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Was wirkt mehr: 500 Milliarden Liquidität oder 50 Milliarden Nachfrage?

Es ist wirklich absurd, was in den Köpfen von Regierenden und Notenbankern vor sich geht. Jetzt will die EZB den Banken 500 Milliarden Euro leihen, damit die Kreditversorgung in der Wirtschaft wieder anspringt. Unternehmen brauchen aber nur dann Kredit, wenn irgendjemand ihre Produkte kauft, die Gewinne steigen und sie deswegen wieder anfangen zu investieren. Das ist alles ganz einfach. Euroland braucht einfach einen Aufschwung, dann braucht es auch keine sinkenden Löhne, um die Gewinne steigen zu lassen und Schulden abzubauen. Schauen wir auf diese neun Euro-Länder: Belgien, Irland, Spanien, Frankreich, Italien, Niederlande, Österreich, Portugal, Finnland.

Die Regierungen dieser Ländern sind zwar 2013 etwas davon abrückt, ihre Ausgaben wie wild zusammen zu streichen. Nach einem Minus im Vorjahr von 20 Mrd. Euro ging es 2013 leicht aufwärts mit einem Ausgabenplus um 6 Mrd. Euro. Das ergab einen Fiskalimpuls von 26 Mrd. Euro (6 Mrd. minus -20 Mrd.). Wir reden hier nicht von Sozialausgaben sondern von regulären Ausgaben für öffentliche Dienstleistungen (z.B. Bildung, innere Sicherheit, Verteidigung sowie Investitionen in Gebäude und Infrastruktur). Also die Kernaufgaben eines Staates in einer chronisch instabilen Marktwirtschaft.

140904 EA Fiskalimpuls

Gleichwohl sanken voriges Jahr die privaten Nettoinvestitionen in diesen Euro-Ländern um 50 Mrd. Euro, 2012 um 42 Mrd. Euro. Wer die Euro-Konjunktur in Gang bringen und die Arbeitslosigkeit tatsächlich abbauen will, hätte vielleicht einen höheren Fiskalimpuls veranschlagt als die 26 Mrd. Euro, das sind 0,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Was im Übrigen immer noch weniger war als die Summe, die die öffentlichen Haushalte in Deutschland einfach mal so „vergessen“ haben, in den vergangenen Jahren für Abschreibungen unserer Infrastruktur auszugeben.

Nun sagt die EU für dieses Jahr einen Anstieg der Staatsausgaben um 8 Mrd. Euro voraus. Der Fiskalimpuls sinkt also von 26 Mrd. Euro auf nur noch 2 Mrd. Euro (8 Mrd. minus 6 Mrd.). Das sind exakt 0,0 Prozent des BIP. Es braucht sich also niemand zu wundern, dass die private Wirtschaft im Euro-Raum wieder tiefer in die Krise rutscht. Was hätte aber ein kluger Staatslenker gemacht, der weiß, dass sinkende Löhne immer zu einem Nachfrageausfall führen, wenn nicht irgendwo auf der Welt jemand wie wild Produkte aus dem Euroland kauft (also z.B. spanische Oliven, italienische Autos, französischen Wein)?

Richtig, er hätte einen Fiskalimpuls organisiert, der die Wirtschaft angekurbelt hätte – zum Beispiel mit öffentlichen Investitionen oder Mehrausgaben für Bildung, Forschung, Energiewende oder Kinderbetreuung. Sagen wir einfach, der kluge Staatslenker hätte die Ausgaben so weit erhöht, dass ein Impuls von 1 Prozent der Wirtschaftsleistung dabei herausgekommen wäre. Oder sagen wir, weil wir etwas bescheidener geworden sind: 0,8 Prozent der Wirtschaftsleistung. Bei einem Bruttoinlandsprodukt von 6460 Mrd. Euro im vergangenen Jahr wären dies Mehrausgaben von 50 Mrd. Euro in diesen neun Euro-Ländern geworden – das wäre genau die Summe, die die dortigen Unternehmen 2013 weniger investiert haben. Bei 230 Millionen Einwohnern macht das 215 € pro Kopf.

Daher die oberste und einfachste Regel für jeden EU-Pakt und klugen Staatslenker: Solange die privaten Nettoinvestitionen sinken, brauchen diese Länder einen positiven Fiskalimpuls. Erst wenn die Nettoinvestitionen steigen, dürfen und können die Regierungen überhaupt an Ausgabenkürzungen denken.

Nun betteln die Vermögenden dieser Welt geradezu darum, dem deutschen Staat Geld für lau zu leihen. Sie wissen einfach (ob bewusst oder nicht), dass sie so viel Vermögen angesammelt haben, dass es sich eh nicht mehr verzinsen lässt auf dieser Welt. Und so verlangen sie auch keine Zinsen mehr, wenn sie der Bundesregierung ihr Erspartes überweisen. Die wiederum könnte die 50 Mrd. Euro natürlich somit locker stemmen. Wenn die Bundesregierung den anderen Regierungen im Euroland misstraut, kann sie auch gerne jedem Bürger diese 215 € einfach so überweisen (oder dabei sogar noch soziale oder ökologische Auflagen festlegen). Die privaten Haushalte müssen das Geld nur ausgeben. Besser wäre natürlich, wenn Berlin gleich noch 30 Mrd. Euro mehr einsammelt, um die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands zu sichern.

