Klotzen – nicht meckern: Wie Griechenland noch zu retten ist
Die bisherigen Pläne der Hellas-Helfer gehen nicht auf. Sie müssen mehr Geld locker machen – und es sinnvoller einsetzen. Die beste Lösung wäre, auf einen Schuldenerlass der privaten Gläubiger zu verzichten – ihnen dafür aber ein Investitionsprogramm abzuverlangen.
Eineinhalb Jahre nach Verabschiedung des ersten Rettungspakets für Athen stehen nicht nur die Griechen, sondern auch ihre Kreditgeber vor einem Scherbenhaufen. Die Rechnung von EU und Internationalem Währungsfonds (IWF) geht nicht auf. Mit einer Beteiligung der privaten Gläubiger wollten sie die Kosten des zweiten Hilfsprogramms auf 130 Mrd. Euro beschränken. Doch die angestrebte Senkung der Staatsschulden auf 120 Prozent der Wirtschaftsleistung bis 2020 ist damit nicht zu erreichen. Die Troika aus IWF, EU und Europäischer Zentralbank (EZB) rechnet mittlerweile mit 129 Prozent.
Geradezu lächerlich erscheint vor diesem Hintergrund, dass in den vergangenen Tagen über zusätzliche Einsparungen von 325 Mio. Euro geschachert wurde. Gemessen an der Dimension der griechischen Schulden ist das ein Kleckerbetrag. Um Griechenland zu retten, ist aber ein großer Wurf nötig.
Mein Vorschlag: Wir erhöhen das Rettungspaket auf 200 Mrd. Euro und zahlen damit alle privaten Gläubiger aus (also wirklich alle, außer Euro-Staaten, EZB und IWF). Dieses Geld muss Griechenland 30 Jahre später zurückzahlen. Im Gegenzug müssen sich Banken und Versicherungen verpflichten, davon 100 Mrd. Euro in einen Investitionsfonds einzuzahlen. Um sich gegen einen Ausfall abzusichern, müssten die privaten Gläubiger die restlichen 100 Mrd. Euro beispielsweise in 30-jährige Bundesanleihen investieren. Daraus werden mit Zinseszins nach 30 Jahren dann wieder 200 Mrd. Euro.
Für die privaten Gläubiger würde diese Lösung bedeuten, dass sie Griechenland zwar Kredite stunden, aber letztlich ihre gesamten Ausstände zurückbekommen. Das ist deutlich reizvoller als der gegenwärtig geplante Schuldenerlass, bei dem sie auf die Rückzahlung von 100 Mrd. Euro komplett verzichten müssten. Sie Summe verschwindet nicht einfach im Orkus der Geschichte, sondern wird für sinnvolle Sachen genutzt.
Auf ihre Anteile am Investitionsfonds bekommen die Anleger eine Verzinsung – allerdings erst dann, wenn Griechenlands Wirtschaft auch tatsächlich wieder wächst. Sie würde sich nach der nominellen Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts richten. Die an die Wachstumsraten gekoppelten Zinssätze würden auch für die Kredite der Euro-Staaten und die Staatsanleihen in den Büchern der EZB gelten. Besser noch wäre, sie verzichten für zehn Jahre komplett darauf.
Mit einem 100 Mrd. Euro schweren Investitionsfonds ließe sich Konjunkturprogramme und günstige Darlehen an die Firmen in Höhe von 50 Prozent des griechischen Bruttoinlandsprodukts finanzieren. Erst mit einem solchen Programm wird der von der Troika ab 2014 angestrebte Schuldenabbau realistisch. Nach ihren Plänen soll der griechische Staatshaushalt ab 2014 vor Zinszahlungen einen Überschuss ausweisen.
Die positiven Nebeneffekte: Da der Schuldenschnitt entfiele, müssten die griechischen Banken die Staatsanleihen in ihren Büchern nicht abschreiben. Damit bestünde keine Notwendigkeit mehr, große Teile des zweiten Rettungspakets allein für ihre Stabilisierung aufzuwenden. Sie könnten ihre Anteile am Investitionsfonds als Sicherheitspfand bei der EZB hinterlegen und dafür frische Liquidität von der Notenbank bekommen.
Auch Finanzinstituten in anderen europäischen Ländern würde die Lösung nützen. Viele von ihnen haben wegen der geplanten Halbierung der Zahlungsansprüche privater Gläubiger auf 100 Mrd. Euro ihre griechischen Staatsanleihen schon abgeschrieben. Bekämen sie nun 200 Mrd. Euro vom Euro-Rettungsfonds, ergäbe das einen Buchgewinn.
Einziger Nachteil: Der griechische Schuldenberg würde zunächst nicht sinken. Doch solange die Wirtschaft schrumpft, können sowieso keine sinnvollen Prognosen angestellt werden, wie sich die Schulden künftig entwickeln werden. Wichtiger ist deshalb, Wachstum zu schaffen.
Damit das funktioniert, müssten die Euro-Staaten sich darauf einlassen, dass Griechenland die 200 Mrd. Euro samt Zinsen erst ab dem Jahr 2042 tilgt. Der Zinsaufschub wäre aber der tatsächlich letzte Solidarakt der europäischen Staatengemeinschaft. Er wäre für Athen eine enorme Erleichterung, denn ohne Zinsen läge das Defizit in diesem Jahr bei lediglich 2 Mrd. Euro. Zum Vergleich: Noch im Jahr 2009 lag das Haushaltsloch vor Zinszahlungen bei 24 Mrd. Euro. Das macht deutlich, wie viel die Griechen in den vergangenen zwei Jahren gespart haben. Es wird Zeit, dass die Griechen dafür endlich einmal belohnt werden.
http://wirtschaftswunder.ftd.de/2012/02/17/klotzen-nicht-meckern/