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Es gibt noch einen Grund für eisernen Optimismus am deutschen Aktienmarkt

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Für alle, die durch den Nebel der kurzfristigen Schwankungen am Aktienmarkt hindurchschauen wollen: Ich hatte bereits im Dezember ein schönes und einfaches Modell präsentiert. Es zeigt die Marktkapitalisierung in Deutschland der nichtfinanziellen Unternehmen im 12-Monatstrend. Dass der deutsche Aktienmarkt schon lange im Abwärtssog steckt, dürfte kein Geheimnis mehr sein. Bemerkenswert an diesem Modell scheint jedoch, wie die Marktkapitalisierung offensichtlich mit den realwirtschaftlichen Größen der gelisteten und nichtgelisteten Unternehmen in Deutschland zusammenhängt. Zumindest seit 1999 – weiter reichen die Bundesbank-Daten leider nicht zurück.

Wie schon damals im Dezember vermutet, stellt sich jetzt also heraus: Die Nettowertschöpfung des gesamten nichtfinanziellen Unternehmenssektors wirkt tendenziell als Grenze nach oben (schuldenfinanzierte Übertreibungen wie im Jahr 2000 eingeschlossen). Beim Zwischendip ab Mitte 2011 war diese Grenze dagegen noch lange nicht erreicht und so ging es nach einem kurzen Rücksetzer samt Kurzrezession Ende 2012/13 (in der ich übrigens meinen Job verloren habe) noch munter weiter. Bis die Nettowertschöpfung Ende vorigen Jahres fast gerissen wurde. Mittlerweile sinkt die Marktkapitalisierung bereits den sechsten Monat in Folge. Nun sollten wir an Aktienmärkte keine hochwissenschaftlichen Maßstäbe ansetzen, ohnehin können wir dieses Modell auch nicht auf den US-Markt mit seiner außerordentlichen Konzentration von global rund 40 Prozent der Marktkapitalisierung anwenden. (Dafür vergleichen Großinvestoren wie Warren Buffett die Marktkapitalisierung in den USA eher mit der Bruttowertschöpfung oder dem Bruttoinlandsprodukt, hier jedoch leider nicht im 12-Monatstrend…)

 

In Deutschland können wir für diesen sehr kurzen Zeitraum seit 1999 immerhin erkennen, wie sich Parallelen zur Dynamik in der Realwirtschaft auftun: Im Aufschwung steigt die Gewinnsumme prozentual schneller als die Lohnsumme und der Aktienmarkt vollzieht genau diese Bewegungen nur eben gehebelt mit. So dass wir schön beobachten können, wie die Marktkapitalisierung beständig um die Lohnsumme schwankt – mit stärkeren Übertreibungen nach oben und geringeren nach unten. Und immer noch scheint dieses Modell also intakt.

 

Falls der Aktienmarkt seit Anfang 2016 also eine nahende Rezession in Deutschland signalisiert, hat das aber weniger mit düsteren Vorahnungen der Investoren zu tun. Denn vieles an den Finanzmärkten lässt sich am Ende auf die Mittelzuflüsse zurückführen – alle anderen psychologischen Deutungen des Marktgeschehens überlassen wir ohnehin lieber den kurzfristigen Analysen. Und die Mittelzuflüsse finden nun einmal ihre wichtigste Quelle in den operativen Gewinnen der Realwirtschaft. Leser dieses Blogs wissen es ja schon: Die Profitabilität in den USA sinkt bereits seit 2014 von einem exorbitant hohem Niveau. In Großbritannien geht sie seit 2015 zurück und in Deutschland stagnierte die Gewinnsumme Anfang dieses Jahres – wenn wir die gleitenden 12-Monatssummen betrachten. Der Quartalswert der Profitabilität lag von Januar bis März sogar erstmals seit langem auf Jahressicht sogar wieder im Minus.

 

Wie der Chart oben auch sehr gut zeigt, fehlen noch immer die Daten zum deutschen Bruttoinlandsprodukt aus dem Frühjahr. Das wird bis Ende August auch noch so bleiben, bis alle Details veröffentlicht werden. Gleichwohl können wir noch schnell einen Blick auf die Konjunkturimpulse werfen, wie sie sich bis zum ersten Quartal entwickelt haben. D.h. die Entwicklung der Investitionsquote, der Gewinnquote und der Kreditzuflüsse (die ich hier für die USA bereits aus der Versenkung geholt hatte). Noch trägt der Kreditimpuls offenbar maßgeblich dazu bei, die Investitionen in Deutschland über Wasser zu halten, genau wie die Fiskalimpulse durch die gewachsenen Flüchtlingsausgaben.

Worauf sollten wir also in den nächsten Wochen und Monaten achten? Einerseits könnte die Gewinnquote auch im längerfristigen Trend im Frühjahr bereits gesunken sein. Der noch immer äußerst positive Kreditimpuls hat zumindest schon einmal seine Richtung gewechselt, was aber bei der üblicherweise zurückhaltenden Kreditaufnahme in Deutschland sehr rasch in einen negativen Impuls münden kann. Besonders wenn die Profitabilität und am Ende auch die Gewinne absolut und auf längere Sicht zurückgehen. Bislang scheint es jedenfalls nicht so, als ob die EZB mit ihren Anleihekäufen die hier betrachteten empirischen Zusammenhänge zwischen Aktienmarkt und Realwirtschaft irgendwie außer Kraft setzen kann.

Wer aber nun meint, es gebe bei aller Schwarzmalerei keinen Grund mehr, optimistisch in die Zukunft zu blicken, dem sei eins gesagt: Immer wenn Deutschland seit 1999 in eine Rezession schlitterte, passierte etwas Wunderbares mit dem 1. FC Union. 2001 erreichte die Berliner Fußballmannschaft das Finale im DFB-Pokal, sie stieg erstmals in die 2. Bundesliga auf und spielte sogar später im UEFA-Pokal. 2008, wieder gab es eine Rezession, schaffte Union nach einem sportlichen Rückfall den Aufstieg in die 3. Liga und gleich darauf 2009, die Wirtschaftskrise war noch immer nicht überwunden, den Aufstieg in die 2. Bundesliga.

storche

Und wehe jemand behauptet, diese Korrelation sei nicht streng wissenschaftlich erwiesen und hätte etwas mit Störchen und Babys zu tun. Für alle Union-Fans also könnte das nächste Jahr in der Tat viel versprechend werden, falls es wirtschaftlich im Land bergab gehen sollte. Aber irgendwann geht’s vermutlich auch wieder aufwärts mit der 1. Bundesliga sowieso.

 

In diesem Sinne: Eisern U.N.V.E.U.

Foto: Flickr/Sascha Kohlmann/(CC BY-SA 2.0)
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