Auch Ausländer machen einen Bogen um Deutschland oder Die Schockwellen der Austerität
Der World Investment Report der UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz Unctad zeichnet ein düsteres Bild. Überall auf der Welt sinken die Auslandsinvestitionen von Unternehmen (außer in Afrika). Besonders krass sehen wir das in den Industrieländern und hier vor allem im Euroland. Die Verflechtungen zwischen den Volkswirtschaften im Euro-Raum sind bekanntermaßen sehr stark ausgeprägt.
Und so reißt ein Euro-Land das andere auch bei den grenzüberschreitenden Direktinvestitionen mit nach unten. Sehr markant fällt Deutschland auf. Hierher kamen 2012 nur noch 6,6 Mrd. Dollar an Direktinvestitionen aus dem Ausland. Das sind gerade einmal knapp mehr als nach Österreich flossen. Beim Nachbarn waren es nämlich auch nur noch 6,3 Mrd. Dollar. Gemessen an der Wirtschaftsleistung – also dem BIP – brach der Investitionsstrom nach Deutschland allerdings von 7,5 auf 1,1 Prozent ein. (Alles brutto gerechnet.)
Das Handelsblatt zitiert den Unctad-Experten Jörg Weber: „So sei ein Großteil des Rückgangs auf Sondereinflüsse zurückzuführen: Zum einen seien viele Tochterfirmen ausländischer Unternehmen zuletzt an deutsche Firmen verkauft worden. Zum anderen hätten viele Mutterkonzerne von ihren deutschen Töchtern Kredite zurückgefordert, was ebenfalls rechnerisch die Investitionen drücke.“ Gleichwohl sieht es in Europa gar nicht gut aus (das gilt auch, wenn man notorische Durchgangsstationen ausländischer Direktinvestitonen wie Luxemburg, Irland und die Niederlande rauslässt.)
Dazu passt der folgende Leitartikel bei meinem neuen Arbeitgeber, dem Wirtschaftsblatt. Hier darf ich übrigens jetzt auch Leitartikel schreiben. So etwas war früher bei der FTD (wie bei der FT) immer Kollektivarbeit… Jedenfalls soll ein Leitartikel immer die Linie einer Zeitung wiedergeben, egal wer ihn schreibt… und er muss natürlich etwas seriöser daher kommen… nicht so wie ein schnöder Blogbeitrag zum Beispiel… Jetzt geht er los:
Die Schockwellen der Austerität
Es war eine einzigartige Erfolgsgeschichte. Über Jahre rückten die Volkswirtschaften der Welt immer enger zusammen. Sicher, die Öffentlichkeit interessiert sich vor allem für die Handelsströme und die gigantischen Milliardensummen, die an den Finanzmärkten hin- und hergeschoben werden. Doch wichtiger für die Bekämpfung der Armut und für einen steigenden Wohlstand auf der Welt sind die Investitionen in die Realwirtschaft – also in Unternehmen, die Güter und Dienstleistung produzieren. Das schafft Arbeitsplätze und lässt die Einkommen steigen.
Diese Direktinvestitionen sind vergangenes Jahr drastisch eingebrochen: von rund 1,7 Bio. Dollar auf nur noch knapp 1,4 Bio. Dollar – ein Fünftel weniger als 2011. Davon berichtet die UN-Welthandels- und Entwicklungskonferenz UNCTAD in ihrem neuesten World Investment Report. Die zaghafte Erholung nach der globalen Finanzkrise 2007 bis 2009 – sie ist mit einem Schlag wieder verschwunden. Die Globalisierung, auf die es am meisten ankommt, sie hat einen schweren Rückschlag erlitten.
Am stärksten sind davon die Industrieländer selbst betroffen. Dort sind die Investitionszuflüsse aus dem Ausland um ein Drittel eingebrochen. Kein Wunder, dass hier die Volkswirtschaften des Euro-Raums herausstechen. Denn immer mehr bewahrheitet sich, wovor Kritiker von Anfang an gewarnt haben, dass sich das Euroland mit einer zu harschen Austeritätsspolitik seiner Zukunft beraubt. Mehr als 40 Prozent weniger als 2011 wollten hier Ausländer auf lange Sicht investieren. Noch schärfer hielten sich jedoch die Euro-Länder mit ihrem Engagement im Ausland zurück. Hier gab es einen Einbruch um rund 50 Prozent.
So verwundert es noch viel weniger, dass die Schockwellen der Euro-Schuldenkrise überall auf der Welt zu spüren sind. In fast allen Weltregionen mit aufstrebenden Schwellenländern hörte das Wachstum ausländischer Investitionszuflüsse vergangenes Jahr abrupt auf. In Südosteuropa und in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion sanken die Investitionszuflüsse sogar um knapp ein Zehntel. Nur noch in sehr wenigen Regionen – etwa in Afrika, in Südostasien und Südamerika – gab es noch leichte Zuwächse. Immerhin fallen auch die ärmsten der ärmsten Länder darunter. Das war dann aber auch die einzige gute Nachricht der UN-Fachleute.
Aber es gibt auch Positives in dem Bericht:
In 2012 – for the first time ever – developing economies absorbed more FDI than developed countries. In addition, they generated almost one third of global FDI outflows.
Und wie wollen Sie es anders haben? Immmerhin ist der Investitionsbedarf in Schwellenländern viel größer.
Und bei den Staaten der ehemeligen Sowjietunion ist es so eine Sache, wie der Bericht sagt:
… using other countries as a base for their investments
at home. In 2012, Cyprus accounted for only 6
per cent of FDI flows to the Russian Federation,
compared with 25 and 28 per cent in 2010 and
2011, respectively (figure II.6).
Ich meine, von selbst werden die Investitionen nach Deutshcland nicht mehr zurückkommen. Hier bräuchte man schon einen Staatsfond wie in Norwegen.
Dass die Schwellenländer jetzt mehr als 50% der weltweiten Zuflüsse an FDI auf sich ziehen, das ist leider nur auf den ersten Blick positiv. Wenn überhaupt, gab es in einzelnen Regionen nur sehr geringe Zuwächse… Man kann auch sagen, dass der Anteil der Schwellenländer nur deswegen so stark gewachsen ist, weil es so einen starken Einbruch in den Industrieländen gab – und hier vor allem in Westeuropa. Und das ist dann auch wieder der wichtigste Grund, weshalb immer weniger nach Osteuropa fließt…, sagen die Leute von Unctad…
Doch sollte man sich für Schwellenländer freuen, denn kaufkraftparitätisch sind 26 Milliarden nicht so wenig für sie.
Außerdem sind die Schwellenländer noch nicht ganz erschlossene Absatzmärkte für Export orientiertes Deutschland.
Wie hat doch Heiner Flassbeck immer wieder geschrieben?
„Für die ganze Welt gibt es nur Konsum und Investitionen. Wenn wir den Menschen nicht die Mittel in die Hand geben, um zu konsumieren, verhindern wir auch jeden globalen Aufschwung. Dann verhindern wir natürlich auch eine dynamische Investitionstätigkeit…“
Wie wahr, wie wahr…