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USA provozieren Einmarsch Russlands in der Ukraine – Merkel muss uns den Irak-Schröder geben! – 5. Update

Zunächst muss eins festgehalten werden: Die Besetzungen von Verwaltungsgebäuden und die prorussischen Demonstrationen in der Ostukraine haben erst begonnen, nachdem die US-Regierung (zuletzt vor zwei Wochen in Paris) und die illegitime Regierung in Kiew der Führung in Moskau signalisiert hatten, der russische Vorschlag einer Föderalisierung der Ukraine kommt für sie nicht in Frage. In Kiew ist der von Nato und US-Regierung finanzierte (Übergangs-)Ministerpräsident nicht einmal bereit, darüber zu reden.

Nun weiß natürlich auch Moskau, dass eine Verfassung von einem legitimen Parlament oder in einer Volksabstimmung verabschiedet werden muss. In diesem Sinne, kann der Vorschlag aus Moskau nicht als Einmischung in die inneren Angelegten der Ukraine gewertet werden. Sondern als Gesprächsgrundlage. Zumal es auch ukrainische Präsidentschaftskandidaten und Politiker im Osten und Südosten der Ukraine gibt, die den Vorschlag einer Föderalisierung der Ukraine unterstützen. Am Ende bleibt es immer die Entscheidung des ukrainischen Volkes, welche Verfassung es sich gibt.

Was treibt die CIA in Kiew?

Nun sollen am nächsten Donnerstag Verhandlungen in Genf stattfinden, wo Vertreter der Ukraine, Russlands, der EU und der USA über eine Deeskalation in der Krise reden wollten. Dabei war geplant, auch über eine Verfassungsreform zu reden sowie über die russische Forderung nach Neutralität der Ukraine – was von Deutschland und Österreich unterstützt wird.

Am Samstag sagte der russische Außenminister, dass die Gespräche in Genf platzen werden, wenn Kiew Gewalt gegen die prorussischen Demonstranten einsetzt, bei der staatlichen Agentur Ria Nowosti werden sie übrigens auch „Unterstützer der Föderalisierung“ genannt. Und heute meldet eine andere russische Nachrichtenagentur, Interfax (laut Wikipedia die erste nichtstaatliche Agentur Russlands), dass gestern CIA-Chef John Brennan nach Kiew gereist ist und dass die Militäraktion in Slawjansk auf seine Vorlage („принималось именно с его подачи, с его руки“) zurückgeht. Die Agentur beruft sich auf eine Quelle im Kiewer Parlament, sie konnte diese Information aber selber nicht verifizieren.

Die Wahrheit stirbt immer zuerst

Natürlich müssen wir vorsichtig sein, welchen Quellen wir jetzt noch vertrauen dürfen. Fakt ist aber, dass Kiew seit heute mit einer Militäraktion in der Ostukraine begonnen hat. Aktuell gibt es erste Tote auf beiden Seiten. Andererseits ist auch klar, dass Russland sich seit zwei Wochen einen strategischen Vorteil für mögliche Verhandlungen schaffen will. Aber wie bereits erwähnt, fingen die Russen erst damit an, nachdem Washington und Kiew sich geweigert hatten, über eine Föderalisierung der Ukraine zu reden.

Wer darauf aber mit staatlicher Gewalt reagiert, wer damit die Genfer Gespräche platzen lässt, wer prorussische Demonstranten tötet – liefert nur den Vorwand für einen Einmarsch Russlands. Falls die Truppen nächste Wochen einmarschieren sollten, es wäre wohl wieder einmal ein Einmarsch mit Ansage. Denn Putin kann gar nicht anders. Er hat seiner Öffentlichkeit versprochen, dass er zum Schutz der russischen Bevölkerung militärisch eingreifen wird. Bei der aufgeheizten patriotischen Stimmung in Russland derzeit kommt er da so einfach nicht mehr raus.

Jeder deutsche Spitzenpolitiker muss sich dessen klar sein, was gerade in der Ukraine passiert. Steinermeier muss noch heute mit klaren Worten die Aktionen der ukrainischen Führung verurteilen. Er darf nicht nur Russland kritisieren. Die EU und besonders Deutschland dürfen sich nicht zum „nützlichen Idioten“ zweifelhafter Gestalten in Kiew (und Washington) machen lassen. Wir brauchen eine sofortige Waffenruhe, um die Genfer Gespräche nicht zu gefährden. Nur so kann wohl ein Einmarsch Russland noch verhindert werden.

