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Wie der Kredit eine Rezession aufschieben aber niemals aufhalten kann

Wie konnte ich nur solange den Kreditimpuls vergessen. Erst in den beiden vorherigen Blogbeiträgen bin ich durch einen Report von Albert Edwards wieder darauf gestoßen, dass wir uns die Verschuldung der amerikanischen Unternehmen immer sehr konkret anschauen müssen. Womit wir quasi zu den Ursprüngen dieses Blogs von Anfang 2013 zurückkehren. Denn die Verschuldung in den USA entwickelt derzeit eine Eigendynamik, die sich von anderen Konjunkturtreibern wie der Profitabilität und den Investitionen bereits erheblich abkoppelt.

Während die Gewinne und die Neuinvestitionen sinken, schaffen die Firmen noch immer Monat für Monat unter dem Strich neue Jobs – wenngleich zuletzt etwas weniger. Und wenn jede neue Stelle in den USA dabei im Durchschnitt logischerweise weniger profitabel für die Unternehmen wird, drückt sich genau darin eine typische Krisentendenz aus. Es ist eine Krisentendenz, die die gesamte US-Ökonomie erfasst hat, sich bisher vor allem in der Industrie zeigt, die aber nur für 10 Prozent der Wirtschaftsleistung steht.

Albert Edwards ist so etwas wie das Krisenorakel der Société Générale, der dort seinen „Alternative View“ auf die Anlagestrategie verbreiten darf. Seine Vorhersagen zu den Finanzmärkten mögen zwar viele verschrecken, sein empirischer und klarer Blick auf volkswirtschaftliche Zusammenhänge ist jedoch sehr erfrischend und erhellend, ähnlich wie derzeit bei den US-Ökonomen von der Deutschen Bank in New York, um nur einige zu nennen. Die empirische Betrachtung ähnelt dabei genau dem, was ich hier im Blog verfolge: Wir müssen uns immer die Entwicklung der Profite bei den Unternehmen anschauen, leuchten sie grün, sollten eigentlich auch die Investitionen in den Kapitalstock wachsen.

Dieses Zusammenspiel scheint wesentlich dafür zu sein, warum es mit der Konjunktur aufwärts- oder abwärtsgeht. Genauso wichtig ist es aber zu untersuchen, warum die Investitionen selbst dann noch wachsen können, wenn die Gewinne längst schrumpfen. Oder warum wachsende Gewinne mitunter nicht ausreichen, damit es auch mit den Investitionen aufwärtsgeht (gerade in Deutschland bis 2005 können wir ein Lied davon singen und wir kennen auch die Ursachen dafür: die Lohndrückerei und den Schuldenabbau der Firmen).

Dass ich den Kreditimpuls hier im Blog solange „vergessen“, ihn mir immer nur sehr sporadisch angeschaut habe, hat schon etwas Ironisches an sich. Denn seit zwei Jahren beschäftige ich mich hier im Blog fast nur noch mit den realen Konjunkturimpulsen. Hätte ich mir den Kreditimpuls doch nur häufiger angeschaut, wären mir wahrscheinlich einige kurzfristige Fehleinschätzungen erspart geblieben. (So hatte ich anfangs geglaubt, dass die nachlassende Profitabilität seit 2014 viel schneller auf die Investitionen durchschlägt). Fast könnte man meinen, ich hätte mich von diesen Ökonomen inspirieren lassen, die das Geld komplett ausblenden. Was jetzt natürlich nicht großartig weiterhilft, um die dynamischen Abläufe in modernen Volkswirtschaften zu verstehen.

Gut, holen wir etwas länger aus, um dann später zum Kreditimpuls zu kommen. Das scheint mir nach einigen Diskussionen der vergangenen Wochen angebracht. Leser, die wissen, was ich mit den realen Konjunkturimpulsen vor allem durch die Investitionen meine, können gleich weiter runterscrollen. Die Stelle ist rot markiert.

Das Ironische liegt darin, dass ich die empirisch-realen Konjunkturimpulse im Prinzip genauso messe, wie Thomas Mayer (damals noch bei der Deutschen Bank) zusammen mit Michael Biggs und Andreas Pick den Kreditimpuls errechnet haben. Genau durch diesen Ansatz kam ich damals überhaupt auf die Idee: Wir schauen uns zum Beispiel die Bestandteile des Bruttoinlandsprodukts (Privatkonsum, Staatsausgaben, Außenhandelssaldo, Abschreibungen, Nettoanlageinvestitionen, Veränderungen der Lagerhaltung) an – jeweils im Verhältnis zu den volkswirtschaftlichen Einkommen und Ausgaben, also wiederum dem Bruttoinlandsprodukt oder auch Nettoinlandsprodukt. Wir sortieren einfach die statistisch-gemessene Wirklichkeit und setzten sie ins Verhältnis durch die simple und banale Prozedur des Dividierens.

Egal, mit welcher theoretischen Erklärung im Hinterkopf wir die Wirtschaft auch betrachten mögen, sollten wir doch an solch einfachen Hilfsmitteln nicht vorbeikommen. Denn erst sie machen es überhaupt möglich, dass wir wesentliche von unwesentlichen Triebkräften des Wirtschaftsgeschehens unterscheiden können. Die Triebkräfte, die jede Theorie, jedes Modell am Ende eben erklären sollte. Jede sinnvolle Beschreibung der Realität bietet überhaupt erst die Grundlage dafür, dass wir unsere falschen und richtigen Schlüsse aus ihr ziehen können. Wenngleich jede Beschreibung nie ohne theoretische Überlegungen erfolgt, sollte jede Denkschule den Anspruch haben, die Realität aus jedem sinnvollen Blickwinkel erklären zu können.

Und die volkswirtschaftlichen Quoten oder Verhältnisse bieten eine Basis, die wir immer beobachten können, zu der wir immer wieder zurückkehren, selbst wenn wir zum Beispiel Fehleinschätzungen treffen – unabhängig davon, auf welche Art und Weise wir die Wirtschaft interpretieren. Noch besser: Sie erlauben uns im Gegensatz zu den ebenfalls simplen Prozentveränderungen überhaupt erst eine dynamische Betrachtung des Geschehens im Zeitablauf: Jede volkswirtschaftliche Größe, die im Aufschwung schneller wächst als das Einkommen kann als wesentliche Triebkraft der Konjunkturentwicklung identifiziert werden, ohne dass wir auch nur ein einziges theoretisches Modell bemühen müssen.

