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„Wir bauen auf und tapezieren nicht mit – Wir sind sehr stolz auf Katarina Witt“

Unsere Freunde aus dem Klub der reinen Marktlehre kriegen sich gar nicht mehr ein. Die ganze Welt kritisiert schon wieder die Deutschen für ihre hohen Leistungsbilanzüberschüsse. Was erlauben die sich denn, da draußen? In unseren Medien lesen wir zum Glück auch von vernünftigen und pragmatischen Wirtschaftsressortleitern, denen es langsam auch unheimlich wird, was wir Deutschen in der Welt so anrichten. Und langsam fällt unseren Freunden aus dem Klub der reinen Marktlehre auch nichts mehr ein, womit sie Deutschlands Kapitalüberschwemmung in der weiten Welt noch rechtfertigen können.

Da wäre zum Beispiel Clemens Fuest, der ZEW-Präsident. Der Professor sagt:

„Die Idee, auf Außenhandelsüberschüsse mit mehr inländischen Investitionen zu reagieren, [ist] abwegig. Investieren soll man, wenn die Rendite stimmt, unabhängig vom Außenhandelssaldo.“

Hmm, schon klar, Herr Fuest. Genau das haben die Spanier gemacht, als sie in ihren Immobilienboom investiert haben. Genau das haben die Amerikaner getan, als sie fragwürdige Finanzprodukte gekauft haben, die wiederum den Immobilienboom in den USA ins Absurde getrieben haben. Und wir Deutschen war immer mit dabei, immer dort, wo uns die höchste Rendite versprochen wurde. Super Vorschlag, Herr Professor – machen wir einfach weiter so!

Gut, den deutschen Staat kann Fuest nicht gemeint haben. Dem sind Marktrenditen ja eigentlich egal, wenn er an Ausgaben für Infrastruktur und so was denken sollte. Minister phantasieren bei uns lieber etwas von „wachstumsfreundlicher Konsolidierung“ des Staates. Hey, schaut her, Ihr Völker der Welt. Hier ist ein Vorbild erwachsen – nein, nicht nur für Europa sondern gleich für den gesamten Globus. Komisch nur, dass sich niemand da draußen von uns belehren lassen will. Verärgert kehrt der Finanzminister von einem G20 Gipfel nach dem anderen zurück, und wundert sich, dass keiner unsere tolle Schuldenbremse einführen will.

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Gespaltene Persönlichkeiten hecheln seit Jahren durch Berlin. Minister, die nicht einsehen wollen, dass seit 2003 einfach mal so „vergessen“ wurde, 30 Mrd. Euro zu investieren, um wenigstens den abgenutzten Kapitalstock unserer Volkswirtschaft zu ersetzten. Von Zukunftsinvestitionen ganz zu schweigen. Was würde wohl der Aufsichtsrat eines Großkonzerns sagen, wenn seine Manager zwar einen Gewinn von 2,26 Mrd. Euro präsentieren (so hoch war der öffentliche Haushaltsüberschuss im vergangenen Jahr) und dabei seit Jahren Abschreibungen von 30 Mrd. Euro nicht für neue Maschinen und Anlagen ausgeben.

Die Unternehmen in Deutschland halten sich wenigstens an die erste Regel der Marktwirtschaft, in dem sie zunächst ihren abnutzten Kapitalstock ersetzen. Einzige Ausnahme seit der Einheit war nur Krisenjahr 2008. Magere 500 Mrd. Euro haben die Firmen seit 2001 netto in die Erweiterung ihrer Kapazitäten investiert – das sind gut drei Prozent ihrer Nettowertschöpfung – also des Einkommens in den Unternehmen nach Abzug der Abschreibungen. Dem standen allerdings 1550 Mrd. Euro gegenüber, die unter dem Strich ins Ausland flossen – nur 320 Mrd. Euro waren davon Direktinvestitionen, also langfristiges Beteiligungskapital.

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Ganz sicher erinnert sich der Professor Fuest noch daran, was er im ersten Semester seines VWL-Studiums gelernt hat. Wir können nicht im Ausland investieren und dann erwarten, dass diese Ausgaben irgendwie nichts mehr mit dem Außenhandelssaldo zu tun haben. Denn die Ausgaben fließen ja immer wieder zurück. Wohl eher wollte der Professor uns nur demonstrieren, wie toll er tautologische Pirouetten drehen kann mit seinem „unabhängig vom Außenhandelssaldo“.

Was bleibt ihm auch anderes übrig? Steuerliche Entlastung von Unternehmen und Vermögenden, die Lohnzurückhaltung sowie ein flexiblerer Arbeitsmarkt – es hat ja alles nichts geholfen, was der Klub der reinen Marktlehre uns seit Jahren propagiert. Die Rendite im Inland konnte einfach nie mit der an den Finanzmärkten konkurrieren. Und klar, wer will da schon in produktives Sachvermögen investieren. Es war alles für die Katz. Samt Verlusten von 600 Mrd. Euro, die wir in der Finanzkrise verloren haben.

Kurz vor dem Ende der DDR sagte der SED-Chefideologe Kurt Hager zur Perestroika Gorbatschows: „Würden Sie, wenn der Nachbar seine Wohnung neu tapeziert, sich verpflichtet fühlen, Ihre Wohnung ebenfalls neu zu tapezieren?“ Da lebte die DDR schon lange von der Substanz und überlebte nur noch mit Westkrediten. Davon ist Deutschland natürlich noch weit entfernt. Ideologisch scheinen hier aber immer noch einige nicht mitzubekommen, welches Umdenken in der Welt gerade abläuft: Die Rezepte der vergangenen 30 Jahre – sie haben ausgedient. Neue pragmatische Lösungen müssen her – Merkel hat das längst kapiert, zumindest ahnt sie es. In China schwinden die Überschüsse, auch die Ölländer verdienen längst weniger. Bleiben nur noch die Deutschen, die immer noch munter die Welt mit ihrem Ersparten fluten. Und alle Europäer machen jetzt auch noch mit.

Vermutlich schwant dem Klub der reinen Marktlehre, dass unser Jobwunder der vergangenen Jahre wie ein Kartenhaus zusammen brechen wird. Doch statt weiter wie bisher, sollten wir unser Wachstumsmodell behutsam umbauen. Niemand sagt, dass das einfach wird in einer freien Marktwirtschaft – nicht mal in China geht das so einfach. Wer aber allein schon die Idee als abwegig abtut, wie Professor Fuest, der hat eigentlich nur noch ein Lied verdient. Es stammt von der Gruppe Sandow, die sich mit diesen Zeilen irgendwann um das Jahr 1987 herum über die verbohrten alten Männer im Politbüro der SED lustig gemacht hat:

„Wir bauen auf und tapezieren nicht mit – Wir sind sehr stolz auf Katarina Witt …“

Bitte ersetzten Sie „Katarina Witt“ mit „Leistungsbilanzüberschuss“ oder „Exportüberschuss“ oder gleich noch besser „Importdefizit“. Und jetzt alle:

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