Naiv, ein transatlantischer Dummkopf oder beides

Und falls der Einmarsch nicht mehr verhindert werden kann: Das alte Europa sollte sich spätestens dann ein Vorbild an Gerhard Schröder im Irak-Krieg nehmen. Was wir in der Ukraine sehen, sieht nach bewusster kriegerischer Eskalation durch die Amerikaner aus – zumindest erleben wir keine Schritte zur Deeskalation durch die USA. Dabei dürfen Deutschland und die EU nicht mitmachen. Diese Kriegsspirale muss sofort durchbrochen werden. Wer jetzt noch Sanktionen gegen Russland fordert, der ist entweder naiv, ein transatlantischer Dummkopf oder beides.

Seit an Seit mit Amerika gegen Russland, das will die deutsche Bevölkerung nicht, das will die deutsche Wirtschaft nicht. Das wollen wohl nur durchgeknallte Vertreter der Grünen.

Für ein friedliches Europa!

Update #1 (13.04. 16:35)

Jetzt ist auch der sehr lesenswerte Artikel aus der FAS online: „Das sowjetische Erbe lockt„. Er macht deutlich, welches strategische Interesse Russland auch am Osten der Ukraine hat. Denn hier geht es um einen wichtigen Standort für Rüstungslieferungen nach Russland. Zitat:

Ende März hat die Übergangsregierung in Kiew entschieden, die militärische Zusammenarbeit mit Russland zu beenden. „Ja, wir werden ökonomische Verluste erleiden“, schrieb der neu eingesetzte Chef der Rüstungsholding Ukroboronprom in einem Zeitungsbeitrag, „aber wenigstens werden wir nicht mehr den Feind aufrüsten.“

Noch einmal: In Kiew sitzen ein nicht-legitimes Parlament sowie Regierung, die diese Entscheidungen getroffen hat – mit Rückendeckung aus Washington, dessen Botschafter regelmäßig an Regierungssitzungen in Kiew teilnehmen soll. Und auch die EU lässt es ebenfalls geschehen. Eine friedliche Lösung sieht anders aus – sie müsste die östlichen Regionen mit einbinden und ja, auch Russland.

Update #2  (14.04. 00:00):

Natürlich sieht es in den Augen der Weltöffentlichkeit so aus, als wäre Russland hier der einzige Kriegstreiber. Aber so ist es nun einmal im Krieg, der schon längst begonnen hat. Jeder schiebt die alleinige Schuld auf den anderen. Deswegen sollten wir uns über den Ablauf der Ereignisse im Klaren sein.

Erinnern wir uns:

  • Mit der Angliederung der Krim hat Russlands Führung zunächst auf diplomatische Verhandlungen gesetzt, wobei zugleich die Truppen an der Grenze zur Ukraine nach Meldungen der Nato verstärkt wurden. Moskau brachte dabei zwei Hauptforderungen vor, über die man wenigstens hätte reden können: Neutralität und Förderalisierung der Ukraine.
  • Nach dem letzten Treffen von Kerry und Lawrow in Paris hat Moskau eine Woche abgewartet, welche Signale aus Kiew kommen. Doch die Verfassungsvorschläge aus Moskau, die auch von einigen Politikern vor allem in der Ostukraine geteilt werden, fanden bei der illegitimen Regierung in Kiew kein Gehör.
  • Erst als Russland angefangen hatte, im Osten der Ukraine wieder eine Drohkulisse aufzubauen, schlug Kerry auf einmal das Vierer-Treffen vor – am Montag vergangener Woche bei einem Telefonat mit Lawrow.
  • Am Freitag kam dann wiederum Ministerpräsident Jazenjuk ins Spiel, der in den Osten gereist war. Aus der Reuters-Meldung: „Der Entwurf einer neuen Verfassung sehe vor, dass die Regierung in Kiew eine ganze Reihe von Zuständigkeiten an die Regionen abtrete, sagte Jazenjuk während einer Reise in die ostukrainischen Städte Donezk und Dnipropetrowsk am Freitag. Dadurch könnten die Regionalregierungen einen großen Teil der Steuereinnahmen in die örtliche Wirtschaft und den Ausbau der Infrastruktur stecken. Die Vorschläge gelten als Versuch, die Forderungen prorussischer Separatisten zumindest teilweise zu erfüllen.“

Das ist aber nicht das, worüber Russland und seine Verbündeten im Osten der Ukriane gerne reden wollten. Und es ist damit ein deutliches Signal: Eigentlich wollen wir auch gar nicht mir Euch darüber reden. Wir bestimmen hier die Verfassung. Ihr Russen und Eure Verbündeten im Osten der Ukraine haben hier gar nichts zu melden.

