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Meine Stimme aus Wien: Kiew muss auf den Osten eingehen

Mein Leitartikel aus dem Wirtschaftsblatt vom 27. Mai 2014:

„Frieden ist nur möglich, wenn die Ukraine niemals der Nato beitritt“

Der voraussichtlich neue Präsident der Ukraine behauptet von sich, er sei kein Oligarch. Petro Poroschenko strebt das höchste Amt im Staat an – aber nicht, damit seine Geschäfte besser laufen, sagte er vor den Wahlen. Nachdem am Sonntag klar wurde, wer das Land die nächsten fünf Jahre führen wird, kündigte er umgehend an: Er werde so schnell wie möglich seine Unternehmungen verkaufen. „Nur“ seinen einflussreichen Fernsehkanal, den will er behalten.

Doch kann der Milliardär das Land in eine friedliche Zukunft führen, ohne sich mit den Oligarchen abzustimmen? Schon die jetzige Regierung, deren Chef bis zu vorgezogenen Parlamentswahlen wohl im Amt bleibt, vertraute steinreichen Geschäftsleuten. Was in Dnjepropetrowsk leidlich klappte, ging im Donbass jedoch gründlich schief. Die östlichen Regionen kommen nicht zur Ruhe, und das Land driftet auseinander – maßgeblich gesteuert von der anderen Seite der östlichen Grenze aus: Sei es die Janukowitsch-Familie im Exil, seien es Kräfte in Moskau oder sonstige Extremisten in Russland.

Erste Äußerungen Poroschenkos lassen darauf schließen, dass der neue Präsident eine pragmatische Lösung mit dem Kreml suchen wird. Es spricht einiges dafür, dass Putin mit sich reden lässt, wenn es darum geht, die Ukraine enger an die EU zu binden. Noch stehen wichtige Gespräche über den Handelsteil des Assoziierungsabkommens an, wie die deutsche Bundeskanzlerin, Angela Merkel, vor Wochen angekündigt hat.

In einer Frage wird sich Moskau aber niemals bewegen – das haben die jüngsten blutigen Wochen gezeigt: Die Ukraine darf auf keinen Fall der Nato beitreten. Um eine Aufnahme in das Militärbündnis zu verhindern, hat Russland bereits am 17. März einen Fahrplan vorgelegt. Das Wahlvolk soll unter anderem über eine Föderalisierung und die Neutralität des Landes abstimmen.

Eine weitgehende Autonomie der Regionen erlaubt es Russland, seinen Einfluss zu behalten. Dafür würde es wie bisher auch seine Beziehungen mit den Oligarchen in Gebieten wie dem Donbass ausspielen. Die bisherige Führung in Kiew hat ohnehin schon eine zentrale Forderung der friedlichen Maidan-Bewegung verraten: Die Macht der Oligarchen – die kann und will sie gar nicht brechen.  Selbst das Wahlvolk vertraut noch immer Leuten mit wirtschaftlicher Macht. Auch das ist Demokratie. Es wird Zeit, dass Kiew den Osten endlich ernst nimmt.

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