gelaufen, und wohl auch deshalb, weil Putin kein Risiko eingehen wollte, dass das dortige Volk irgendwie doch nicht freiwillig den Boden für einen Anschluss bereiten würde. Warum heute dann einen Führer der Krimtataren die Einreise verweigert wird, ist mir schleierhaft.
    Pkt. 2: Hört sich vernünftig an, den Vorschlag „unsererseits“ (Kontaktgruppe) aber auch. Als Problem muss m.E. anerkannt werden, dass der Westen nach den Geschehnisse auf der Krim nicht bereit waren, etwaige Moskau-Vorschläge ernst zu nehmen, zumal einen Tag nach der Krim-Wahl.
    Pkt. 3: Ergebnis aus 2.
    Pkt. 4: Weitgehend gewaltlos ja, aber ich bleibe dabei: Warum nicht wie sonst nicht einfach massenhaft Demos? Das wäre viel glaubwürdiger, zumal der Westen sich das ausgefüchste Krimszenario wiederholen sah.
    Zu Verfassung: Da habe ich die Neigung zu sagen: nichts überstürzen, lasset die doch am 25.5. erst mal den Präsidenten wählen. Gleichwohl: wie ich gerade durch eine kurze Suche feststellen konnte (SZ-Artikel aus 2010, ist die Verfassung sehr überarbeitungsbedürftig (http://www.sueddeutsche.de/politik/ukraine-staat-mit-eingebauter-blockade-1.404298).
    Pkt. 5-8: Ergibt sich aus der Logik der Anfangsereignissen. Ich errinnerte mich in den vergangenen Woche hin und wieder an eine beeindruckende Passage aus dem Buch Momo, in die die Hauptdarstellering sich den Werdegang eines handfesten Streits zwischen zwei Herren erzählen ließ. Das Ende der Handlung: Die Herren stellen beschämt fest, wie klein der ursprüngliche Anlass des ausgeuferten Streits war.
    Pkt. 9: Haben die sich wirklich von der Grenze zurückgezogen?

    „Dass sich dabei überall im Land die Leute radikalisieren“, hängt m.E. auch mit dem Informationskrieg zusammen. Das klingt natürlich ziemlich einfach (ich meine es als hinreichende Erklärung zu sehen, und damit basta), aber was ich davon indirekt mitbekommen habe hat mir eindrücklich gezeigt, wie menschen auch in der heutigen Zeit mit Informationen manipuliert werden können.

    Noch mal: ich habe sehr wohl registriert, dass du Putins Rolle problematisch siehst; aber ich finde, dass die Ursachen der Problemen zu einseitig bei Kiew gesehen werden.

  • Rob

    Noch etwas: Moskau brandmarkt die Aktionen Kiews als „Verbrechen“ gegen das eigene Volk. Und redet von „Strafexpeditionen“ in Anlehnung an Weltkriegsgeschehnissen, aber wenn Assad sein eigenes Volk lyncht, hört man nichts von russischer Seite. Das ist unerträglich.

  • André Kühnlenz

    Ich analysiere hier nicht die Propaganda Moskaus, sondern versuche herauszufiltern, was die nüchterne Position und die Interessen der Russen sind. Zumindest versuche ich mich darauf zu konzentrieren. Das sollten wir als Beobachter aus dem Ausland auch tun, sonst kommen wir nie zu einer friedlichen Lösung. Denn ohne Russland wird es nicht gehen – das ist eine Tatsache, die jedem klar geworden sein sollte.

    Dass die Kiewer Führung auf die Eskalation, die Propaganda und die Provokationen Russlands emotional ganz anders reagiert als wir, ist mehr als verständlich. Egal wie berechtigt oder unberechtigt die Handlungen Moskaus sind. Das Problem ist nur, dass die USA hier eben auch Partei sind (eine antirussische) und offen die Emotionen der Kiewer Führung schüren. Wer tatsächlich Frieden in dem Land will, müsste dabei aber mäßigend wirken. Das tun die Amerikaner aber nicht.

    Zumindest bei Steinmeier klingt das schon ganz anders. Und klar ist auch, dass USA und EU natürlich eher zur jetzigen Führung in Kiew neigen. Das sollte aber nicht dazu führen, dass Kiew offen dazu ermuntert wird, gegen die Genfer Erklärung zu verstoßen. Und das haben die Amerikaner getan und ihrerseits die große Propagandamaschine angeworfen – wenn man die auch nicht mit der aus Moskau vergleichen kann. Genau das sagt das Zitat von Obama aus.

    Die Haltung der Amerikaner ist absolut kompromisslos und zielt nur darauf, dass Russland seinen Einfluss in Ukraine komplett verliert. So wie in den geostrategischen Großwerken vorhergesagt. Und diese Strategie wird nicht zu Frieden führen, weil die Russen darauf immer reagieren werden, solange sie noch können.

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