Das sind allerdings auch Aussagen, die klar gegen das Abkommen verstoßen, das Steinmeier sowie sein polnischer und sein französischer Kollege Ende Februar kurz vor dem Sturz des alten Präsidenten Janukowitsch in Kiew ausgehandelt hatten. Es sieht nämlich vor, dass alle Regionen eingebunden werden sollen.

  • Am Samstag haben dann prorussiche Paramilitärs weitere Besetzungen durchgeführt. Wenn es nach den ersten Toten vom Sonntag tatsächlich zu dem befürchteten „Anti-Terror-Einsatz“ am Montagmorgen kommt, dann zeigt das nur eins: Hier hat jemand in Kiew (und in Washington) überhaupt kein Interesse an den Genfer Gesprächen. Hier wird nur ein Einmarsch provoziert.

Das Traurige daran: Es zeigt, wie machtlos die EU mittlerweile dasteht. Steinmeier und Merkel sind so was von raus aus diesem „Spiel“. Hier geht es nur noch um Amerika gegen Russland.

Update #3  (14.04. 11:45):

Erstmals bewegt man sich Kiew – nach zwei Wochen der Eskalation. Übergangspräsident Alexander Turtschinow hält ein Referendum über die Verfassung am 25. Mai für möglich, falls das Parlament in Kiew noch zustimme. „Wir haben nichts gegen ein Referendum. Mehr noch: Ich bin überzeugt, dass die Mehrheit der Ukrainer sich für eine unteilbare, unabhängige, demokratische und unitäre Ukraine aussprechen wird“, sagte er.

Abwarten, was jetzt passiert. Schwer vorstellbar, dass die prorussischen Paramilitärs in der Ostukraine freiwillig abziehen werden. Derweil dementiert die CIA nicht, dass sich John Brennan vergangenes Wochenende in Kiew aufgehalten hat. Der Präsidentschaftskandidat Oleg Zarjow behauptet laut Ria Nowosti sogar, dass US-Geheimdienste mittlerweile ein ganzes Stockwerk im Quartier des ukrainischen Gemheimdienstes SBU belegen.

Update #4  (14.04. 15:00):

Warum kommt die Führung im Kiew erst jetzt auf die Idee, ein Verfassungsreferendum abzuhalten, wenn sie sich so sicher ist, dass die Mehrheit für den Zentralstaat und gegen die Föderalisierung stimmen wird? Dann hätte man sich doch eventuell die Besetzungen durch russische Paramilitärs im Osten verkneifen können. Aber vermutlich wird es auch gar nicht zur Abstimmung kommen.

Folgende Meldung lief gerade über Reuters:

Die USA erwägen Waffenlieferungen an die Ukraine. „Wir betrachten das als eine Option“, sagte der US-Diplomat und Berater von Außenminister John Kerry, Thomas Shannon, am Montag in Berlin. „Es ist aber noch nicht klar, ob wir es tun werden oder nicht.“ Die ukrainische Führung hat die USA nach Angaben aus US-Regierungskreisen bereits vor einiger Zeit um die Lieferung von Waffen gebeten. Dieser Bitte kam die Regierung in Washington zunächst jedoch nicht nach, sondern beschloss lediglich, die ukrainische Armee mit Lebensmitteln zu unterstützen.

Update #5 (14.04. 20:30)

Und wieder aus einer Reuters-Meldung (hier die englische): USA bestätigen Besuch des CIA-Chefs in Kiew

Die USA haben bestätigt, dass sich CIA-Chef John Brennan am vergangenen Wochenende in Kiew aufgehalten hat. „Normalerweise äußern wir uns nicht zu den Reisen des CIA-Direktors“, sagte ein Sprecher des US-Präsidialamtes am Montag in Washington. „Angesichts der besonderen Umstände in diesem Fall und wegen der von Russland vorgebrachten Unterstellungen hinsichtlich der CIA bestätigen wir, dass der Direktor als Teil seines Europabesuchs in Kiew war.“ Russland hatte Medienberichten zufolge die USA aufgefordert, sie sollten erklären, was Brennan in der Ukraine gemacht habe.