Jede richtige Beschreibung des Konjunkturverlaufs macht ihn anschaulich auch für alle interessierten Menschen, die nicht so tief drin stecken in der ökonomischen Wissenschaft bzw. Konjunkturforschung. Oder die, wie wir Wirtschaftsjournalisten, wenig Zeit finden, nach Erklärungen zu forschen. Und so bietet eine sinnvolle Beschreibung immer auch eine wunderbare Grundlage, mit der wir Journalisten zum Beispiel Volkswirte an den Unis, in den Instituten oder den Banken konfrontieren können, um sie nach einer Erklärung des Wirtschaftsgeschehens zu befragen. Passen zum Beispiel die theoretischen Erklärungsmodelle überhaupt nicht zu dem, was wir beobachtet und richtig beschrieben haben, dann ahnen wir vielleicht, dass der Ökonom, mit dem wir reden, sich mit seiner Theorie auf dem Holzweg befindet. Oder unser Beschreibungsfilter einfach falsch konstruiert ist.

Dass wir mit den volkswirtschaftlichen Quoten oder Verhältnissen aber einen richtigen Beschreibungsfilter gefunden haben, merken wir daran, dass wir sie erstens immer messen können. Und zweitens haben sie eine interessante Eigenschaft: Wenn die Summe aller Teile das Ganze des Einkommens ergeben, so ergeben die absoluten Quotenänderungen in der Summe immer null. Geben die Bürger eines Landes ihr Einkommen nur für Konsumprodukte und Investitionen aus, sinkt der Anteil des Konsums am Einkommen um einen Prozentpunkt, wenn der Investitionsanteil um einen Prozentpunkt steigt. Das ist ganz einfache mathematische Logik, die immer gilt und damit immer richtig ist, denn sie ist einfach nur eine Tautologie, die noch rein gar nichts erklärt.

Auch die Finanzierungssalden der einzelnen Sektoren einer Volkswirtschaft ergeben immer null, denn jedem Schuldner steht einem Gläubiger gegenüber. Wieder haben wir einen tautologischen Beschreibungsfilter vor uns, der einfach immer gilt. Oder: Die einzelnen Wachstumsbeiträge der Teile des Bruttoinlandsprodukts ergeben immer das gesamte Wachstum des Bruttoinlandsprodukts – noch so ein simpler und einfacher Betrachtungsfilter. Nehmen wir wiederum das Nettoeinkommen eines Landes (also ohne Abschreibungen), wissen wir natürlich, dass es vor allen Steuern und Abgaben, vor aller Umverteilung also, sich aufteilt in die Gewinnsumme (inklusive Zinsen) und die Lohnsumme. Sinkt die Gewinnquote, steigt logischerweise die Lohnquote und anders herum.

Es sind diese simplen tautologischen Zusammenhänge, die die Ökonomie nie aus dem Blick verlieren darf. Denn sie geben den Rahmen vor, in dem sie ihre innere Logik herleiten muss, bei aller theoretischer Konstruktion (z.B. durch Annahmen), die Ökonomen beim Theorisieren vornehmen. Schließlich haben wir es in der Ökonomie mit menschlichem Verhalten zu tun, das beschrieben und erklärt werden soll. Aber dieses Verhalten bewegt sich eben in Grenzen, die die Menschen in der Gesellschaft niemals überschreiten können. Lohnquote und Gewinnquote können zum Beispiel niemals gleichzeitig steigen, das wäre dann einmal eine ganz einfache dieser objektiven Grenzen – eine Binsenweisheit natürlich.

Eine tautologische Beziehung kann uns also nichts erklären, sondern immer nur beschreiben. Eine Beschreibung und Systematisierung der Kategorien liefert natürlich erst die Grundlage jeder Wissenschaft, sie ist aber noch keine Wissenschaft. Steigende Konsumausgaben können keine Erklärung für das steigende Einkommen abgeben, genau wie der steigende Einkommen uns nicht erklären kann, warum der Konsum steigt, wenn wir zuvor das Einkommen in verschiedene Ausgabengrößen, zu den ja der Konsum gehört, unterteilt haben. Selbst dann nicht, wenn die Konsumausgaben die einzigen Ausgaben sind, die überhaupt wachsen. Auch die Inflation kann nicht durch die Lohnstückkosten erklärt werden, wenn wir zuvor die Inflation in Lohninflation und Gewinninflation zerlegt haben. Genau wie eine steigende Gewinnquote nicht damit erklärt werden kann, dass die Lohnquote sinkt. Auch ein Leistungsbilanzüberschuss (neue Schulden des Auslands) wird nicht durch das Sparen der inländischen Sektoren (neue Vermögensforderungen des Inlands) erklärt, sondern einfach nur beschrieben.

Allerdings kann eine Wissenschaft oder Konjunkturanalyse untersuchen, wie und warum sich bestimmte Größen aus unterschiedlichen empirischen Betrachtungswinkeln oder Beschreibungsfiltern zueinander verhalten, wenn sie in keiner tautologischen Beziehung zueinanderstehen. Sie kann zum Beispiel zunächst beschreiben und dann untersuchen, wie die Entwicklung der Investitionsquote mit der Bewegung der Gewinnquote und damit mit der Lohnquote zusammenhängt. Denn realistischerweise gehen wir davon aus, dass private Unternehmen in einer kapitalistischen Marktwirtschaft immer nur dann investieren, wenn durch diese Ausgaben ihre Gewinne steigen, sie genau deswegen beständig versuchen, ihre Marktanteile zu erweitern, um nicht im Vergleich zu Konkurrenten ins Hintertreffen zu geraten. Sie deswegen eine Zeit lang selbst bei sinkenden Gewinnen und Gewinnerwartungen noch weiter investieren und Jobs aufbauen können. Sollte diese Motivation, dieser Antrieb, auf längere Sicht einmal verschwinden, leben wir vermutlich auch nicht mehr in einer kapitalistischen Gesellschaft, die uns in ihren inneren Zusammenhängen hier aber interessiert.

Auch das Bruttoinlandsprodukt an sich, also unser Einkommen, steht in keinem tautologischen Zusammenhang zum Beispiel mit der Investitionsquote oder der Konsumquote, wenn wir die Veränderung aller Quoten dynamisch im Zeitverlauf betrachten. Das macht ihre Betrachtung so außerordentlich interessant, weil sie sowohl zur Beschreibung als auch zur Erklärung der Wirtschaftsdynamik dienen kann. Alle auf die Weise ermittelten Konjunkturimpulse ergeben in der Summe immer null und niemals die Wachstumsrate des Bruttoinlandsprodukts. Das Wachstum des Bruttoinlandsprodukts setzt sich dagegen zusammen aus dem Wachstum der Investitionen, des Konsums und aller anderen Teile (tautologisch), aber niemals aus der Veränderung der Investitionsquote, der Konsumquote, der Exportquote oder Staatsquote.

