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Die Einschläge kommen näher: Alarmsignale für die Konjunktur – Update („Es ist eine Katastrophe“)

Dieser Beitrag basiert auf einem Leitartikel im WirtschaftsBlatt vom 8. Juli 2014.

Und wieder einmal erleben wir das wundersame Phänomen, dass die deutsche Wirtschaftspresse schlechte Konjunkturmeldungen am liebsten ganz weit hinten versteckt. Am besten so, dass sie bloß keinem Leser auffallen. Gerade in dieser Woche war dies sehr schön in der FAZ zu beobachten. (Vielleicht erinnert sich noch jemand an die lachsrosa Ausnahme namens FTD…) Wahrscheinlich fürchten sie in den Redaktionsstuben, dass die Unternehmenslenker sich mehr von der Stimmung in den Gazetten als von der eigenen Auftragslage anstecken lassen – so genau weiß man das ja nicht.

Die neuesten Konjunkturmeldungen aus Deutschland sind jedenfalls ein schlechtes Omen für die europäische Wirtschaft. Die deutschen Industriebetriebe bekommen immer weniger Bestellungen herein. Seit März schrumpft die Produktion – insgesamt bereits um zwei Prozent. Pessimistische Volkswirte rechnen damit, dass im Frühjahrsquartal die Wirtschaftsleistung gerade noch so stagniert sei. Sollten sich die Konjunkturdaten im Juni nicht gebessert haben, werde das Bruttoinlandsprodukt um 0,3 Prozent sinken (im Vergleich zum Vorquartal) – das schrieb Andreas Scheuerle von der Deka-Bank am Montag – bevor die schlechten Exportzahlen vom Mai bekannt wurden.

Eine gewisse Erholung im Juni ist zwar sogar durchaus wahrscheinlich gewesen, weil viele Beschäftigte um den 1. Mai herum Brückentag und Urlaub genommen hatten. Doch selbst wenn wir dies berücksichtigen sieht es nicht wirklich gut aus. Ein Blick auf die Auftragslage der deutschen Industrie spricht Bände – hier als Dreimonatsdurchschnitt (wegen der Arbeitstage) und jeweils als Veränderung zum Vorjahr für den langfristigen Trend. Auch dann, wenn wir beachten, dass der vergangene Winter außerordentlich milde war in Deutschland: Der konjunkturelle Trend scheint längst gedreht zu haben.

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Doch damit nicht genug. Auch im gesamten Euroraum habe sich die Konjunktur alarmierend scharf verlangsamt, warnt die Beratungsfirma Capital Economics. In Spanien war zuletzt die Industrieproduktion ebenfalls rückläufig. Sie war seit Mitte 2011 um elf Prozent eingebrochen. Davon hat sie gerade einmal 1,2 Prozentpunkte aufgeholt. In Italien (-1,2% im Mai) und Frankreich (-1,7% im Mai) sieht es nicht besser aus. Als Gründe für die Abschwächung machen die Fachleute vor allem geopolitische Risiken durch den Russland-Ukraine-Konflikt und die Irak-Krise aus sowie die Verteuerung des Euro bis in das Frühjahr hinein.

*** (Ergänzung vom 11.07.) Und so schreibt Heiner Flassbeck am heutigen Freitag:

„Die neuesten Daten zur europäischen Konjunktur (auch hier wieder schnell und klar gestern gemeldet von der FT) sind, ohne jede Übertreibung, eine Katastrophe. Sie zeigen, dass an dem ganzen Gerede vom Aufschwung in Europa nichts dran war. Der Einbruch der Industrieproduktion im Mai müsste, angesichts des niedrigen Niveaus, auf dem sich die Industrieproduktion befindet, zum sofortigen Rücktritt des deutschen Finanzministers führen, der mit seiner Austeritätspolitik ganz Europa in den Abgrund führt.“

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Interessant ist auch ein Blick auf den vielleicht besten Vorlaufindikator für die Konjunktur im Euro-Raum: Das ist unser aller täglich verfügbares Geld auf den Bankkonten sowie der Bargeld im Umlauf (auch Geldmenge M1 genannt). Es geht um das Geld, das Unternehmen und Konsumenten relativ problemlos ausgeben können. Für Holger Schmieding, Chefvolkswirt der Berenberg Bank, zeigt diese Geldmenge mit einer gewissen Vorlaufzeit (von drei Quartalen) immer wieder zuverlässig die Wendepunkte im Konjunkturverlauf an. Allerdings bezweifelt Schmieding aktuell (in einem Report von Anfang Juni) die Aussagekraft seines Lieblingsindikators. Gleichwohl sollten wir gewarnt sein, dass die vermeintliche Minierholung im Euroland womöglich längst vorbei ist.

140708_EU_EMDREIIn den östlichen EU-Ländern sind die Spuren bereits klar erkennbar. In Polen, Tschechien und Ungarn zeigt sich, dass die Volkswirtschaften das hohe Wachstumstempo von Anfang des Jahres nicht durchhalten werden. Viele Länder profitieren derzeit eher davon, dass öffentliche Gelder aus Brüssel reichlich fließen – was bis zum Ende der laufenden EU-Finanzierungsperiode 2015 noch etwas Schwung bringt.

Noch wissen wir aber nicht, wie lang diese Schwächephase in Deutschland anhält, und ob demnächst eine neue Rezession droht. Wünschenswert wäre es auf jeden Fall, wenn Deutschland endlich anfangen würde, seinen Investitionsstau abzubauen. So würden die Deutschen der gesamten EU einen wichtigen Wachstumsschub geben. Nach EU-Prognose werden die öffentlichen Haushalte 2015 bereits 42 Milliarden € weniger investiert, als sie seit zehn Jahren abgeschrieben haben. Straßen, Schienen und Wasserwege in Deutschland verkommen zusehends. Dabei könnte sich zumindest die Berliner Bundesregierung sogar noch mehr Schulden leisten. Denn nächstes Jahr, so sagt die EU voraus, wird die Zinslast des deutschen Staats auf gerade einmal 1,8 Prozent der Wirtschaftsleistung sinken.

Soll keiner sagen, er sei nicht gewarnt gewesen, wenn im Sommer die Stimmungsindikatoren drehen werden…

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  • aristo

    Sehr ausführlicher Artikel. Daumen hoch!

  • popper

    Auch dieser Artikel zeigt, dass man in Deutschland immer noch nicht bereit ist Ross und Reiter zu nennen. Der Schüssel liegt in Deutschland das sein kläglich scheiterndes Wirtschaftsmodell ausgeben muss. Die Politik des Lohndumpings hat die ganze Eurozone Ins Verderben geführt. Macht Deutschland so weiter, wird es selbst Opfer seiner Politik.

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