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  • Rob

    Die Darstellung der Entwicklungen (in diesem Beitrag) halte ich für problematisch. Dies fängt bei der Interpretation der Geschehnisse in Paris an. Es mag sein, dass die Separatisten nach jenem Treffen zwischen Kerry und Lawrow richtig angefangen haben, als klar wurde, dass für Kerry eine Föderalisierung nicht infrage kam. Man muss dann aber auch genau zitieren, was Kerry sagte:
    „Kerry entgegnete, es sei an der Ukraine, über den Vorschlag zu entscheiden. Eine Föderalisierung sei bei dem Treffen mit Lawrow nicht ernsthaft erörtert worden. Dies wäre ohne ein Mitreden der Ukraine nicht angemessen gewesen. „Es werden keine Entscheidungen über die Ukraine ohne die Ukraine getroffen“ http://www.zeit.de/politik/ausland/2014-03/ukraine-usa-russland-lawrow-kerry
    Hat er da nicht etwa recht?

    Je nachdem, wie dieses bewertet wird, unterscheidet die Bewertung der Ereignisse, die bis heute entstanden sind. Insofern kann ich dem Autor folgen, aber nicht nachvollziehen!
    Wer provoziert hier den Einmarsch der Russen in Ukraine? Die sog. Separatisten. Denn den Russen ist klar, dass die nur einmarschieren können, wenn es einen guten Vorwand gibt, z.B. wenn die Ukrainer hart durchgreifen.
    Bedenke auch, dass Moskau die Pressefreiheit eingeschränkt hat, um die Propaganda freie Bahn zu gewähren: http://www.tagesschau.de/ausland/moskau-demo104.html . Protest in Moskau für Pressefreiheit. Oder ist dieser Protest vielleicht von den USA inszeniert?

  • André Kühnlenz

    Lieber Rob,

    Die prorussischen Demonstrationen und Besetzungen fingen genau eine Woche nach dem Pariser Treffen zwischen Kerry und Lawrow an. Kerrys Zitat hatte ich schon im vorherigen Beitrag gebracht. Mir ist schon klar, was er dort gesagt hat. Das Selbe sagt übrigens auch Lawrow: Die Ukraine muss ihre Angelegenheiten selber lösen (und nicht von den USA/Westen diktiert bekommen…, wie er glaubt.)

    “Es werden keine Entscheidungen über die Ukraine ohne die Ukraine getroffen“ – Ja, das hat Kerry schön gesagt, aber das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Kein Land kann einem anderem eine Verfassung vorschreiben. Das wissen auch die Russen. Sie wollen nur, dass man über ihren Vorschlag redet und nicht nur über die Ideen eines Parlaments und einer Regierung, die dringend eine neue Legitimtät bräuchten.

    Ministerpräsident Jazenjuk hat es erst gestern in Donezk noch einmal klar gemacht, dass es für ihn aber gar nicht in Frage kommt, was die Russen da vorschlagen. Verkleidet als Kompromissvorschlag an die prorussischen Kräfte… Welchen Sinn ergeben dann aber die Gespräche in Genf noch? Diese Regierung in Kiew bewegt sich nicht und sendet nur Signale der Konfrontation – und das mit Rückendeckung Washingtons.

    Daraufhin haben am Samstag wahrscheinlich russische Paramilitärs in zwei weiteren mittleren Städten (Slawjansk und Kramatorsk) Besetzung durchgeführt. Die Russen haben nach Kerrys Worten in Paris eine Woche lang gewartet und geschaut, welche Signale aus Kiew kommen.

    Und jeder, der da was zu sagen hat in Kiew, hat in dieser Woche die russischen Vorschläge klar abgelehnt. Das ist jedenfalls nicht der Weg des Dialogs. Deswegen bauen die Russen weiterhin eine Drohkolisse auf. Und jetzt drohen sie aus Kiew mit Ultimaten (auf Vorschlag der CIA…?) Sehr toll…! Steinmeier dagegen, so ist mir in Erinnerung (ich kann gerade leider keinen Link finden) hat klar gesagt, bei diesen Gesprächen in Genf müsse es auch um eine Verfassungsreform gehen. Das hätte zum Beispiel Kerry in Paris auch sagen können – hat er aber nicht….

    ps: Ich möchte noch einmal betonen, dass es mir nicht um eine Verteidigung und Verstehen Russlands geht. Man muss aber auch nüchtern schauen, was hier passiert.

