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Noch mehr Hoffnung: Ein deutsches Hilfsprogramm für den Donbass – 2. Update

Wie hier seit Wochen beschrieben, wird die Ukraine mit der jetzigen Führung wohl niemals Frieden finden. Schauen wir jedoch auf den aussichtsreichsten Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen am Sonntag, dann könnte doch so etwas wie Hoffnung aufkeimen. Zum Glück. Etwas Zuversicht verbreitet sich zum Beispiel, wenn wir uns das sehr lesenswerte Porträt des Kandidaten Petro Poroschenko durchlesen, das Konrad Schuller für die FAZ am Dienstag aufgeschrieben hat.

So richtig spannend wird es fast am Ende des sehr langen Artikels. Bei seinen Wahlkampfauftritten lasse der Mann natürlich keinen Zweifel über die proeuropäische Richtung seines Landes, schreibt Schuller. Auch im Kampf für die Einheit der Ukraine sei kein Kompromiss möglich. Dies sind allerdings Punkte, wo die Ukraine mit Russland höchstwahrscheinlich eine Lösung finden wird – wenn Moskau irgendwann seine Propagandamaschine wieder herunterfahren sollte.

(Nennt mich naiv, aber ich kann in der von Moskau vorgelegten Roadmap vom 17. März keine Aggression oder irgendeinen Neoimperialismus Russlands erkennen – strittig darin ist nur die Anerkennung der Krim.)

Weiter schreibt der Autor:

„In seinem Tross aber sind neben solchen Schlachtrufen auch andere Töne zu hören. Das Argument, das Vorwurfsstakkato dieses Kandidaten gegen „Terroristen und Mörder“ werde die russischsprachige Bevölkerung der Unruheregion Donbass nur noch weiter von „Kiew“ entfernen, wird hinter den Kulissen jedenfalls nicht rundweg zurückgewiesen – ebenso wenig wie der Gedanke, neben entschlossenem Gegendruck müsse es auch Angebote an die friedliche Mehrheit mit ihren Autonomiebestrebungen geben.“

Auch das klingt hoffnungsvoll. Hatte ich hier nicht geschrieben, dass ich sehr gerne dabei gewesen wäre, als Poroschenko und Merkel sich jüngst in Berlin getroffen hatten. Genau dazu berichtet der FAZ-Autor Schuller Bemerkenswertes:

„Offenbar soll hier auch Deutschland eine Rolle spielen – in Poroschenkos Führungsstab heißt es jedenfalls, bei dessen Besuch in Berlin Anfang Mai habe er mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und mit Außenminister Frank-Walter Steinmeier über ein deutsches Hilfsprogramm für das Donbass gesprochen, um Arbeitsplätze zu schaffen und das schlechte Image der EU in dieser Region zu verbessern. Die Deutschen hätten zugesagt, die Idee zu unterstützen.“

Die Imagekampagne für die EU können sie sich natürlich sparen. Denn die bräuchte in erster Linie Kiew.

Dazu müsste das Parlament – das ja auch nach Sonntag noch das alte sein wird – alle Nationalisten in verantwortlichen Positionen ablösen (vor allem den Generalstaatsanwalt und den Chef des Sicherheitsrats) und es bräuchte so schnell wie möglich Parlamentsneuwahlen. Wichtiger noch: An diesem Termin sollten die Ukrainer zugleich über Verfassungsgrundzüge abstimmen: Darüber, ob sie gewisse föderale Strukturen wollen oder nicht – z.B. die Wahl der Gouverneure. Und ob sie Russisch als zweite Staatssprache sowie die Neutralität des Landes festschreiben. Dann lässt sich auch der Osten leichter befrieden – ganz ohne „Anti-Terror-Operation“.

Insgesamt verstärkt sich mein Gefühl etwas, dass sich Berlin tatsächlich auf dem richtigen Weg befindet. Auch daran sollten wir denken, falls sich jemand die berühmte Schreirede Steinmeiers auf Youtube anschauen sollte. Sicher, es bleibt nur ein vages Gefühl, denn alles erfahren wir leider nicht, was in den Hinterzimmern beredet wird. Die alten „Putinversteher“ in SPD und Union scheinen im Hintergrund gute Arbeit zu leisten. Wieder ein Stück mehr Anfang vom Ende des Ukraine-Konflikts.

