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Aufstand der Bundesbank nur vorerst verschoben?

Manchmal muss man selbst Geschichten in Medien wie verschrubelte Erklärungen von Notenbankern lesen. Die interessanten Stellen werden irgendwo am Ende versteckt, wenn die meisten Leser vermutlich schon lange ausgestiegen sind aus dem Artikel. In der aktuellen Ausgabe von „Der Spiegel“ kündigt die Titelgeschichte einen „Aufstand der Bundesbank“ an. Doch im Text selber und im anschließenden Interview mit Jens Weidmann ist davon kaum noch etwas zu spüren.

Wer weiß, vielleicht haben die Kollegen diese Informationen erst bekommen, als das Titelbild schon in den Druck gegangen war. Folgende Passagen wollen jedenfalls so gar nicht zu dem passen, womit das Magazin die Leser am Kiosk anlocken möchte. Auf Seite 72 berichten uns die Kollegen, wie Bundeskanzlerin Angela Merkel und Bundesbankchef Jens Weidmann sehr viel geredet haben in den vergangenen Wochen. „Das Resultat ist, dass sie vorerst eine Art Burgfrieden schließen.“

Und wie sieht dieser Burgfrieden aus?:

Weidmann, der sich selbst nicht isoliert sieht, wird seine Kritik am Draghi-Programm weiter öffentlich machen, aber er wird es vorerst nicht torpedieren. Er wird die EZB-Beschlüsse umsetzen und keine Klage beim Europäischen Gerichtshof einreichen. Im Gegenzug will Merkel Verständnis zeigen für Weidmanns Positionen, unterstützen aber wird sie ihn nicht.

Wenig später im Interview erleben wir die Kritik, die der „neue“ Weidmann nun weiter äußern möchte: Auf die Frage ob Draghis neue Konzepte, mit Anleihekäufen die Zinsen in Italien und Spanien zu senken, ob dieses Programm das Mandat der EZB überschreiten würden, sagt der Bundesbankchef:

Ich möchte jedenfalls vermeiden, dass die Geldpolitik unter die Dominanz der Fiskalpolitik gerät.

Ein Satz, den wohl jeder Notenbanker dieser Welt unterschreiben würde. Und auf die Frage, was Weidmann von Zinsobergrenzen hält:

Zinssätze für Staatsanleihen im EZB-Rat festzusetzen wäre für mich jedenfalls eine heikle Vorstellung.

Fundamentalopposition sieht jedenfalls anders aus. Es verfestigt sich der Eindruck, dass die Bundesbank durchaus pragmatisch reagieren kann, bei allen Zweifeln die sie an neuen und alten Anleihekäufen plagen. Wenn Weidmann im September dagegen stimmt, wird klar sein, dass die Bundesbank uns als Mahnerin erhalten bleibt. Sie wird wie bisher davor warnen, dass die Notenbanken die Probleme nicht grundlegend lösen und dass sie Gefahr laufen, neue Probleme zu schaffen. Eine durchaus berechtigte Sorge.

Und klar hat Weidmann absolut damit recht, dass wenn wir uns schon in Richtung einer stärkeren Vergemeinschaftung von Staatsschulden bewegen, wir einen neuen politischen Konsens und einen neuen Rahmen – „wie zum Beispiel eine echte politische Union“ – brauchen. Besonders dann, wenn die EZB noch die einzige ist, die den Euro retten kann.

Bleibt die Frage, was passiert, wenn die Politik im Euro-Raum sich nicht bewegt? Der Burgfrieden sei „vorerst“ geschlossen worden, schreibt „Der Spiegel“. Doch was passiert, wenn der Frieden nicht mehr gilt, zieht Weidmann dann vor den EuGH? Wie wird er dann die EZB „torpedieren“, falls die neue Aufkaufsumme auf einen „dreistellligen“ Milliardenbereich steigt, wie „Der Spiegel“ andeutet? Man kann es sich irgendwie nicht richtig vorstellen.

Bleibt zu hoffen, dass sich bewahrheitet, was die Befürworter der Anleihekäufe immer wieder sagen: Wenn die EZB glaubhaft vermittelt, wie und wann sie kauft, könnten die Beträge durchaus gering bleiben, die sie in die Hand nehmen muss, und alles wäre gut. Dann hoffen wir mal, dass Weidmanns butterweiche Äußerungen in dem aktuellen Interview helfen werden, Zweifel an der Entschlossenheit der EZB zu vertreiben.

[Update] Mark Schieritz sieht es ähnlich: Weidmann winkt Draghis Anleiheplan durch…

http://wirtschaftswunder.ftd.de/2012/08/26/butterweiche-bundesbank/

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