Vergesst den Wachstumspakt – es ist die Austerität, die nicht funktioniert!
Dirk Elsner hat eine Debatte in deutschen Blogs angestoßen, weil ihn die Austeritätsdebatte so sehr nervt (hier und hier). Sein Frust ist durchaus nachvollziehbar, nur ist er grundlegend falsch. (Siehe auch Wiesaussieht und Wirtschaftsphilosoph).
Es ist nun mal ein Unterschied, ob man die Wirtschaft aus der Sicht eines Unternehmens oder eines Privathaushalts betrachtet oder den Blick auf die Gesamtwirtschaft richtet. Private Schuldverhältnisse sind nun mal was anderes als gesamtwirtschaftliche Schulden. Da reicht es eben nicht aus, zu sagen, ich komme aus der Praxis (oder in Dirks Fall, dass er näher an der Praxis dran ist, als all die ganzen „Makrofritzen“…) und finde die ganze Debatte deswegen „wenig produktiv“ oder „entrückt von der Realität“.
Es sind eben zwei Seiten der Medaille und beide folgen sehr oft ihrer eigenen Logik. Eine Seite auszublenden ist weder für die Praktiker gut. Noch ist es für den Makrotheoretiker sinnvoll, betriebswirtschaftliche oder praktische Dinge auszublenden, wie es Dirk am Beispiel der Konjunkturprogramme der Bundesregierung ja durchaus richtig schildert. Genauso gefährlich ist es für Makroökonomen, die Finanzwirtschaft aus dem Denken auszublenden oder sie als primitive Spekulation zu brandmarken.
Klar, wird derzeit darüber diskutiert, ob wir in Europa einen Wachstumspakt brauchen. Das ist aber gar nicht der entscheidende Punkt. Ich bin da sogar auf der Seite von Daniel Gros, der sagt, in den vergangenen Jahren haben gerade die Randländer soviel in Infrastruktur investiert, die brauchen gar keine Konjunkturprogramme mehr…
Es geht um etwas anderes! Eigentlich dürften Regierungen in den Randstaaten jetzt eben überhaupt nicht sparen. Sie müssen es viel später tun.
Wenn es für ein Unternehmen oder einen Privathaushalt betriebswirtschaftlich richtig ist, keine Schulden zu machen, muss es nicht richtig sein, das 1:1 auf die Gesamtwirtschaft zu übertragen. Um es sehr vereinfacht zu sagen, wenn Unternehmen und Haushalte ihre Verschuldung abbauen (weil gerade eine Kreditblase geplatzt ist wie in Spanien), sie also sparen, dann muss und kann der Staat neue Schulden machen.
Das ist die einfache Arithmetik, die Stephan Ewald in seiner Antwort auf Dirk meint. Und ein Staat kann sich das sogar leisten, denn wenn Haushalte und Unternehmen in ihrer Gesamtheit sparen, wo sollen sie dann ihr Erspartes anlegen außer in Staatsanleihen ihres Staates? Das erklärt auch, weshalb in Japan die Zinsen seit Jahren so niedrig sind. Erst, wenn Unternehmen und Haushalte auf Kredit ihre Ausgaben erhöhen, ja dann muss und kann der Staat sparen.
Nun ist die Frage, weshalb erlauben die Investoren an den Kapitalmärkten es Ländern wie Deutschland, den USA, Großbritannien oder Japan, dass dort derzeit die Staatsschulden steigen und steigen, und nichts passiert. Dagegen müssen Spanien oder Italien ran, nur noch Sparen und Sparen, was die Wirtschaft in die Krise und möglicherweise sogar in die Depression drückt und schlussendlich den Vertrauensverlust nur noch mehr steigert und am Ende die Schulden noch stärker steigen lässt.
Gerade der Vergleich von Spanien und Großbritannien, den Paul de Grauwe immer wieder bringt, zeigt deutlich, dass es hier nicht unbedingt um Länder geht, die mehr oder weniger über ihre Verhältnisse gelebt haben. Beide Länder haben seit der Jahrtausendwende ähnliche Übertreibungen auf dem Immobilienmarkt erlebt.
Es geht darum, dass in Großbritannien über die eigene Währung und über die Notenbank im Rücken ein Mechanismus wirkt, der irgendwann immer eine Kapitalflucht stoppt. Im Euro-Raum hat nur Deutschland als größte Wirtschaftsmacht dieses Privileg. Auch Frankreich und die Niederlande werden davon nicht verschont bleiben, was Italien und Spanien jetzt erleben.
Was die Spanier, Italiener und Franzosen, was der Euro-Raum jetzt braucht, sind keine Wachstumspakete mit Kleckerbeträgen oder irgendwelchen Projektbonds, sondern eine Streckung der Sparziele. Dafür brauchen wir jedoch entweder Gemeinschaftsanleihen und höchstwahrscheinlich die EZB als Kreditgeberin der letzten Instanz für Staaten, um die Kapitalflucht zu stoppen.
Wie man in besseren Zeiten, die Staaten dazu kriegt, dass sie tatsächlich sparen, diese Frage wird dadurch natürlich nicht gelöst. Durch heftige Sparprogramme aber auch nicht, sie machen alles nur noch schlimmer – egal wie sehr sie sich jetzt in Frankfurt oder Berlin nach Jahrzehnten vergeblicher Müh darüber freuen, endlich Strukturreformen am Euro-Rand in Gang zu setzen.