Die absoluten oder prozentualen Wachstumsbeiträge aller Teile des Ganzen liefern natürlich auch eine sehr sinnvolle Beschreibung, nur eben keine Grundlage für die Erklärung des Wirtschaftsgeschehens. Für Prognosen der Konjunkturforschung während eines Aufschwungs können sie sogar überaus nützlich sein. Ein anderes Beispiel: Die Arbeitslosigkeit steht natürlich in keinem tautologischen Zusammenhang zur Inflation. Suchen wir jedoch nach einem empirischen oder sogar theoretischen Zusammenhang zwischen beiden Größen, wissen wir natürlich, dass dieser Zusammenhang nur sehr schwach sein kann. Denn die Inflation an sich schafft keine Jobs. Arbeitsplätze werden von den Unternehmen erhalten und geschaffen, indem sie investieren oder ihre Kapazitätsauslastung steigern.

Wenn wir also überhaupt etwas objektiv erklären wollen, dann bietet es sich auf jeden Fall an, zunächst die Veränderungen der Investitionsquote, der Konsumquote, der Exportquote, der Staatsausgabenquote usw. mit der Veränderung des Bruttoinlandsprodukts zu betrachten und zu vergleichen. Auf der reinen Betrachtungsebene brauchen wir dafür natürlich noch keine einzige Annahme über das Verhalten der Wirtschaftakteure, noch darüber welche Erwartungen sie prägen. Dies kommt erst im nächsten Schritt, wenn wir systematisch erklären wollen, wie alle ökonomischen Kategorien miteinander zusammenhängen. Zunächst beobachten wir aber einfach nur die objektiven Zusammenhänge, die uns die Theorie oder Wissenschaft erklären sollte.

Es war recht amüsant zu sehen, wie Gerald Braunberger, der Finanzressortleiter der FAZ, neulich in einer Diskussion auf Twitter allein schon diese objektiv-beschreibende Darstellung als unbrauchbar abqualifizierte, einfach deswegen, weil sie keine Erwartungen enthält und jede darauf aufbauende Theorie angeblich unterstellt, dass Menschen Maschinen seien (die Stellen, wo menschliches Verhalten in diesem Text bislang beschrieben wurden, kann gerne jeder selber zählen). Wenngleich natürlich jeder Versuch der daraus folgenden theoretischen Erklärung, wie auch dieser hier, nicht unbedingt der Weisheit letzter Schluss sein muss und sich trefflich darüber streiten lässt, wie sinnvoll jede Erklärung ist.

Braunberger, ein ausgezeichneter Chronist der akademischen und institutionellen Volkswirtschaftslehre, täte wie jeder Ökonom natürlich immer gut daran, ab und zu seine theoretische Brille abzusetzen und zu schauen, was er da eigentlich beschreiben und untersuchen möchte. Vermutlich gibt es selbst in der akademischen Volkswirtschaftslehre kaum jemanden wie Braunberger, der so rigoros seine eigene Modellwelt verteidigt. Anders ist nicht zu erklären, wie er zu dem Schluss kommen kann, dass die empirischen und erheblichen Schwankungen des Kapitalaufbaus und des Einkommens irrelevant sein könnten.

Ohnehin für mich eine schockierende Aussage. Denn genau diese Schwankungen sollte doch die Ökonomie untersuchen, wenn sie eine realistische Wissenschaft sein will, sie sollte analysieren, wie wir durch genau diese Schwankungen unsere Jobs verlieren können. Oder was passiert, wenn der Kapitalaufbau ganz aufhört, ob wir dann womöglich in eine schmerzhafte Depression wie in den 1930er Jahren fallen können, wie es die historisch-empirische Erfahrung nahelegt. Gerne lasse ich mich aber von Ökonomen jedweder Denkschule vom Gegenteil überzeugen, dass ein schrumpfender Kapitalstock ökonomisch noch nicht das Schlimmste (sogar schlimmer als Krieg) sei, was einer Marktwirtschaft jemals passieren kann, was um jeden Preis vermieden werden muss.

Solange das ausbleibt, ist es für mich einfach nur erschreckend, wenn Braunbergers Irrelevanz-These tatsächlich das Ergebnis der Volkswirtschaftslehre der vergangenen Jahrzehnte sein sollte, die sich in deutschen Redaktionsstuben festgesetzt hat. Denn wie wir beim Kreditimpuls gleich noch sehen werden, kann sich eine schwere Rezession wie ab 2008 vielleicht doch immer noch wiederholen. Dazu muss man aber verstehen und zumindest richtig beschreiben, wie sie überhaupt zustande kommt.

Ob dafür die an den Unis gebräuchlichen Gleichgewichtspfade nützlich sind, bleibt eine andere Frage. An der Ermittlung stochastischer, also zufälliger Schocks, die von einem theoretischen Gleichgewichtspfad wegführen mögen, kann zumindest stark gezweifelt werden, wenn man sich zuvor nicht einmal die empirisch und objektiv gemessenen Konjunkturimpulse angeschaut hat. Welchen Sinn ergibt es, sich theoretische Impulse (also diese zufälligen Schocks) auszudenken, wenn wir die echten Impulse in der Empirie und selbst die heftigsten Marktbewegungen sehr gut messen können. Das Potenzialwachstum, das in vielen gängigen VWL-Modellen so wichtig ist, lässt sich zum Beispiel überhaupt nicht beobachten oder statistisch messen, sondern nur abschätzen. Es ist einfach nur ein theoretisches Konstrukt, mit denen natürlich jede Wissenschaft arbeiten muss.

Gleichwohl liegt die Vermutung nahe, dass trotz allen Anspruchs es sich bei den hochkomplizierten Makromodellen, die auch die Notenbanken heutzutage benutzen, am Ende einfach nur um Beschreibungsmodelle handelt, die noch nicht einmal realistisch sind. Es bleibt oft unklar, ob diese Modelle überhaupt die empirische Wirtschaftsentwicklung erklären oder einfach nur ihre eigenen theoretischen Voraussetzungen bestätigen wollen. Unklar bleibt auch, warum die Inflation oder Zinsen so eine große Rolle in diesen Modellen spielen und weshalb die dynamische Entwicklung der Profitabilität eher untergeht – und oftmals nur statisch als Gleichgewichtsbedingung herhalten darf, wenn ich das richtig sehe. Auch hier lasse ich mich gerne vom Gegenteil überzeugen.

Unser individuelles Verhalten und unsere subjektiven Erwartungen bringen immer wirtschaftliche Ergebnisse hervor. Alle Annahmen darüber sind aber nur sinnvoll, wenn sie die empirisch-gemessenen Konjunkturimpulse oder andere sinnvolle Beschreibungen der Wirklichkeit erklären können. Daher ist es so wichtig für jeden Wirtschaftswissenschaftler, Konjunkturanalysten oder Berichterstatter solche Beschreibungsfilter zunächst einmal richtig zu identifizieren und zu beschreiben, um sie dann, wenn möglich, theoretisch aus dem gesellschaftlichen Verhalten der Wirtschaftsakteure mit all ihren psychologischen Motiven erklären zu können oder erklären zu lassen. Erst dann ergibt eine Kategorisierung und Analyse des Verhaltens und der Erwartungen überhaupt einen Sinn, finde ich.