Update #1 (22. Mai 2014 – 13:00)

Soeben berichtet die Nachrichtenagentur „Interfax-Ukraine“ von der heutigen Pressekonferenz Poroschenkos in Lwiw. Demnach sagte er, dass eine Verfassungsreform erst möglich sei, nachdem die Präsidentschaftswahlen und vorgezogene Parlamentswahlen stattgefunden haben. Wörtlich sagte er (meine Übersetzung):

„In der Verfassungsreform passiert derzeit nichts, weil sie niemand durchführen kann. Im Parlament gibt es keine Verfassungsmehrheit und in diesem Parlament wird es sie auch nicht geben.“

(„С конституционной реформой сейчас ничего не происходит, поскольку некому ее проводить. В парламенте не существует конституционного большинства и в этом парламенте его не будет.“)

Der ganzen Welt sei klar, dass im Land ein Präsident gemäß der Verfassung des Jahres 2004 gewählt werden sollte. „Und der Präsident wird aktiv an der Ausgestaltung der Verfassungsreform teilnehmen“, sagte Poroschenko weiter.

Damit dürfte klar sein, dass wir alles vergessen können, was derzeit an den „Runden Tischen“ oder im Parlament beschlossen und beredet wird. Und das ist  – nach allem, was wir in den vergangenen Wochen von dieser unterirdischen Führung in Kiew erlebt haben – auch gut so. Bekanntlich wollte es Russland in seiner Roadmap vom 17. März genau anders herum: Erst Verfassungsreferendum, dann Neuwahlen. Es sollte aber nicht ausgeschlossen sein, dass sich Moskau auch hier kompromissbereit zeigen wird, solange wichtige Ideen „berücksichtigt“ werden. Im Moment sieht in der Tat vieles nach Deeskalation von Seiten Russlands aus.

Update #2 (22. Mai 2014 – 18:00)

Wie schnell doch die Zuversicht wieder schwinden kann. Vorhin kam die Meldung, dass die Ukraine den Uno-Sicherheitsrat zu einer Dringlichkeitssitzung angerufen hat. Dort will die Ukraine folgendes präsentieren:

“We are addressing our partners at the UN Security Council to immediately convene a UN Security Council session. We will present evidence proving that attempts to escalate the conflict […] and disrupt the presidential elections have been made on the part of Russia,” Ukrainian Prime Minister Arseniy Yatseniuk told journalists in the Kyiv region on Thursday.

Jetzt dürfte also klar sein, dass der Steinmeier/Merkel-Plan zur Lösung des Konflikts zu scheitern droht. Noch besteht die Bundesregierung darauf, dass die OSZE am Montag oder Dienstag entscheidet, ob die Präsidentschaftswahlen so verlaufen sind, dass man sie als legitim bezeichnen kann. Doch für Kiew ist jetzt schon alles klar: Russland hat die Durchführung der Wahlen verhindert. Und für den Fall, so hat es Frau Merkel bei ihrem Besuch in Washington versprochen, wird die EU zusammen mit Amerika Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängen. Selbst wenn Berlin will, kann die Bundesregierung dann nicht mehr hinter diese Ankündigung zurücktreten. Vieles wird aber davon abhängen, wie stichhaltig sich die Beweise der Kiewer Führungen erweisen werden.

Es könnte also alles umsonst gewesen sein: Wir vermuten alle, dass Russland einen gewissen Einfluss auf die Milizen hatte und vielleicht noch immer hat. Wir haben in den vergangenen Tagen aber Zeichen der Entspannung von Seiten Russlands gesehen. Doch wie es scheint, sind bestimmte Kräfte (in Kiew und Washington) an einer Deeskalation nicht wirklich interessiert. Wundert sich eigentlich noch jemand, dass der Nato-Russland-Rat vor den Wahlen nicht mehr zusammenkommt? So hatte es Moskau vorgeschlagen, um die Lage im Osten zu deeskalieren. Brüssel – also die Nato – beharrt auf einem Termin in der nächsten Woche – wenn schon alles zu spät sein dürfte.

Heute Nacht um 0.30 Uhr (unserer Zeit) wird John Kerry eine Rede halten, die im Internet übertragen wird. Dann werden wir vielleicht schon mehr wissen. Auch, wer kein Interesse an der Lösung des Konflikts hat.

Nachtrag: Frank Lübberding schreibt auf Twitter, dass ich meinem „jüngsten Update zu pessimistisch“ sei. Da mag er recht haben. Um 15 Uhr veranstaltet das State Department ein Google+ Hangout on Ukrainian Elections. Das könnte interessant werden.

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