  • Thomas

    Schlimm auch, dass Prag nicht auf die guten Vorschläge aus Berlin eingegangen ist … Wien war ja noch zu Kompromissen bereit.

  • Rob

    Lieber André, ich starte mit diesem Zitat von dir: „Das wissen auch die Russen. Sie wollen nur, dass man über ihren Vorschlag redet und nicht nur über die Ideen eines Parlaments und einer Regierung, die dringend eine neue Legitimität bräuchten.“

    Das mit der Übergangsregierung ist klar. Aber muss diese Föderalisierung unbedingt jetzt angesprochen werden? Es reicht doch, damit zu warten, bis die Präsidentenwahl einmal durch ist? Und da ist noch etwas: es ist immer eine gute Idee, wenn eine Bevölkerung erst mal genügend Zeit hat, über eine breitgefächerte Informationsversorgung zu einem ausgewogenen Urteil zu kommen. An der Stelle ist der Krimprozess völlig daneben gegangen. Und die zwei Möglichkeiten, die die Krim-Bewohner hatten, waren echt lächerlich. Nicht einmal die Möglichkeit, bei Ukraine zu bleiben, war vorgesehen. Auch aufgrund *dieser* Vorgeschichte traue ich Putin gar nicht. Ich kann verstehen, wenn ein ehemaliger Solidarnosc-Mann, der lt. einem NL-Zeitungsartikel, den ich gelesen habe, hoch angesehen ist in Ukraine, auch absolut misstrauisch ist. Als ich sein Name las, Adam Michnik, habe ich gegoogelt, und folgende Artikel von seiner Hand gefunden:
    http://www.newrepublic.com/article/116832/adam-michnik-ukraine-might-be-beginning-putins-end
    Stichwort: “brotherly help”, immer wieder!

    Ich weiß, die Außenminister Polens, Frankreichs und Deutschlands haben eine Vereinbarung getroffen. Die wurde nicht gehalten. Das kann man m.E. noch mit der ungeheuren Dynamik der Ereignisse in jenen Tagen entschuldigen. Ein richtiger Formfehler war natürlich die Art und Weise, wie Janukowitsch abgesetzt wurde (Verfassungswidrig). Aber andererseits… Er war geflohen.

    Das Turtschinow nun ein Referendum nicht mehr ablehnt: hätte er m.E. nicht machen müssen. Er hätte sagen können: erst der neue Präsident, dann sehen wir weiter. Das kann man auch als Ausdruck der Tatsache ansehen, dass er nur quasi kommissarisch das Amt inne hat.
    Dass er nun sagt, er sei sich sicher, dass ein Referendum „pro Einheit“ ausfällt, spielt keine Rolle. Würdest du dir das bieten lassen, wenn ein anderes Land quasi mit der Pistole auf der Brust sagt „Referendum, aber bitte dalli!“? Ich würde mir nicht so entwürdigen lassen, sondern das Thema auf einem späteren Zeitpunkt verlegen, aus eigener Souveränität heraus.
    Das er jetzt nachgegeben hat, zeigt vielmehr, wie professionell die sog. Separatisten – ja „sog.“! – ihre Besetzungen umgesetzt haben, dies in Kombination mit dem grummeln des Bären, der ja sehr glaubhaft „brotherly help“ anwenden würde. Die Separatisten rufen ja danach. Das ist alles so verlogen! Und bis deren Erscheinen war alles erkennbar friedlich! Nur abgesehen von Demos und einige kleinere Vorfälle.

  • André Kühnlenz

    @Rob

    Zunächst kann ich natürlich nicht behaupten, dass ich weiß, was die wahren Ziele und Absichten Putins sind. Was aber auffällt: Seitdem die Krise ausgebrochen ist, unternimmt man nichts, um mit Russland zu reden. Es gibt Initiativen aus Deutschland, demnach hätte es schon seit Ende Januar – seit dem Russland-EU-Gipfel – Verhandlungen über den Handelsteil des Assoziierungsabkommens geben sollen. Merkel will das wohl noch immer. Das ist aber bis heute nicht passiert und wird von der EU bewusst blockiert, wie mein WirtschaftsBlatt-Kollege in Brüssel erfahren hat. Auch Putin hat es in seinem Brief an die EU-Regierungschefs vom Donnerstagabend noch einmal klar angesprochen.

