Pekings Großplan für die Seidenstraße reicht bis Osteuropa und noch weiter

Der große Plan steht. Ende März veröffentlichte die Regierung in Peking ein wichtiges Dokument, einen Aktionsplan: Mit der neuen Seidenstraße baut sich China nicht nur schnellere Verkehrswege nach Europa auf. Der Drang nach Westen erstreckt sich längst auf die Energie- und Informationsnetze sowie ganze Zulieferketten. Viele in Europa schlafen aber noch.

An einem Samstag Ende März werkeln meine Kolleginnen Eva Konzett (@EvaKonzett), Marijana Miljkovic (@MMiljkovic) und ich an den letzten Feinheiten dieses Long-Reads. Eines modernen, einige sagen „wunderschön aufbereiteten„, Online-Dossiers zu den Investitionen Chinas in Osteuropa. Drei Monate haben wir neben unserer Hauptarbeit fürs WirtschaftsBlatt recherchiert, geschrieben, redigiert und mitunter auch verzweifelt nach verlässlichen Zahlen gesucht. Michael Prokop, unser wunderbarer Layouter bei der Zeitung, verzweifelt noch an den letzten Änderungswünschen von uns Redakteuren, bis das Werk dann am 1. April online geht.

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„Wenn du schnell gehen willst, dann gehe allein. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit anderen zusammen gehen.“ Xi Jinping, Präsident Chinas auf dem Boao-Forum 2015

Zur gleichen Zeit an jenem Samstag wird dem Präsidenten Chinas Xi Jinping etwas afrikanisch zumute, wenn er an die neue Weltordnung denkt, die sie sich da in Peking ausgedacht haben. „Wenn du schnell gehen willst, dann gehe allein. Wenn du weit gehen willst, dann musst du mit anderen zusammen gehen“, zitiert der Chinese ein afrikanisches Sprichwort, während er seine Schlüsselrede auf dem Boao-Forum hält, eine Art Davos-Treffen auf der südchinesischen Insel Hainan.

Was sich seit zwei, drei Jahren zwar am Handeln der Chinesen bereits ablesen lässt und in vielen Reden seit Herbst 2013 immer wieder vage durchschimmert, bekommt am diesem Tag eine konkrete Form: Die staatliche Reform- und Entwicklungskommission NDRC veröffentlicht an diesem späten Märzsamstag zusammen mit dem Außen- und Wirtschaftsministerium Chinas ein langes Dokument.

Es soll die Worte Xis mit Leben füllen. Mit diesem Aktionsplan will Peking die alte historische Seidenstraße zwischen Asien und Europa wiederbeleben. Doch dabei geht es den Chinesen nicht allein nur um Verkehrswege, auf denen ihre Güter schneller nach Europa gelangen können. Sondern sie treiben damit auch den Aufbau von Energie- und Informationsnetzwerken und von ganzen Zulieferketten voran.

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Alter Karawanenweg

Die historischen Handelsrouten sind damit zum Sinnbild von Chinas neuem Expansionsdrang geworden. Auf diesen Wegen brachten noch bis zum Mittelalter die Kamelkarawanen Seide, Gewürze, Papier und Medizin nach Europa, und die Chinesen bekamen Gold, Edelsteine, Eisen, Bronze und Lacke aus Europa. Mit der Wiederbelebung der Seidenstraße will Peking sein Gewicht stärken, im verschärfenden geopolitischen und geoökonomischen Konkurrenzkampf in West- und Zentralasien.

„Die von Xi Jinping 2013 angekündigte Seidenstraßen-Initiative ist ein zentrales Großprojekt beim Aufbau von Parallelstrukturen“, heißt es in einem Papier des Merics-Instituts für China-Studien in Berlin. Gemeint sind zum Beispiel internationale Institutionen wie Weltbank oder Internationaler Währungsfonds, wo die Chinesen bislang vergeblich versucht haben, gegen den Widerstand der USA mehr Einfluss zu bekommen.

Peking geht es nach offizieller Lesart aber um den Aufbau einer multipolaren Welt, in der kein Staat eine dominierende Rolle spielen wird. Und so ist auch der Aktionsplan der Initiative als Vorschlag zu verstehen, nach dem sich die Regierungen der beteiligten Länder kooperativ absprechen und neue Investitionsprojekte auf den Weg bringen. China will seine enormen Devisenreserven einsetzen, hofft aber auch darauf, private Mittel anzulocken.

„Die Seidenstraßen-Initiative ist ein zentrales Großprojekt beim Aufbau von Parallelstrukturen.“  Merics-Institut

Priorität Verkehr

Die Seidenstraßen-Initiative besteht aus zwei Routen: einer Landverbindung über Zentral- und Westasien, auch über Russland oder Südosteuropa, bis nach Rotterdam und Hamburg. Die zweite, die maritime Strecke, verläuft über Südostasien und Afrika ebenfalls nach Europa (siehe Karte). Wobei die Routen selbst als breites Netzwerk gedacht sind, das sich auch künftig noch ausweiten darf. „Es deckt die historische Seidenstraße ab, aber ist nicht auf sie begrenzt“, heißt es in Pekings Aktionsplan. Die Initiative stehe allen Ländern sowie internationalen und regionalen Organisationen offen.

