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Wenn doch diese fiesen Zinsen nicht wären…

…dann könnten die Damen und Herren im Frankfurter EZB-Tower wahrscheinlich nachts etwas besser schlafen. Was hatten sie doch damals gehofft im Sommer, als sie unbegrenzte Notkäufe von Staatsanleihen ankündigten. Die Fliehkräfte könnten gebändigt werden, die das Euro-Finanzsystem auseinanderreißen. Neueste EZB-Daten zeigen jedoch eine bittere Wahrheit: Die kurzfristigen Kreditzinsen für Mittelständler driften mittlerweile so stark auseinander wie noch nie seit Start des Euro – kein ermutigendes Signal für die EZB!

Wir erinnern uns. Im Sommer klagten Mario Draghi, der EZB-Chef, und Jörg Asmussen, sein deutscher Kollege im EZB-Direktorium, fast schon wöchentlich, wie gefährlich die großen Lücken bei den Kreditzinsen im Euro-Raum seien. So komme die Geldpolitik der EZB eben nicht mehr überall an. Oder wie es die Währungshüter kryptisch ausdrücken: Es gäbe „Fehlfunktionen im geldpolitischen Transmissionsmechanismus“, der Euro-Raum zersplittere mehr und mehr.

In der Tat ist dies ein enormes Risiko. Zum Beispiel dann, wenn die Notenbanker irgendwann wieder die Leitzinsen steigen lassen wollen – falls einmal die Preise stärker anziehen sollten. Dann wäre es fatal, wenn die Marktzinsen nicht überall im Euroland gleichzeitig klettern würden. Die Notenbanker könnten überflüssig werden – so ihre Furcht im vergangenen Sommer. Sie müssten deswegen gegensteuern, weil die Zinsen jetzt nicht überall gleichmäßig fallen – ein Indiz für Fehler im System.

Hören wir uns an, was Asmussen auf der Kronberger Strategiekonferenz der Boston Consulting Group am 26. Oktober 2012 zu sagen hatte:

Als wir diesen Sommer den Leitzins gesenkt haben, kam dieses Signal in den einzelnen Ländern der Eurozone allerdings sehr unterschiedlich an. So bezahlte im August dieses Jahres ein kleines Unternehmen in Spanien für einen Kredit bis zu 
1 Millionen Euro mit einer Laufzeit zwischen ein und fünf Jahren 6,6% Zinsen – so viel wie noch nie seit 2008. In Italien 5,83%. Und in Deutschland war ein vergleichbarer Unternehmenskredit für rund 3,8% Zinsen zu haben. Und das, obwohl in allen drei Ländern derselbe Leitzins gilt.

Doch zeigen die angekündigten Anleihekäufe der EZB überhaupt die erhoffte Wirkung? Fangen wir zunächst mit dem Positiven an. Bei den mittelfristigen Firmendarlehen, die Asmussen im Blick hatte, ist der Zinsabstand Spaniens und Italiens im Vergleich zu Deutschland tatsächlich seit dem Sommer etwas gesunken ist.

Dies zeigt die jüngste EZB-Zinsstatistik vom November, die heute veröffentlicht wurde. In Italien fiel die Differenz seit August von 2,0 auf 1,8 Prozentpunkte, allerdings stagniert sie seit zwei Monaten. In Spanien ging es zunächst von 2,8 auf 2,2 Prozentpunkte zurück, um dann wieder zu steigen – zuletzt lag der Abstand bei 2,4 Prozentpunkten.

130108 MittelfristigeEZZinsen

(linke Skala: Zinsen, rechte Skala: Variationskoeffizient)

Gut erkennbar ist die leichte Erholung auf der obigen Grafik. Die graue Fläche ist ein Maß für das Auseinanderklaffen oder die Streuung der Zinsen. (Für Fachleute: der Variationskoeffizient – definiert als Standardabweichung dividiert durch den Mittelwert der Zinsen in den großen Euro-Ländern).

Dieses Maß hatte die EZB bereits Anfang August herangezogen. Kurz nach der damaligen EZB-Sitzung hatte ich die Notenbank nach brauchbaren Indikatoren gefragt, aus denen sich die Fragmentierung oder Zersplitterung im Euro-Finanzsystem ablesen lasse. In ihrer Antwort, die sie später auch ins Netz stellten, bevorzugen die EZB-Fachleute allerdings eher die kurzfristigen Zinsen – also die bis zu einem Jahr gelten. Und hier zeigt sich eine ganz andere Wahrheit – eine sehr bittere sogar:

130108 KurzfristigeEZZinsenKlein

(linke Skala: Zinsen, rechte Skala: Variationskoeffizient)

Denn die Zinsen liegen für Mittelständler der Euroländer (kleine Neukredite bis 1 Mio. Euro) so weit auseinander wie noch nie seit Euro-Einführung – zu sehen wieder an der grauen Fläche. Grund: Während vor allem in Deutschland und den Niederlanden die Banken ihre Zinsen für neue Darlehen senkten, blieben sie in Spanien und Italien zuletzt nahezu unverändert. Bei kurzfristigen Krediten mit einem Volumen von mehr als 1 Mio. Euro sieht es nicht besser aus:

130108 KurzfristigeEZZinsenGroß

(linke Skala: Zinsen, rechte Skala: Variationskoeffizient)

Gut möglich, dass sich die Kreditzinsen in den nächsten Wochen und Monaten doch stärker annähern – ähnlich wie es auf den Staatsanleihemärkten seit Monaten zu beobachten ist. Bisher kommen die wohlgemeinten Worte der Währungshüter aber kaum in der Realwirtschaft an. Die Grafiken ergeben keine ermutigende Botschaft für die EZB. Von einheitlicher Geldpolitik ist der Euro-Raum noch immer meilenweit entfernt.

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  • Ulrich Fielitz

    Die Sache mit den Mittelstandskrediten stimmt. Da sind die EZB Niedrigzinsen nicht angekommen.
    Trotzdem haben die verschiedenen EZB Aktionen ziemlichen Erfolg gehabt: Beruhigung der extrem nervösen Kapitalmärkte.
    Und wichtig: Die südlichen Peripherieländer können sich wieder einigermaßen günstig finanzieren. Das dort nun 2013 eine deftige Rezession folgen wird, war aber schon vorher klar.

    Spannend: Wie geht es 2013 im Euroland konjunkturell weiter. Wo stehen wir Ende 2013, wo stehen da die Kapitalmarktzinsen. Wo stehen die Tagreg2-Salden der BUBa??
    Ulrich Fielitz

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