Erst auf dieser Grundlage lässt sich auch ermitteln, was durch objektiv-ökonomische Grenzen der Entwicklung erklärt werden kann und wie diese Grenzen die subjektiv-individualistischen Interaktionen der Wirtschaftsakteure bestimmen können. Auch die Frage, ob und wie die individuelle Einsicht in eine Erklärung oder Beschreibung des Wirtschaftsgeschehens wiederum auf das Wirtschaftsgeschehen selber zurückwirkt, kann dann erst geklärt werden. Dazu darf ein unbefangener Wissenschaftler natürlich keine Allergie bei dem Gedanken bekommen, unser Handeln könnte auch von objektiven Bewegungsgesetzmäßigkeiten und Grenzen bestimmt sein, wie es Rüdiger Bachmann neulich auf Facebook so schön ausgedrückt hat. Denn woher weiß er denn, dass es diese Gesetzmäßigkeiten, die für jede Wissenschaft so wertvoll sind, in der Ökonomie nicht existieren?

Hier geht es nun in wenigen Absätzen gleich weiter mit dem Kreditimpuls:

Doch solche theoretischen Gedankenspiele werde ich vielleicht im nächsten Blogbeitrag vertiefen, wenn ich das hier betrachtete Beschreibungsmodell der Konjunkturimpulse noch einmal ausführlicher herleiten werde. Hier wollen wir uns zunächst weiterhin auf die Beschreibungsebene konzentrieren, d.h. wir beschreiben die wichtigsten Konjunkturimpulse: Leser dieses Blogs wissen es ohnehin bereits, dass im Aufschwung immer die Nettoinvestitionen (oder auch Neuinvestitionen) in den Kapitalstock schneller wachsen als das Gesamteinkommen. Es ist in der Grundtendenz nur in Ausnahmefälle (z.B. Deutsche Einheit) der Konsum.

Das haben wir zum Beispiel hier und hier gesehen und die Rolle der Investitionen werden wir gleich noch öfter in den Charts erkennen können. Daraus lässt sich bereits folgern, dass der Sparakt als Voraussetzung für die Investitionen in einer Volkswirtschaft immer nur dynamisch zu fassen ist, durch eine sinkende Konsumquote und steigende Investitionsquote, wobei sowohl Investitionen als auch Konsum absolut steigen müssen, damit das Einkommen insgesamt wächst. Steigen durch einen historischen Zufall beide Quote gleichzeitig, müssen die anderen Quoten (tautologisch) sinken, also die Staatsquote und/oder der Außenhandelssaldo (der sich dabei in einen Importüberschuss verwandeln kann und damit den Kapitalaufbau im Ausland antreibt).

Allein aus dieser richtigen Beschreibung der Wirklichkeit wissen wir damit, dass die entscheidende Veränderung (das sind die Nettoinvestitionen) des Kapitalstocks aus Maschinen, Anlagen, Geräten, Gebäuden usw. maßgeblich die Entwicklung unseres Vorsteuereinkommens, der Gewinne (inklusive Zinsen usw.) und Löhne bestimmt. Es ist eine simple empirische Tatsache, die wir immer wieder beobachten können: Nicht die Befriedigung unserer Konsumbedürfnisse kann daher als zentrales Motiv der kapitalistischen Marktwirtschaft, allen Verhaltens der Wirtschaftakteure, herhalten, sondern einzig und allein der Kapitalaufbau. Die Konsumnachfrage dient immer nur als Mittel zum Zweck für den Kapitalaufbau. Was sich auch darin bestätigt, dass bei fehlendem Investitionsimpuls aufgrund lahmer Inlandsnachfrage, ein Land wie Deutschland Anfang der 2000er Jahre in einer Stagnation versinkt. (Haben wir hier nicht genau die objektive Gesetzmäßigkeit gefunden, die als fundamentale Grundannahme jeder theoretischen Erklärung dienen sollte?)

Was können wir noch beobachten, was uns die Ökonomen erklären sollten? Dass der Kapitalaufbau im Aufschwung auch noch fortlaufend beschleunigt wächst: Jahr für Jahr wird noch mehr investiert als ein Jahr zuvor. Das sehen wir daran, dass die Nettoinvestitionsquote bei wachsendem Einkommen ebenfalls wächst. Oder anders ausgedrückt, solange die Nettoinvestitionsquote eine positive Änderung aufweist, zeigt sich darin, dass sich der Kapitalaufbau nochmals beschleunigt hat. Diese Beobachtung ist so elementar, dass sie allein schon vermuten lässt, die Investitionen seien durch den Herdentrieb der Konkurrenz geleitet, die eben zu dieser Beschleunigung führt. Weil jedes Unternehmen beständig versucht, seinen Marktanteil zu erweitern und seine Produktivität zu steigern, wobei selbst die Höhe der Zinsen (haben wir noch welche?), die Preissteigerungen oder selbst vorübergehend sinkende Gewinne bei den individuellen Investitionsentscheidungen in den Hintergrund rücken können.

Die Aufgabe der Theorie könnte und sollte dann darin bestehen, in ihrer Verhaltensforschung immer besser zu verstehen, ob dem so ist, wie und warum die Beschleunigung des Kapitalaufbaus abläuft. Ob sich dahinter vielleicht sogar die zentrale Impulsdynamik des Konjunkturverlaufs überhaupt verbirgt – neben all den anderen Schocks (z.B. Ölpreis, Währungen), die eine Volkswirtschaft noch erschüttern können. Für eine zentrale Impulsdynamik spricht natürlich, dass in jedem Zyklus oft ganz andere Finanzmarktschocks auftreten können, die Investitionsdynamik aber gleichzeitig in regelmäßigen, mehr oder weniger langen Schüben abläuft, die immer wieder von Krisen unterbrochen wird.

Was fehlt in unserem Modell also noch, um den Konjunkturverlauf zu beschreiben? Bisher hatten wir nur das laufende Einkommen betrachtet, und was sein Wachstum antreibt: die Nettoinvestitionen, die im Aufschwung schneller wachsen als das Einkommen. Es liegt also nah, dass dies nur über den Kredit passieren kann, über das künftige Einkommen, über Ansprüche auf künftiges vor allem Gewinneinkommen. Wenn wir wissen, dass der Investitionsimpuls von der Gewinnentwicklung bestimmt wird, wissen wir doch auch, dass die Investitionen immer aus Eigenmitteln oder Krediten finanziert werden.

Damit ist der Kreditimpuls aufs Engste mit den realen Konjunkturimpulsen verknüpft, zugleich steht er aber in keinem tautologischen Zusammenhang mit dem Investitionsimpuls, im Prinzip könnten Investitionen auch komplett aus den Eigenmitteln erfolgen. Womit die spannende Frage aufkommt, wie und warum die Kreditentwicklung, wie derzeit in den USA, eine Eigendynamik entwickelt und sich von den Investitionen abkoppelt. Was vielleicht einmal schwerwiegende Folgen haben kann, wenn beide Impulse, aus den Investitionen und dem Kredit, negativ werden, wenn sowohl Investitionsquote als auch der Kredit im Verhältnis zum Einkommen zu sinken beginnen und so eine Schuldenblase auch platzen kann.

