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Meine Stimme aus Wien: Von Rezessionsauguren ohne Jobangst und dem einzigen Sinn einer Zinserhöhung in den USA

Das britische Wochenmagazin „Economist“ zitierte neulich einen Investmentbanker mit bemerkenswerten Sätzen: „Ich sage nie eine Rezession voraus. Wenn ich recht behalte, wird es mir niemand danken; wenn ich falsch liege, werde ich gefeuert.“ Wenig Sorgen um seinen Job macht sich dagegen Willem Buiter, Chefvolkswirt bei der Citigroup. Vielleicht muss man jahrelang im Zentralbankrat der Bank von England verbracht und Kolumnen in der „Financial Times“ geschrieben haben, um die Gepflogenheiten seiner Zunft einfach ignorieren zu können. Jedenfalls sagte Buiter erst vor wenigen Wochen eine moderate globale Rezession (Link zum pdf der Citi via Buiters Webseite) für die zweite Hälfte des Jahres 2016 voraus. (Siehe auch: What Is A (Global) Recession?)

Na, so was. Reden wir nicht darüber, dass die US-Wirtschaft so robust wächst, dass sie längst wieder höhere Zinsen verkraften könne. Banken und Versicherungen fiebern ohnehin höheren Zinsen entgegen, die sie endlich wieder mehr Geld verdienen lassen. Das sieht der Ökonom Stephen King allerdings ganz anders. Anfang August verließ er den Posten des Chefvolkswirts bei HSBC, um fortan als ökonomischer Berater für dasselbe Haus zu arbeiten.

Er erinnert uns jetzt daran, dass keine Zentralbank dauerhafte Kontrolle über den Zins ausüben kann, der einer Volkswirtschaft zugrunde liegt. King beruft sich auf Ex-Notenbanker Ben Bernanke, der in seinem Blog schreibt: „Es ist der Zustand der Wirtschaft, nicht die US-Notenbank, die ein nachhaltiges Niveau der realen Renditen bestimmt. Dies mag erklären, warum die Realzinsen so niedrig sind in der gesamten industrialisierten Welt, nicht nur in den Vereinigten Staaten.“

Wir wissen zwar nicht, ob Kings Offenheit ihn schlussendlich den Job als Chefvolkswirt bei HSBC gekostet hat. Aber weniger Zweckoptimismus stände auch anderen Volkswirten aus der Finanzbranche nicht so schlecht. Es gibt leider nicht viele Fachleute in den Instituten, die so erfrischend offen reden dürfen. Dabei muss sich die nächste Krise gar nicht so gewaltig entfalten wie die vorherige. Diese begann in den USA zwar im Jahr 2008, erste Warnsignale hatte es aber bereits 2006 gegeben, als die Unternehmensgewinne ihren Höhepunkt im Zyklus erreichten – gemessen am volkswirtschaftlichen Einkommen.

Auch die Investitionen werden sinken

Auch voriges Jahr sank die Gewinnquote bereits wieder. Dabei investieren die Unternehmen aber noch immer – wenn auch verhalten – in den Aufbau neuen Kapitalstocks, wie die Daten vom Frühjahr zeigen. Dafür, dass der Kapitalaufbau und damit die Konjunktur aber bald, also vermutlich dann doch 2016, drehen wird, spricht neben der sinkenden Gewinnquote auch, dass die Nettoinvestitionsquote bereits kräftig in diesem Aufschwung gestiegen ist.

Noch macht sich aber bemerkbar, dass die Gewinnquote derzeit auf einem so hohen Niveau liegt wie zuletzt Anfang der 1960er-Jahre. DenAufschwung verlängert zudem, dass die Unternehmen ihre Verschuldung wieder leicht steigern, während sie dagegen bei Privathaushalten sinkt. Selbst wenn wir diesmal keine großen Lohnsteigerungen ausmachen können, werden die Unternehmen dennoch irgendwann den Kapitalaufbau drosseln, der auch diesmal der Massennachfrage davoneilt.

Der einzige Sinn einer Zinserhöhung in den USA wäre also, dass die Notenbank damit die Rezession nur schneller einleiten würde. Immerhin hätte sie dann wieder Munition, die Auswirkungen der nächsten Krise abzufedern. Anderseits spricht aber nicht viel dafür, dass es in den Industrieländern zuletzt gewaltige Übertreibungen gab. Die nächste Rezession wird daher in der Tat dann doch eher milde ausfallen.

Dieser Beitrag fasst zwei Kolumnen von mir im WirtschaftsBlatt zusammen, vom 29. September 2015 und 13. Oktober 2015.

Foto:Flickr/Chris Potter (StockMonkeys.com)/(CC BY 2.0)
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