Als Priorität schlägt der Aktionsplan vor, wichtige Verkehrsadern auszubauen, bislang noch unverbundene Straßenstücke miteinander zu verbinden, Engpässe zu beseitigen und Verkehrssicherheit und -überwachung zu vereinheitlichen. Wobei auch die Luft- und Seeschifffahrt mit eingeschlossen wird, Flug- und Seehäfen sollen ge- und ausgebaut werden. Zwischen Peking und Moskau etwa ist wiederum eine Schnellzugstrecke geplant.

 

Energienetze verbinden

Daneben geht es auch darum, die Energienetze der Kontinente miteinander zu verbinden: die Sicherheit von Gas- und Ölleitungen abzusichern, Stromnetze grenzüberschreitend zu verknüpfen und überhaupt die Stromgewinnung zu modernisieren. Eine große Betonung legen die Chinesen in ihrem Plan auf die Förderung erneuerbarer Energien und Umweltschutz.

Über Länder hinweg sollen Glasfaserkabel verlegt und andere Kommunikationskanäle, etwa über Satelliten, stärker genutzt werden. Peking drängt zudem darauf, Investitions- und Handelsschranken abzubauen sowie die Zoll- und Steuerregime zwischen allen beteiligten Ländern entlang der Routen anzugleichen. So hofft Chinas Führung, Zeit und Kosten für die Abwicklung seines Handels zu verringern und auch neuere Formen, etwa im E-Commerce, zu forcieren. Im Blick hat sie auch den Aufbau verlässlicher Zulieferketten, die gemeinschaftlich über Forschung und Entwicklung, Produktion sowie Marketing verlaufen.

Provinzen im Westen fördern

Ein großer Teil des Aktionsplans zur Seidenstraße beschäftigt sich mit der Entwicklung der Regionen in China selbst. Denn die Führung des Landes hat den Expansionsdrang in Richtung Europa längst als Vehikel entdeckt, mit dem sie auch die schwächelnden Provinzen im Westen und Südwesten Chinas wirtschaftlich antreiben kann. Denn bislang konzentriert sich der wirtschaftliche Aufstieg noch immer auf die Städte und Freihandelszonen im Osten und Südosten des Landes.

Die Krise der Bauwirtschaft

Eine wichtige Rolle in den Überlegungen Pekings spielt auch der strauchelnde Bausektor. Denn China leidet derzeit nicht nur unter einer heftigen Immobilienmarktkrise. Das Land hat zudem stark unter den Rückgängen im Bauexport 2012 und 2013 als Folge der Finanzund Wirtschaftskrise 2008 gelitten. „China spielt seine Rolle nicht ohne eigennützige Motive“, sagt Rolf Langhammer, Senior Fellow am Merics-Institut. China ist global der drittgrößte Exporteur von Baudienstleistungen, nach der EU und Südkorea.

Wie Peking die Finanzierung organisiert

Die Finanzierung der Investitionsprojekte entlang der Routen der Seidenstraße vor allem in Asien soll zum einen über den Seidenstraßenfonds erfolgen. Der wurde bereits Ende 2014 aufgelegt und soll bald seine Arbeit aufnehmen, wie es im Aktionsplan heißt. Er hat bereits von Chinas Staatsbanken zehn Mrd. Dollar bekommen und soll einmal eine Summe 40 Mrd. Dollar vergeben.

40

Mrd. Dollar

Seidenstraßenfonds

100

Mrd. Dollar

Asiatische Infrastrukturinvestment-Bank (AIIB)

Hinzu kommt noch die Asiatische Infrastrukturinvestment-Bank (AIIB), die Ende 2015 ihre Tätigkeit aufnehmen will, 50 Mrd. Dollar kommen von China und 50 Mrd. Dollar könnten noch mal von den anderen Partnern dazukommen. Hier beteiligen sich fast 50 Länder, unter ihnen auch Deutschland und Österreich. Wie chinesische Medien berichten, soll sich der Stimmanteil der Staaten nach dem Gewicht des Bruttoinlandsprodukts richten. Zudem will China, anders als die USA im Internationalen Währungsfonds, auf ein Vetorecht verzichten.

Als dritte Quelle will Peking den Investmentarm des China-Eurasia Economic Cooperation Funds wiederbeleben. Speziell für die Länder Süd-, Ost- und Mitteleuropas, wo China bereits seit rund drei Jahren aktiv ist, hat Pekings noch einmal extra Fonds und eine Kreditlinie aufgelegt.

Die EU-Botschafter in Peking mahnen vor kurzem in einem internen Bericht an Brüssel, dass die EU sich schleunigst Gedanken darüber machen müsse, wie auch sie sich daran beteiligen könne die Verkehrs-, Energie- und Informationsnetze mit denen in Asien zu verbinden und die Handelswege abzusichern. Viele EU-Staaten hätten zudem noch keine Strategie entwickelt, wie sie mit dem Expansionsdrang der Chinesen in Osteuropa umgehen sollen. Dabei würde es doch Peking durchaus begrüßen, wenn sich Länder wie Österreich an gemeinsamen Projekten östlich von Wien beteiligen. Wie schnell die Chinesen voranschreiten und auf welche Schwierigkeiten beide Seiten dabei stoßen, lesen Sie dann also im Dossier nach einem Klick auf die folgende Grafik oder hier:

Chinesische Investitionen in Osteuropa

Foto: (1) Flickr / jacme31 / (CC BY-SA 2.0), (2) Flickr / sanfamedia.com / (CC BY-ND 2.0)
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  • xxxTrading

    Ein sehr aufschlussreicher Artikel mit tollen Grafiken.
    Vielen Dank.

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