Ähnlich wie die realen Konjunkturimpulse betrachten wir den Kreditimpuls als Verhältnis der gesamten Schulden (Anleihen und Kredite) zum Einkommen. Hatte Thomas Mayer noch das gesamte Einkommen wie das Bruttoinlandsprodukt im Blick, könnten wir die Kreditentwicklung der Unternehmen zunächst an ihren Einkommen, also den Gewinnen, messen. Albert Edwards und auch der IWF haben dafür vor wenigen Wochen den Bruttobetriebsüberschuss (EBITDA = Gewinn vor Zinsen, Steuern und Abschreibungen) der börsennotierten Unternehmen gewählt. Für die Schuldentragfähigkeit mag dies auch der richtige Maßstab sein, für eine Konjunkturbetrachtung bietet sich eher der Nettobetriebsüberschuss vor Zinsen und Steuern (EBIT) an, weil am Ende diese Summe für die weitere Geschäftsentwicklung maßgeblich ist, die nach Ersatz des abgenutzten Kapitalstocks übrigbleibt.

Aus der volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung lässt sich das EBIT oder der Nettobetriebsüberschuss vor Steuern ganz einfach ermitteln, indem wir die Nettowertschöpfung minus der geleisteten Arbeitsnehmerentgelte ausrechnen. Die Angaben zum Gesamtkredit (Anleihen und Darlehen) finden wir bei der Bank für Internationalen Zahlungsausgleich oder immer etwas früher bei der Federal Reserve. Damit ergibt sich folgende Entwicklung des Kreditbestandes (brutto) bei den amerikanischen Unternehmen außerhalb des Finanzsektors. Den realen Investitionsimpuls habe ich noch mit 25 multipliziert, um ihn hier vergleichbar zu machen.

Wir erkennen also, dass gerade in der Endphase eines Konjunkturzyklus sowie in der Rezession die Verschuldung kräftig steigt – seit den 90er Jahren aber immer wieder exorbitant. Schön können wir erkennen wie sich in der New Economy ein langer Kreditboom ausgebildet hat. In folgender Grafik sehen wir wiederum, wie die Unternehmen mit ihren Schulden im Prinzip Ende des vergangenen Jahrtausends die sinkende Profitabilität ausgeglichen haben. Genau wie es auch seit 2014 passiert, seit die Profitabilität gedreht hat, die Investitionen bis Ende vergangenen Jahres aber noch weiter beschleunigten.

Der Anstieg vor der Finanzkrise war dagegen kurz und setzte erst ziemlich spät im Zyklus ein, als die Subprimekrise schon längst am Kochen war. Dafür war der Anstieg seit 2007 sehr heftig genau wie der folgende Absturz. Vielleicht wäre die Subprimekrise tatsächlich noch glimpflich verlaufen, hätte es im Verlauf des Jahres 2008 nicht diesen enormen Anstieg der Unternehmensschulden mitten in der Immobilienkrise gegeben. Wie wir gleich noch sehen werden, verlief die Anstieg der Verschuldung seit 2007 ebenfalls parallel zur sinkenden Profitabilität, genau wie im aktuellen Zyklus.

Vielleicht mag jetzt noch jemand die Aktienmärkte, die Devisen- oder Rohstoffmärkte in unserer Betrachtung vermissen. Devisenkurse und Rohstoffpreise wirken sich jedoch unmittelbar auf die operativen Gewinne aus, sie sind also hier bereits enthalten. Am Aktienmarkt werden reale Gewinne und sonstiges Erspartes nur umverteilt, deren Entwicklung wird also maßgeblich von der realen Gewinnentwicklung getrieben. Die Aktienrückkäufe betrachten wir gleich noch.

Derivate wiederum sind an ihre zugrundeliegenden Märkte gebunden und können dort bestimmte Bewegungen enorm forcieren. So bleibt am Ende nur der Kredit, der tatsächlich eine gewisse Eigendynamik im Konjunkturzyklus entwickeln, sich aber von den realen Bewegungen nicht lösen kann, weil er schlussendlich von ihnen abhängt, weil er am Ende doch immer an das laufende Einkommen gebunden bleibt.

Und sowohl bei den Investitionen als auch dem Kredit ist die Wirkung der Zinsen ebenfalls schon enthalten, womit wir praktisch ein umfassendes Beschreibungsmodell der Zyklen vor uns haben. Notenbanken haben interessanterweise vor den Rezessionen, die wir hier sehen, es noch nie geschafft, mit steigenden Leitzinsen den Anstieg der Verschuldung abzuwürgen.

Die Auswirkungen der Zinsen dürfte damit sowohl für Investitionen als auch für die Verschuldung von vielen Beobachtern und Volkswirten deutlich überbewertet werden. Was niemanden hindern sollte, die Beziehungen der Märkte und Zinsen, auf Investitionsimpuls, Gewinnimpuls oder Kreditimpuls noch genauer zu untersuchen. Oder wie die allgemeine Unsicherheit vor allem bei sinkenden Gewinnen und zugleich steigender Verschuldung zunimmt und eine Entwicklung verstärken kann.

Interessant wäre in diesem Zusammenhang auch zu schauen, was genau sich hinter der steigenden Verschuldung verbirgt. Steigende Schulden oder sinkende Gewinne? Dazu können wir die absoluten Veränderungen, in Dollar gemessen, jeweils kumuliert seit Beginn der vergangenen beiden Zyklen betrachten (siehe oben). Wir sehen also wie gewaltig die Schulden bereits wieder den Gewinnen davongeeilt sind. Wenn das Ausmaß des Anstiegs der Verschuldung vor einer Rezession irgendwas aussagt, wie schwer die nächste Rezession wird, können wir uns also darauf einstellen, dass die nächste Rezession vielleicht gar keine milde sein wird und möglicherweise es wieder zu Minsky-Momenten kommt.

Vermutlich werden davon diesmal aber weniger die Banken betroffen sein, sondern vor allem die Fondsgesellschaften, die in den vergangenen Jahren immer stärker ins Kreditgeschäft gedrängt sind. Aber wie sagte mir einmal ein österreichischer Bankvorstand: Das ist Kapital, das ist nicht so schlimm, wenn es verloren geht. Gut, wir werden sehen, wie stark die deutschen Auslandsvermögen zusammenschrumpfen werden, die sich in den gewaltigen Leistungsbilanzüberschüssen der vergangenen Jahre angesammelt haben. Fakt ist, dass die Deutschen wohl am meisten zu verlieren haben, während die Chinesen ihre Reserven noch immer sehr konservativ in Staatsanleihen halten.