Oder ist die Orwellsche Amnesie in Berlin schon so weit fortgeschritten, dass sie dort längst vergessen haben, was Wettbewerbsfähigkeit wirklich heißt? Vergessen wir einfach für den Moment, dass wir nicht in einer Liquiditätsfalle sondern in einer Vermögensfalle gefangen sind. Hoffen wir, dass das globale Finanzsystem nicht schon wieder die nächste Finanzkrise produziert hat und Euroland (oder die USA und die Weltwirtschaft) „nur“ auf eine Stagnation (also eine fortschreitende Katastrophe mit steigender Arbeitslosigkeit) und nicht auf eine tiefe Rezession zusteuert. Was also, liebe Bundesregierung, wäre jetzt wohl zu tun? Oder wartet Ihr einfach ab, bis ein neuer Adolf Hitler vorbeikommt oder lieber doch gleich ein neuer Weltkrieg ausbricht?

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  • aristo

    Ein kluger Staatslenker hätte einen Mindestlohn von 15 Euro eingeführt.

  • thewisemansfear

    Ein noch klügerer Staatslenker hätte gleichzeitig über die Einkommenssteuer + Kapitalertragssteuer einen faktischen Maximallohn beschlossen, da er/sie erkannt hat, dass die vorherrschenden Konzentrationsprozesse nicht nur gestoppt sondern langfristig umgekehrt werden müssen. Ein Mindest- ohne ein Maximal- ist m.E. Augenwischerei.
    Was anderes als der plumpe Versuch einen Ausgleich zu schaffen, ist z.B. die Idee mit dem Kreisenlassen des Helikopters (mit Sachzwang) auch nicht.

  • Beate

    „(6 Mrd. minus -20 Mrd.)“

    Wieso wird daraus +26 Mrd. Euro?

  • admin

    Weil der Abstand zwischen 6 und -20 gleich 26 ist.

  • Harald Schumann

    Die Frage habe ich mir auch gestellt: Beziehen sich denn die + 6 Mrd. auf das Vorjahr oder auf 2012? Denn sonst sind es tatsächlich nicht + 26, sonderen eben nur + 6….

  • André Kühnlenz

    Nach einem Ausgabenminus von 20 Mrd. im Jahr 2012 gab es ein Plus von 6 Mrd. im Jahr 2013. Der Fiskalimpuls berücksichtigt einfach, dass sinkende Staatsausgaben immer einen negativen Effekt auf die Nachfrage in der Gesamtwirtschaft haben. Ein stark vereinfachtes Rechenbeispiel:

    Die Einnahmen und Ausgaben des Privatsektors steigen jedes Jahr um 5 Mrd. Euro:

    1. Jahr: 110
    2. Jahr: 115
    3. Jahr: 120
    4. Jahr: 125

    Um die gesamtwirtschaftliche Nachfrage zu messen, müssen wir die zusätzlichen Staatsausgaben dazu addieren, die sich entweder aus der Neuverschuldung oder den Einnahmen finanzieren. Die zusätzlichen Staatsausgaben sehen wie folgt aus:

    1. Jahr: +10
    2. Jahr: +5
    3. Jahr: -20
    4. Jahr: +6

    Damit bekommen wir diese gesamtwirtschaftliche Nachfrage als Summe aus privaten Ausgaben und zusätzlichen Staatsausgaben:

    1. Jahr: 120 (110 plus 10)
    2. Jahr: 120 (115 plus 5)
    3. Jahr: 100 (120 plus -20)
    4. Jahr: 131 (125 plus 6)

    Im zweiten Jahr senkt der Staat seine zusätzlichen Ausgaben von 10 auf nur noch 5, aber die Einnahmen des Privatsektors steigen um 5 auf 115. Insgesamt bleibt die Nachfrage wie im ersten Jahr bei 120, denn der negative Fiskalimpuls von -5 (5 minus 10) frisst die steigenden Einnahmen im Privatsektor auf.

    Im dritten Jahr entschließt sich der Staat, seine Schulden um 20 abzubauen – es gibt also keine zusätzliche Neuverschuldung, sie wird negativ. Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage sinkt damit um 20 auf 100. Obwohl der Privatsektor wie jedes Jahr 5 mehr ausgibt, bremst der Staat mit einem negativen Fiskalimpuls von -25 (-20 minus 5). Hätte der Staat seine Neuverschuldung bei 5 belassen (was einem Fiskalimpuls von 0 gleichkommt: 5 minus 5), wäre auch die gesamtwirtschaftliche Nachfrage um 5 gestiegen.

    Nun kommen wir zum vierten Jahr, das mit den Zahlen in dem Beitrag vergleichbar ist. Die Nachfrage steigt plötzlich von 100 auf 131. Um 5 steigen wie jedes Jahr die Einnahmen und Ausgaben im Privatsektor und der Staat schiebt die Wirtschaft mit einem positiven Impuls von 26 an (6 minus -20). Die gesamtwirtschaftliche Nachfrage steigt um 31.

    Konkret in der Realität muss man natürlich alles ins Verhältnis zum Bruttoinlandsprodukt setzen, so berücksichtigt man dann auch die Effekte, dass steigende und sinkende Staatsausgaben natürlich auch wieder auf die Einnahmen und Ausgaben des Privatsektor durchschlagen und nicht wie jetzt gerade angenommen jedes Jahr um 5 Mrd. € steigen. Das Zahlenbeispiel im Beitrag wiederum sollte nur der Illustration dienen.

    Mathematisch ist der Impuls einfach die erste Ableitung oder die Veränderung der Veränderung.

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