    Man hat auch vorher nicht mit Russland geredet, als das Abkommen kurz vor dem Abschluss stand. Der deutsche Russland-Experte Alexander Rahr, dem eine gewisse Nähe zu Putin nachgesagt wird, berichtet, dass Putin erst im September erfahren hat, dass das Abkommen auch eine Sicherheitspartnerschaft mit der EU vorsieht. Die Frage ist doch, warum hat man nicht versucht mit Russland jemals zu reden? Wäre eine Annäherung an die EU wirklich nicht möglich gewesen, die auch berücksichtigt, dass Russland geostrategische und wirtschaftliche Interessen in der Ukraine hat?

    Dann gab es einen Umsturz in Kiew, der maßgeblich in den entscheidenden Stunden durch den „Rechten Sektor“ betrieben wurde. Der Westen hat offen die demokratische Opposition unterstützt und man könnte auch dies als Einmischung in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates und damit als Verstoß gegen das Völkerrecht verstehen. So hat zum Beispiel die Konrad-Adenauer-Stiftung offen Klitschko unterstützt – es war so offen, dass der Spiegel darüber berichtet hat.

    Und diese demokratische Opposition – mit Rückendeckung des Westens – hat die Eskalation durch den „Rechten Sektor“ Ende Februar in Kauf genommen und damit auch den Umsturz in Kiew. Es gibt auch Berichte, wonach der „Rechte Sektor“ Janukowitsch ein Ultimatum gestellt, dass es bis dann und dann fliehen dürfe. Und selbst wenn das nicht so war, sollte einmal Merkel für einen halben Tag am Samstag auf ihrer Datscha nicht erreichbar sein – rechtfertigt das schon ihre Absetzung als Bundeskanzlerin?

    So und jetzt kommen einige Kommentatoren und erklären uns, dass hier der Neoimperialismus Russlands am Werk ist. Dabei gibt es einige ganz rationale und nüchterne Erklärungen für das, was Putin macht. Dafür müssen wir gar nicht tief in irgendwelche psychologischen, historischen oder sonst was für Kisten greifen:

    1. Putins hat angesichts der Ereignisse das Vertrauen in den Westen komplett verloren. Da kann auch Merkel so oft ihre Enttäuschung über Putin beklagen. Das ist einfach so.

    2. Deswegen schafft Putin Tatsachen, bevor diese in Kiew geschaffen werden und wo Russland eben keinen Einfluss mehr hat.

    3. Die erste Tatsache war die Besetzung und Angliederung der Krim – die natürlich nicht ganz sauber abgelaufen ist. Immerhin ging dies aber fast unblutig über die Bühne.

    4. Nach dieser Machtdemonstration lenkt Kiew aber immer noch ein und lässt weiterhin keine Gespräche über eine Verfassung zu. (Und was macht die EU? Da treffen sich die Außenminister vor zwei Wochen und reden davon, dass man jetzt mal alles sacken lassen könnte… Haha… Warum verschlafen die eigentlich immer alles?)

    5. Weil der Westen aber in seiner Konfrontationslogik verhaften bleibt (und hier meine ich explizit die EU), kommt er gar nicht darauf, dass man ja endlich mal mit Russland reden müsste…

    6. Also schafft Putin wieder Tatsachen – diesmal in der Ostukraine. Denn an einer neuen Verfassung wird ja schon längst und heimlich gearbeitet in Kiew – und zwar von einem nichtlegitimen Parlament.

    Da kann zwar ein neuer Präsident gewählt werden – aber der hat jetzt viel weniger Macht als Janukowitsch zuvor. Denn die Ukraine ist ja schon längst zur Verfassung von 2004 zurückgekehrt. Die wahre Macht liegt wieder beim Parlament und der Regierung. Um dem aktuellen Parlament und der Regierung zu misstrauen, dafür gibt es wiederum genügend Gründe – dafür muss man nicht in Moskau sitzen.

    Aus Putins Sicht kommt es eben so an, dass die USA in Kiew schalten und walten können, wie sie wollen. Wozu es aber nicht kommt, ist ein Ausgleich der geostrategischen und wirtschaftlichen Interessen. Deswegen drückt Putin auf die Tube, bevor Tatsachen geschaffen werden, die er nicht mehr revidieren kann. Und Russlands Interessen sind doch klar: Schwarzmeerhafen auf der Krim und Rüstungszulieferer im Osten der Ukraine. Beides will er nicht verlieren, darf er auch nicht verlieren, wenn er noch ein Wörtchen in Syrien oder im Iran mitreden will.