Wir sehen aber jetzt schon, wie relevant die Betrachtung und auch die Analyse der konkreten Zyklen ist. Hoffnungen, wie die von Gerald Braunberger, die zyklischen Krisen könnten wieder milder und vernachlässigbar werden, so wie nach dem zweiten Weltkrieg, scheinen sich so schnell aber wohl kaum zu bewahrheiten.

Womit wir zu der Frage kommen, was die US-Unternehmen eigentlich mit ihren Schulden machen, während sie ihre Investitionen bereits zurückfahren und die Gewinne sinken. Das zeigt folgende Grafik:

Hier haben wir es nun nicht mehr mit dem Kreditbestand zu tun. Sondern den Kreditströmen, die messen, wie sich der Kreditbestand ohne Umbewertungen verändert, also die tatsächliche Nettoneuverschuldung. Zudem sehen wir eine weitere Flussgröße, die „Net equity withdrawal“ heißt. Dahinter steckt die Nettoausgabe von Aktien („Net equity issuance“) der Unternehmen, die aber vor allem aufgrund von Aktienrückkäufen seit Jahren bereits negativ ist, weil die Unternehmen weniger neue Aktien platzieren als sie aufkaufen. In diese statistische Zahl gehen auch Aktienkäufe ein, die bei Übernahmen und ähnlichen Transaktionen erfolgen. „Net equity withdrawal“ ist dann einfach das Negative der „Net equity issuance“.

Unterstellen wir nun, dass alle Eigenmittel für Investitionen gebraucht werden, geht tatsächlich ein Großteil der Neuverschuldung in diese Aktienkäufe ein. Es findet eine Umverteilung statt von den Dividenden auf das Eigenkapital zu den Zinsen auf das Fremdkapital, was sich bei tendenziell sinkender Verzinsung durchaus lohnen kann. Aber zumindest für die Jahre seit 2014, als die Profitabilität gedreht hatte, sehen wir auch, dass die Schulden stärker steigen als die Aktientransaktionen, was erklären könnte, wie sich die Unternehmen den weniger profitablen Jobaufbau überhaupt leisten.

Da die Neuinvestitionen sinken, die Gewinne auch, kann der Jobaufbau in der Summe also nicht mehr aus der Ausweitung der Kapazitäten herrühren, wobei die Betonung auf Summe liegt: Während einige Unternehmen ihre Kapazitäten noch schneller ausweiten, sind andere längst dabei ihren Kapitalaufbau zu drosseln – unterm Strich sinkt das Tempo aber. Der Jobaufbau kann über Schulden finanziert werden, wenn dadurch die gesamte Nachfrage weitersteigt und die Auslastung erhöht wird. Und das kann dadurch motiviert sein, dass kein Unternehmen Marktanteile verlieren will, selbst wenn die Gewinne bereits sinken und die Kreditgeber noch mitspielen.

Hier wäre nun die Frage interessant, ob die Schulden vielleicht bei sehr vielen kleineren und mittleren Unternehmen auch in normalen Aufschwungzeiten deswegen steigen, weil andere wenige große Player enorme Monopolgewinne einfahren, und so ihren Anteil an der Gewinnsumme übermäßig steigern und am Ende auf großen Cash-Beständen sitzen bleiben. Fakt ist aber: Weil die gesamte Gewinnsumme nun schon seit 2015 auch absolut sinkt, können die Unternehmen auch weniger untereinander über Marktverkäufe ihrer Produkte verteilen, womit dieser unprofitable Jobaufbau nicht ewig weitergehen dürfte. Lesen wir dazu doch in einem Report der Deutschen Bank folgendes:

DeutscheBank

Sind die Kredite für die Aktientransaktionen nun weniger „gefährlich“ oder riskant als sagen wir normale Kredite, die die Geschäftstätigkeit und den Jobaufbau vorfinanzieren? Da Kredite und Zinsen am Ende immer aus dem Cashflow bedient werden müssen, sind hierfür allein die operativen Gewinne/Überschüsse relevant. Und die gesamte Nettoverschuldung der Unternehmen liegt heute schon bei 530 Prozent ihrer operativen Überschüsse, das entspricht 96 Prozent dessen, was zur Zeit des Lehman-Kollapses gemessen wurde.

Es kann damit nicht ausgeschlossen werden, dass die Kreditaufnahme der Firmen sich bald schon deutlich abbremst und eine erneute starke Entschuldung einsetzt – durch welche chaotischen und unvorhersehbaren Marktprozesse auch immer. Die Frage ist nur, ob sich die Entschuldung dann kurz und schmerzvoll abspielt wie nach der Finanzkrise oder über Jahre die Wirtschaftsaktivität lähmt wie nach dem New Economy Boom. Es bleibt tatsächlich schwierig abzuwägen, welcher der bessere Weg wäre, wenngleich wir es auch gar nicht entscheiden können. Jedenfalls wird jetzt wohl klar, wie wichtig es ist, sich die Verschuldung der Unternehmen immer im Verhältnis zu den operativen Gewinnen anzuschauen und nicht zum Bruttoinlandsprodukt, das ja durch die Schulden erst richtig aufgebläht wird und damit die Blasendynamik nicht wirklich gut widerspiegelt.

Wollen wir die Kreditdynamik nun konsistent mit den Nettoinvestitionen in einer Impulsdarstellung vergleichen, brauchen wir erstens die Flussgrößen. Denn wie die Nettoanlageinvestitionen die Wertänderung des Kapitalstocks (ohne Neubewertungen) messen, so misst der Kreditfluss oder der Credit Flow die Veränderung des Schuldenbestandes (ohne Neubewertungen). Als zweites brauchen wir die Schulden ebenfalls in einer Nettobetrachtung. Das komplette Betrachtungsmodell für die Entwicklung der Konjunkturzyklen sieht dann so aus:

Ich denke, dass wir jetzt ein recht komplettes Beschreibungsmodell des Konjunkturverlaufs vor uns haben, den Profitimpuls haben wie eh schon oben gesehen, den habe ich hier einfach weggelassen. Diese Darstellung sollte eigentlich auch der Forderung von Karl Marx entsprechen, wonach Krisen immer nur konkret-empirisch, d.h. „aus der realen Bewegung der kapitalistischen Produktion, Konkurrenz und Kredit, dargestellt werden“ müssen.

Spannend wird es, wenn jetzt alle drei relevanten Impulse ins Minus drehen: Der Gewinnimpuls ist bereits seit zwei Jahren negativ, der Investitionsimpuls oder Capital Flow-Impuls seit Beginn des Jahres, jetzt fehlt nur noch der Credit Flow-Impuls, der noch positiv ist, was heißt, dass die Neuverschuldung der Unternehmen immer noch schneller wächst als ihr Vorsteuereinkommen aus Gewinnen und Löhnen. Die konkrete Frage stellt sich, ob die Unternehmen dann überhaupt noch neue Jobs aufbauen, wenn auch die Kreditdynamik nachlässt. Wenn jeder neue Job die Lohnsumme weiter steigen lässt, während die Gewinnsumme sinkt, könnte natürlich die Schuldendynamik noch einmal drehen, solange die Unternehmen den Rückgang des Verhältnisses aus Gewinnsumme zur Lohnsumme noch wegstecken wollen und können.

