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Meine Stimme aus Wien: Angespannter Optimismus

Wer sich die jüngsten Konjunkturmeldungen durch den Kopf gehen lässt, der kann schon einmal ins Grübeln geraten. Da signalisieren Umfragen unter Einkaufsmanagern sowie die Beschäftigtenzahlen, dass die amerikanische Industrie sich bereits in einer Rezession befindet. Die Profitabilität im Unternehmenssektor sinkt ohnehin schon länger. Zugleich bereiten die US-Notenbanker die Marktteilnehmer auf eine Zinserhöhung in der nächsten Woche vor. So, als würde Amerika tatsächlich kurz vor einer überhitzten Konjunkturphase stehen.

In Deutschland weist der Trend bei den Neubestellungen von Investitionsgütern deutlich nach unten – die Nachfrage schwächt sich aus allen Teilen der Welt spürbar ab. Im Sommer sanken die privaten Anlageinvestitionen der Deutschen bereits das zweite Quartal in Folge. Die Warenexporte fielen von August bis Oktober um drei Prozent unter das Niveau im Vierteljahr zuvor. Das alles ist jedoch kein Grund zur Sorge für die Fachleute der Bundesbank: Die deutsche Konjunktur werde in den nächsten beiden Jahren zunehmend an Kraft gewinnen, heißt es in der jüngsten Prognose. Die günstige Lage auf dem Arbeitsmarkt und die kräftigen Einkommenszuwächse der privaten Haushalte seien wichtige Stützen. Zudem werde auch die Auslandsnachfrage 2016 und 2017 wohl wieder anziehen, heißt es aus Frankfurt-Bockenheim.

Jetzt reiht sich die Oesterreichische Nationalbank ebenfalls in den Reigen der Auguren mit Hang zum Optimismus ein. Die Wiener Ökonomen machen als Haupttreiber für den „moderaten Aufschwung“ daheim die Steuerreform und Ausgaben für Flüchtlinge aus. Die öffentliche Hand werde der seit Jahren mauen Konjunktur in Österreich neuen Schwung verpassen.

Vage Hoffnung Weltkonjunktur

Doch sollte sich niemand in Sicherheit wiegen: Die Vorhersagen für eine anziehende Weltwirtschaft sind bisher nur vage Hoffnungswerte. Die globale Konjunktur könnte in den nächsten Monaten mehr auf wackligen Füßen stehen, wie die US-Industrie nur zu deutlich beweist. Die Impulse aus der Steuerreform und den verstärkten Ausgaben für Flüchtlinge dürften sich dann aber als genau die Konjunkturprogramme erweisen, die nur einen stärkeren Einbruch verhindern.

Dazu passt, dass die Bank für Internationalen Zahlungsausgleich, auch Zentralbank der Notenbanken genannt, jetzt vor einer angespannten Ruhe auf den Finanzmärkten warnt. Nur scheinbar habe sich die Lage zuletzt beruhigt, Spannungen könnten sich jederzeit entladen. Jede Regierung ist gut beraten, an Notfallplänen für den konjunkturellen Ernstfall zu arbeiten.

Dieser Beitrag erschien als Leitartikel im WirtschaftsBlatt vom 10. Dezember 2015.

Foto: Flickr/S-T-R-E-E-T-L-I-V-E/(CC BY-ND 2.0)
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