    Man muss also kein Russlandfreund oder Putinversteher sein, um zu erkennen, dass es hier darum geht, dass Moskau in seinem globalen Einfluss geschwächt werden soll. Dafür wächst im Gegenzug der Einfluss der USA. Und die würden auch einen langen Bürgerkrieg in der Ukraine in Kauf nehmen, um ihre Ziele zu erreichen. Das kann aber nicht im Interesse Deutschlands und der EU liegen. Denn wir sind einfach auch auf gute Beziehung zu Russland und China angewiesen. Und mein Eindruck ist, dass sich die EU hier ganz gewaltig von den USA verarschen lassen – das mag aber auch ein Trugschluss sein, denn Merkel und Steinmeier reden ja auch keinen Klartext.

    Genau wie die Aussagen der Westens sollte man auf jeden Fall auch nicht alle Propaganda-Aussagen (und -lügen) Putins auf die Goldwaage legen. Sie dienen ja vor allem der Legitimierung des Handelns in der eigenen Bevölkerung. Das macht der Westen aber auch – Stichwort Völkerrecht, Stichwort Humanitäre Katastrophe bei früheren Kriegen. Es wird auf beiden Seiten gelogen. Das ist mal klar.

  • Rob

    Danke, André, für die ausführliche Klarstellung! Da kann ich in großen Teilen mitgehen. Die EU hat tatsächlich Fehler gemacht im Verlauf von 2013, und das weckt natürlich misstrauen. Ähnlich auch die früheren Versprechungen (in beiden Sinnen des Wortes) betreffend Nato-Zugehörigkeit osteuropäischer Staaten. Seitdem die Krise richtig ausgebrochen ist, habe ich aber schon den Eindruck, dass man mit Russland reden will, siehe z.B. Flugkurve von Kerry nach Paris (hier einmal ein nicht verschwundener Flieger ;) ). Und andererseits fällt mir auf, dass die russische Regierung nicht mit dieser „faschistischen“ Regierung reden wollte. Aber hier bin ich vorsichtig, weil ich dieser Aspekt in den Lauf der Dinge nicht so gut beobachtet habe.

    Zu deinen Punkten: 1, 3 einverstanden, wobei „unblutig“: das ist eh klar. Sehr groß gegen klein, da wäre jede Widerstand selbstmord. Das unblutige ist nicht das Verdienst Putins. Zu 4 kenne ich die Details nicht. Zu 6 Verfassung/heimlich/Kiew bitte ich um Links.

    Das mit den Rüstungszulieferer, ach ich denke eher, dass es kein Zufall ist, dass die Oblast Donetsk (schön graphisch zu sehen bei der BBC) das Schwerpunkt der Aktionen bildet, weil das nach der Krim der Oblast mit den höchsten Russen-Zahlen ist (ca. 58% Ukrainer), etwas weniger als das östlichere Luhansk.

    Was dieses Lügen im Westen angeht: Solange die Medien hier wesentlich freier sind als dort drüben, gibt es hier einen nicht wegzudiskutierender Unterschied. Auch wenn ich weiß, dass es hier viele gleichgeschaltete Medien gibt. Eine Entwicklung wie in Ungarn wäre hier nur möglich, wenn in irgendwelchen parallelen Schritten der Machthaber die Presse eingeengt wird (die Vorgänge in Ungarn sollten daher Stoff zum Lernen sein, damit im Fall der Fälle frühzeitig protestiert werden kann).
    Ich bin mir im Klaren darüber, dass die USA eine gehörige Portion Dreck mit sich herumtragen, aber wenn ich sehe, wie Russland in Syrien immer wieder Lösungen (Interventionslösungen, ja, leider) blockiert hat, das hat mich wütend gemacht. Die Aussicht auf ein failed State à la Lybien darf nie ein Grund für ein Nicht-Eingreifen sein (Stichwort: R2P), wenn das aktuelle Geschehen die Hölle auf Erden ist.