Aber wollen wir wirklich, dass die Unternehmensschulden in Amerika weiter so dermaßen den Gewinnen davonrennen? Und wenn die Kreditübertreibung im Aufschwung in der Rezession wieder abgebaut wird, wie schwer wird dann die nächste Rezession? Aber Spekulationen über konkrete Zeitpunkte für den Ausbruch von Wirtschafts- und Finanzkrisen unterlassen wir an der Stelle lieber, auch deswegen, weil sich neben den USA auch in China eine Schuldenblase gebildet hat. In diesem Sinne sei auf zwei Zitate der wohl besten marxistischen Konjunkturforscher und -historiker des vergangenen Jahrhunderts verwiesen:

VargaKuczynski

Foto: Flickr/Dorte/(CC BY 2.0)
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  • sirop

    Ja, ein guter Krieg könnte helfen – nach Alan J Auerbach, Yuriy Gorodnichenko :

    Specifically, we find that defence spending has the largest multiplier, with the maximum response of output being $3.56 for every dollar in defence spending in a recession.

    http://voxeu.org/article/measuring-output-responses-fiscal-policy

  • Holger Lindner

    Tja… nicht schlecht die Betrachtung.

    Besonders das Wort/Begriff „Dynamik“ gefällt sehr gut. So gut, dass ich gleich mal noch was dazu setzen will, nur so als Hinweis. Es ist zum ersten mal einen jungen Software-Entwickler gelungen, so was wie KI (Künstliche Intelligenz) zu schaffen. Das Programm läuft auf einen 35 USD Rechner und wird in einem Simulator eingesetzt, wo Mensch gegen Maschine im Kampfjet antritt. Der Mensch der fliegt, ist der beste Pilot der USAF, er hat nicht Einmal gegen das selbst lernende Programm gewinnen können. Nur durch „Wenn-Dann“ Auslese… und nur das siegreiche „Wenn-Dann“ wurde übernommen, und das unterlegenen sofort entfernt in der Software, selbstständig.

    Warum erzähle ich das?! Nun, das betrifft Deine Investitionsbetrachtung. Und, dass es so schwer ist, Ereignisse vorher zu sehen. Ebenso deine Zinsbetrachtung. Oder all diese Faktoren, die eben den Markt so machen.

    Investitionen werden nur dann getätigt, wenn der Input kleiner ist, als der Output. Also wenn der Aufwand es gerechtfertigt den überhaupt betreiben zu wollen um dann unterm Strich den max Gewinn zu erzielen. Das ist ebenso eine „Wenn-Dann“ Betrachtung. Hierbei ist die Höhe des Zinses, je nach Höhe des Zinssatz, auch ausschlaggebend. Was für BWL gilt, gilt hier auch für die VWL. Hier kann man den Aufwand auch angeben, den ein Volk zu leisten im Stande ist. Das sind nämlich die geleisteten Arbeitsstunden. Also die Fähigkeit überhaupt Aufwand zu betreiben. Erst dann kann das Kapital Objekt entstehen. Zu erst steht immer der Hirnschmalz also das subjektive Kapital (Mensch) und dann das objektive Kapital (zB Bäckerei Autobahnen Kirchen eben die Infrastruktur). Und nun kommt es, aber nicht wieder vergessen, das ANGEBOT an Energie, in welcher Form auch immer, ohne diesen Energieumsatz läuft gar nichts. Der Energieerhaltungssatz gilt NUR in einem geschlossenen System. Man kann keine Energie verbrauchen, sondern die tritt nur in einer anderen Form wieder auf.
    Die geistreiche Form der VWL geht von einem geschlossenen System aus, ihrem berühmten Kreislauf, dem ist aber nicht so. Wir haben es mit einem offenen System mit offenen Ausgang zu tun.

    Und jetzt merke ich einfach noch etwas an, was man mir auch gerne widerlegen möchte, Geld ist niemals Kapital. Es gibt Geld nicht als Eigenkapital und auch nicht als Fremdkapital. Geld hat auch keinen Wert, sondern einen Preis. Der Wert einer Banknote, ist nahe Null also der berühmte „Schein“.

    Eigenkapital habe ich nur im Schädel, und wenn nötig in den Bizeps oder in der Fingerfertigkeit Maschinen oder Infrastruktur erschaffen zu können. Verfüge ich nicht selber über diese Fähigkeiten, bin ich auf Fremdkapital angewiesen. Und dieses Fremdkapital wird üblicher Weise mit Geld bezahlt, denn es ruft mir einen Preis auf. Oder auch nicht, denn man muss sich mal die geleisteten Arbeitsstunden anschauen die nicht bezahlt werden.

    Dann zu der Tautologie Schulden=Guthaben oder anders herum kann definitiv nicht stimmen, nicht in einem Dynamischen offenen System. Schuld daran, dass es nicht geschlossen ist, das System, hat das Zinsgeld. Wenn das Geldsystem geschlossen wäre, hätte es die Bevölkerungsexplosion nicht gegeben. Dem steht aber immer vor, dass das Kapitalsystem funktioniert. Das Kapital findet sich in den Patenten wieder, nur das so mal als Anmerkung.

    Das jedes Geld aus einen Schuldverhältnis „Geschöpft“ / entstanden ist, sollte klar sein. Nur steht dem Geld in den seltensten Fällen auch ein Wert gegenüber. Schuld daran ist, dass die Zinsgeldmenge stärker steigt, als Reale Werte geschaffen werden können und der weltweite Energieumsatz samt Erzeugung eine zusätzliche Begrenzung darstellt. Diese Zinsgeldmenge, wird aber auch nur durch Verschuldung „geschöpft“. Wenn ich mich für ein Hausbau für 300k verschulde, zu einem Zinssatz, der in 30 Jahren das doppelte an Geld verlangt, nämlich 300k Zinsen und 300k Tilgung, dann habe ich als Hausbauer nur die Tilgung durch Abtretung der Eigentumsrechte geschöpft. Die 300k Zins, muss ein anderer Schöpfer schöpfen.

    Und wie viel man geschöpft bekommt, hängt von der Bewertung der Lage ab. Die Bewertung von Grund&Boden samt Standort und was weiß ich nicht noch. Diese Bewertung der Lage bestimmt ob man Kredit bekommt oder auch nicht. Also die Schöpfer bewerten die Schöpfung. Und wer welchen Zins zu zahlen hat, machen die Schöpfer auch unter sich aus. BASEL II / III gerne erwähnt.

