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Meine Stimme aus Wien: Globale Wachstumssorge

Auf den Finanzmärkten macht sich extremer Pessimismus breit. Noch hat aber kaum jemand die USA und Europa bei seinen Konjunktursorgen auf dem Radar. Anleger fürchten derzeit, Chinas Wirtschaft könne deutlich weniger wachsen als bislang und damit den Rest Asiens sowie Schwellenländer anstecken, die sehr stark vom Rohstoffexport abhängen.

Gut möglich, dass sich diese Sichtweise als völlig übertrieben erweisen wird und sich die Aktienkurse weltweit bald stabilisieren, mit Ausnahme von China vielleicht, wo gerade eine Blase platzt. Als Pekings Notenbank vor zwei Wochen zuließ, dass ihre Währung, Renminbi, rund drei Prozent zum US-Dollar billiger wurde, löste dies heftige Abwärtsbewegungen bei den Devisen von Schwellenländern aus – vor allem im fernen Osten Europas, in Asien und Lateinamerika.

Doch wer allein auf die Schwellenländer schaut, kann leicht übersehen, dass sich die Konjunkturaussichten auch in Europa und den USA eintrüben. Sicher, derzeit gibt es keinen Grund zur Panik, doch stimmen einige Signale zumindest nachdenklich. So sank der weniger bekannte, vom Markit-Institut erhobene Einkaufsmanagerindex für die US-Industrie (pdf) im August auf den niedrigsten Stand seit Oktober 2013. Bereits im zweiten Quartal schwächte sich das Wachstum privater Nettoinvestitionen spürbar ab. Der Dollar wertet ohnehin gerade ab, wobei Europa und Japan die Hauptlast tragen.

Auch in Deutschland hat der Trend bei den Nettoinvestitionen gedreht, die operativen Gewinne sanken bereits im ersten Quartal. Zuversichtlich stimmt derzeit noch, dass die Firmen im Frühjahr deutlich mehr Investitionsgüterbestellungen aus dem Ausland bekamen.

So ist es nicht auszuschließen, dass hinter den Börsenturbulenzen globale Wachstumssorgen stecken, die auch bald Europa und die USA erreichen. Da es sich dabei aber um zyklische Abschwünge handelt, wäre es ratsam, wenn die Notenbanken diesmal ihr Pulver trocken hielten, neue Runden von Anleihekäufen dürften eher verpuffen. Angesichts einer Jugendarbeitslosigkeit von 50 Prozent im Süden Europas sollten sich die Eurostaaten aber schleunigst überlegen, ob und wie sie bei einem Wirtschaftseinbruch mit Ausgabenprogrammen oder anderen Konjunkturstützen reagieren werden.

Dieser Beitrag beruht auf meinem Leitartikel im Wirtschaftsblatt vom 25. August 2015.

Foto:Flickr/shankar s./(CC BY 2.0)
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