  • André Kühnlenz

    Nur schnell zum letzten Punkt. Natürlich weiß ich, dass es bei uns Pressefreiheit gibt (das erlebe ich ja in meiner täglichen Arbeit) und dass es uns hier besser geht als in Russland ist mir auch klar. Ich will auch gar nicht die westlichen Medien kritisierten, denn immerhin kann man sich auch mit denen noch zivilsiert streiten, die überall nur Russlandversteher und Putinfreund wittern. Von direkter Manipulation weiß ich nichts, als dass ich mich hier aus dem Fenster lehnen würde. Es fallen halt nur Gemeinsamkeiten in der Argumentation dieser Falken auf.

    Mir ging es bei den Lügen des Westens auch eher darum, dass uns auch Frau Merkel und Steinmeier nicht alles erzählen und manchmal auch Sachen sagen müssen, weil sie denken, nur so die Meinungsfüherschaft in der EU behalten zu können. Von den wahren Absichten der USA redet schon niemand…

  • Rob

    Inzwischen konnte ich der Berichterstattung entnehmen, dass die Separatisten mehr Unterstützung von der lokalen Bevölkerung haben als es auf dem ersten Blick den Anschein hatte. Dies kann eine Erklärung für die Zurückhaltung der ukrainischen Armee sein, die sonst zwangsläufig auch eine bestimmte Menge überwinden müsste, um zu den Gebäudebesetzern zu gelangen. Es wird aber auch die Hypothese geäußert, dass die Armee aufgrund magerer Sold und den Erfahrungen mit der Krim demoralisiert sei. Das würde auch der Hilfegesuch bei der UN plausibel erklären (wobei das an sich auch ein sinnvoller Gedanke ist).

    Eine ukrainische Journalistin wird auf BBC mit den Worten zitiert: „“All of the people here are against the government – even those who went to the capital to demonstrate,“ said Yulia, a local journalist in Sloviansk.

    „They came back from there, and they saw a bunch of oligarchs made governors – just the people they were fighting against,“
    (http://www.bbc.com/news/world-europe-27014672)

    Da wird ein Kernpunkt angesprochen. Dazu kommt, dass man schon von 2004 enttäuscht war. Aber der Punkt ist auch: hätte es angesichts der Entwicklungen viel besser laufen können? Adam Michnik ist da realistisch. Er sagt, dass beim Aufbau einer Demokratie unendlicher Geduld angesagt ist. Ehemalige Regierungsangehörige in der neuen Regierung/Verwaltung gänzlich auszuschließen ist unmöglich („nach der Revolution wollen wir zu gerne die perfekte Welt kreieren“). Michnik zitiert auch Havel, der damals wohl betonte, dass die Kommunisten miteinbezogen werden sollten. Und schließlich: Rache ist der kürzeste Weg zu einer Katastrophe – Aussagen bei einer Veranstaltung an der Uni Kiev, organisiert vom Philosophen Constantin Sigov, Fundort (b.a.W.) leider nur hier, in NL: http://www.trouw.nl/tr/nl/30340/Onrust-in-Oekraine/article/detail/3634340/2014/04/12/Terwijl-de-EU-uiteenvalt-sterven-in-Oekraine-burgers-voor-Europese-waarden.dhtml

  • HD

    https://m.clippercard.com/?p=aHR0cHM6Ly93d3cueW91dHViZS5jb20vd2F0Y2g%2Fdj10Q1lJVXI5bzJmVQ%3D%3D

    Hier sind gute Gründe genannt warum die USA in der Angelegenheit versucht einen Krieg zu provozieren.

  • HD

    Malaysian MH 017 und die schnellen Erklärungen
    Hier kann man von einem Fachmann nachlesen warum es ziemlich unwahrscheinlich ist das Russland das Flugzeug abegeschossen hat.

    http://www.anderweltonline.com/wissenschaft-und-technik/luftfahrt-2014/malaysian-mh-017-und-die-schnellen-erklaerungen/

    Tatsache ist doch, dass dieser geisteskranke Friedensnobellpreis gegrönte Lügen Präsident der USA einen Krieg anzetteln möcht um in den Besitz der Ukraine zu kommen, um eine weitere Geostrategische Stellung einzunehmen und an die Bodeschätze zu kommen. Am besten ist eine eigene Verteidigung in Europa, sozusagen als Euroforce einzurichten, und sich von den kriegstreiberischen Ammis zu trenne. Überall wo die waren haben sie nur Zersplitterung, Bürgerkrieg, Not und Verbrechen hinterlassen.

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