    Ein Beispiel aus der Praxis, Depp macht immer 800k Umsatz/Anno. Es bleiben davon fiktiv 400k übrig, seine Verbindlichkeiten belaufen sich auf 800k zu 10% Zins. Also 80.000 Ocken an Zins/Anno fällig. Es bleiben ihm 320k zum Zocken übrig. Jetzt sinkt der Zins, von Heut auf Morgen auf 2% Ergo im Jahr Aufwand Zins 16.000 Ocken. Und schon hat der Depp im Jahr müde 64.000 Ocken mehr. Frage wie viel Verschuldung könnte er sich nun mehr leisten? Um zu Investieren?

    Eben… und das genau ist in den USA geschehen. Konnte er diese 64.000 überhaupt Investieren?! Das fragt nämlich gar keiner, man geht davon aus, dass er Investieren würde. Muss er aber nicht, wenn ihm das Fremdkapital (Hirn Grips Mensch Infrastruktur Energie) dazu fehlt. Er kann nun die Tilgúng hoch setzen. Oder das Geld anlegen. Weiß man das?! Ja kann man wissen. Denn er bekommt ja fast nix für die Anlage. Oder er kann sich weiter Verschulden, denn seinen Bonität ist ja gestiegen (das schließe ich in diesem Fall mal aus.)

    Seine Schulden sind aber gleich geblieben. Erst wenn der Zins auf NULL ist, sind Schulden=Guthaben, denn wenn der Zins auf Null ist, muss auch kein Zinsgeld geschöpft werden und die Drittschuldner Suche zum Schöpfen des Zinses fällt aus.

    Das Problem ist, dass dem Geld das Menschliche-Kapital ausgeht. Und dass das restliche Menschliche-Kapital mittlerweile Konkurrenz durch KI zu befürchten hat, siehe oben Kampfpilot. Muss man noch „teure“ Piloten ausbilden?! Wenn ein 35 USD Rechner, mit der entsprechenden Software besser ist?!

    Bevor Du jetzt anfängst zu Lachen und blöde Witze zu reißen ;) denke mal drüber nach, wo diese KI eingesetzt werden könnte. In jeden Entscheidungsprozess, wenn das Dingen mit Daten gefüttert wird. Und nun spinnen wir noch weiter, wir gucken mal in das Jahr 2036, dann werden die (dann 130.000) Petaflops Chinesen, den ersten voll funktionsfähigen ROBO produzieren. Der kann sich sogar auf dem Rücken kratzen und Schuhe anziehen. Deine Texte in allen Sprachen ohne Fehler tippen. :D

    und weitere 10 Jahre weiter, kannste Dir Deinen Marx sonst wohin tun :) Dann hat das Menschliche-Kapital den sozialistischen „Kapitalismus“ überwunden… erst dann. :D

    Glaubste nicht? Hui hui hui… Otto Bock ist schon daran, intelligente Prothesen zu entwickeln.

    Was ich damit sagen will, man kann die Trend ganz genau beobachten. Ich habe schon vor Jahren gesagt, dass die Zinsen nicht mehr steigen können, und dass die Investitionen die eigentlich notwendig wären, nicht getätigt werden können. Das liegt auch an den „Altlasten“ Der Ökognomiker und das ständig Fehlverhalten der Sicherheitsfanatiker als Sparer. Mündelsicher soll die Staatsanleihe sein, nun ist diese vollendet. Kein Zins kein Risiko ?! LOL Schwatte NULL LACH :D

    Die Staatsanleihe ist genau so mündelsicher, wie ein Klumpen Güldenes, nur dass da andere drauf aufpassen. Wenn ne 30 Jährige NULL aufruft, dann ist das schon richtig Positiv in die Zukunft geblickt. Frag mich echt, wer das kauft… LOL

    Und hör mir uff nach dem Staat zu rufen, der Staat hat nicht die Aufgabe etwas zu „entwickeln“ er hat die Verwaltungsaufgabe und Hoheit. Und selbst dazu ist der Staat zu dämlich. Ist ja keine Wunder, das rund 80% der jungen Population auf den staatlichen Schulen verblöden. Haben mir genügend Pädagogen bestätigt, und heulen rum, dass ihnen die Hände gebunden sind.

    Deutschland betreibt nicht nur aktive Kapitalvernichtung, sondern verhindert auch noch das aufkommen, von ein wenig Intelligenz. Das hat auch eine Ursache mit Wirkung: Je mehr Verwaltungsfachangestellte, je mehr Politiker, je mehr Gesetze und Verordnungen. Desto was steigt an?! Eben!!! Die Stagnation, denn keines der Individuen soll „innovativ“ sein, sondern nur den Bestand verwalten. Und da die Dümmsten dort unterkommen, kann dabei nichts raus kommen. Siehe BER…

    Brüssel ist der Todesstoß. Keine Entwicklung, kein Fortschritt, nur dumme Normungen und Verwaltungsfachidioten, mit einen Rattenschwanz von Advokaten ausgestattet. Gleiches gilt auch für die Ökognomiker… und Soziologen…

    Daraus resultiert nur dummes Geschwätz über Kennzahlen, die die wenigsten überhaupt verstehen. Weil diese diese Kennzahlen gar nicht deuten können. Fachidioten gezogene Fachidioten, die die geballte unsinnige Sinn Theorien vertreten müssen, damit diese ihren Dr. bekommen, so oder so ein Unsinn. Wenn, dann gehört diese „Wissenschaft“ in das Reich der Idioten-Forschung.

    Ich kann in Somalia Billionen von Euronen regnen lassen, es wird sich nicht viel ändern. Es fehlt am Kapital und nicht am Geld.

    Deswegen können Deine Annahmen in dem vorletzten Absatz nicht stimmen.

    –> Die konkrete Frage stellt sich, ob die Unternehmen dann überhaupt noch neue Jobs aufbauen, wenn auch die Kreditdynamik nachlässt.“

    Bitte trennen, Aus dargestellten Kapital-Gründen…

    –>Wenn jeder neue Job die Lohnsumme weiter steigen lässt, während die Gewinnsumme sinkt,“

    Vollkommen egal… wenn das Endergebnis stimmt. Es sind in DE nicht mehr und nicht weniger Jobs entstanden, sondern nur in den Kosten optimiert worden… Lohndumping. Ein mehr an Jobs, würde ein mehr an Energieeinsatz bedeuten.

    –>könnte natürlich die Schuldendynamik noch einmal drehen, solange die Unternehmen den Rückgang des Verhältnisses aus Gewinnsumme zur Lohnsumme noch wegstecken wollen und können. „

    Das ist typische Kennzahlen Betrachtung. Und hat wie dargelegt, mit der „Schuldendynamik“ erst mal wenig zu tun. Auf diese Schuldendynamik haben Unternehmen Zentralbanken Banken und der Staat Einfluss. Jeder auf seine Art und Weise. Und natürlich auch das Kapital im Kopf.

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