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Amerikas Überhitzung im Zeitalter mageren Wachstums

Die alles entscheidende Frage für die Weltwirtschaft in diesem Jahr lautet: Rutscht Amerika in die Krise/Stagnation/Depression oder kann die größte Volkswirtschaft der Welt noch Monate oder sogar Jahre den nächsten Abschwung hinauszögern? Wer die Meldungen vom Arbeitsmarkt oder von den Einkaufsmanagerbefragungen verfolgt, für den sieht natürlich noch immer alles rosig und nach Aufschwung aus. Genau so schreiben wahrscheinlich viele Volkswirte in Banken und Instituten ihre Prognosen einfach aus der Vergangenheit fort. Ein all zu oberflächliches Rätselraten, wie es scheint.

Tatsächlich sah es 2014 auf den ersten Blick natürlich gar nicht so schlecht aus. Bei Barclays schätzen sie derzeit in ihrem Live-Tracking der monatlichen Konjunkturdaten ein Wachstum von 3,4 Prozent für das Schlussvierteljahr 2014 (nach 4,6 Prozent im Frühjahr und 5,0 Prozent im Sommer). Wie in den USA üblich sind die 3,4 Prozent eine auf das Gesamtjahr hochgerechnete Rate – nach europäischer Rechenweise wäre dies immerhin ein beachtliches Quartalsplus von 0,8 Prozent (1,0084^4=1,034). Soweit die Vergangenheit, doch braut sich längst etwas zusammen, was schon eher pessimistisch stimmt für dieses Jahr und was vor allem in Europa die Alarmglocken läuten lassen sollte.

Seit vergangenem Sommer schreibe ich, dass die US-Wirtschaft eigentlich wieder reif für die nächste Konjunkturkrise ist. Auch wenn der Aufschwung in Amerika seine Höhen (gesponsert durch die US-Notenbank) und Tiefen hatte – er dauert nun schon wie der vorherige fast fünf Jahre. Und dass der Schwung längst nachlässt, habe ich hier im Blog schon öfter gezeigt. Der Aufwärtstrend im Aufbau neuen Kapitals (Maschinen, Anlagen, Gebäude) schwächt sich seit Monaten ab. Konkret müssen wir uns dafür die privaten Nettoinvestitionen anschauen, das sind die Bruttoinvestitionen minus Abschreibungen.

Die Akkumulation neuen Kapitals ist nicht nur der (Konjunktur-)Motor jeder (kapitalistischen) Marktwirtschaft – sie ist ihr wesentlicher Zweck und sie bestimmt auch, ob die Wirtschaftsleistung insgesamt wächst oder schrumpft. Daten aus den USA liegen bisher aber nur bis zum dritten Quartal 2014 vor. Um zu erahnen, wie sich das vierte Quartal entwickelt hat, können wir uns aber die heimischen Auslieferungen von Investitionsgütern der US-Industrie anschauen, die vom Census Bureau veröffentlicht werden.

Am besten eignet sich dafür die Komponente der Kapitalgüter ohne Rüstung und Flugzeuge (shipments of nondefense capital goods ex aircraft), die direkt in die BIP-Schätzungen des BEA für die Investitionsausgaben in AusrüstungundSoftware einfließen. In diesen Auslieferungen sind natürlich auch Güter enthalten (neben den Exporten), die abgenutztes und verbrauchtes Kapital ersetzen (Abschreibungen).

Dies dürfte der wesentliche Grund dafür sein, dass diese Auslieferungen nicht so stark schwanken wie die Nettoinvestitionen, wie wir in folgender Grafik sehen können – beide Größen jeweils im Verhältnis zum volkwirtschaftlichen Einkommen/Bruttoinlandsprodukt und dann als Veränderung zum gleichen Zeitraum ein Jahr zuvor.

150120 US INVESTITIONSGUETER

Der letzte Dezember-Wert für das vierte Quartal liegt allerdings noch nicht vor, weshalb ich hier einfach angenommen habe, dass die Auslieferungen konstant geblieben sind. Doch selbst wenn wir einen Anstieg um 2,5 Prozent für den Dezember annehmen, ändert dies nichts an der Trendumkehr, wie sie sich jetzt abzeichnet. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit, dass es auch bei den Nettoinvestitionen – also der Kapitalakkumulation – schon bald deutlicher abwärts geht.

Und dann würde es auch nicht mehr lange dauern, bis sich der Abschwung in der gesamten Wirtschaftsleistung zeigt. Wie lange dies dauert, hängt vor allem von der Entwicklung der Verschuldung in den USA ab sowie der Aktienkurse. Diesmal wohl auch davon, ob und wie stark die sinkenden Ölpreise die Verbraucher in den USA entlasten und die Gewinne der Unternehmen steigen oder sinken lassen. Umgekehrt belastet der erstarkende Dollar die Exporte der Amerikaner, lässt aber die Importe günstiger werden.

Wer also fasziniert auf die noch immer guten Monatsdaten in den Umfragen schaut, könnte hier durchaus so etwas wie eine Überhitzung in Amerika erkennen – allerdings sieht sie im postneoliberalen Zeitalter mageren Wachstums genau so aus wie wir sie heute erleben. Zu beachten ist noch, dass Quartalswerte erst eine Zeit brauchen, bis sich Trendänderungen in den Jahresraten erkennen lassen.

Deshalb verschiebe ich die Kurven in den Grafiken gerne jeweils um ein halbes Jahr nach hinten (links), um ein besseres Bild von der tatsächlichen Entwicklung zu erhalten. Mit dem Wissen von heute erkennen wir also im letzten Wert der Kurven ungefähr die Entwicklung von vor rund einem halben Jahr. Damit könnte es dann also nicht mehr lange dauern, bis die Abschwächung auch in den monatlichen Konjunkturdaten erkennbar sein wird.

Bislang (solange sich keine Trendwende zum Besseren abzeichnet) sollten und müssen wir davon ausgehen, dass es in diesem Jahr keine Zinserhöhung durch die US-Notenbank geben wird. Ich würde eher darauf wetten, dass Amerikas Währungshüter in diesem Jahr sogar noch ein weiteres Anleiheaufkaufprogramm („Quantative Easing“) auflegen werden. Fraglich bleibt nur, ob solch ein Programm dann auch die drohende Rezession/Stagnation/Depression aufhalten wird und die Notenbanken sich nicht in Abwertungswettläufen verzetteln.

Kommt es zur nächsten globalen Wirtschaftskrise wüssten wir aber eins ziemlich sicher: Dass wenn überhaupt, die kapitalistischen Volkswirtschaften nur noch mit staatlicher Hilfe der Notenbanken wachsen können. Der Neoliberalismus verschwindet immer mehr aus den Köpfen – allein schon aus pragmatischen Erwägungen der Wirtschaftssteuerung, was allerdings niemand zum Jubeln verleiten sollte.

In Europa aber versuchen es die Regierungen dagegen noch immer: Durch ihre Austeritätspolitik sollen die Kosten sinken und somit die Profitabilität der Unternehmen wieder anziehen. Wenn die EZB jetzt aber einsteigt in den Anleiheaufkauf, wird es wohl viel zu spät kommen, es dürfte auch hier in einer noch bittereren Depression enden. Denn die Europäer haben dummerweise viel zu lange nur die halbe Rechnung der neuen staatskapitalistischen Realität erkannt.

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