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Meine Stimme aus Wien: Zwei Leitartikel zur Ukraine

Vor wenigen Tagen hatte ich schnell ein paar Gedanken zur Ukraine auf Tumblr runtergeschrieben. Hier noch zwei Leitartikel von mir aus dem WirtschaftsBlatt der vergangenen Tage. Noch ist unklar, was Putin wirklich auf der Krim und im Osten der Ukraine vorhat – das wird sich wohl erst in den nächsten Tagen und Wochen abzeichnen. Zu einem Krieg muss es aber nicht kommen, wenn die EU russische Interessen beachtet. Gleichwohl braucht das Land dringend Finanzhilfe wobei Übergangsministerpräsident Arseni Jazenjuk das Land bereits auf harte Einschnitte vorbereitet, die ein IWF-Programm mit sich bringt.

Ein WirtschaftsBlatt-Leser kritisierte mich für den unteren der beiden Leitartikel (vom 28. Februar) – dafür, dass ich dort von den „Revolutionären des Maidans“ spreche. Er fragt in seiner Mail, was die Ziele der rechtsnationalistischen Gruppen in der Ukraine seien, ob sie sich bereithalten, „um jeden Widerstand gegen eine brutale ‚Sparpolitik‘ der weiteren Verarmung der Bevölkerung auszuschalten?“ Soweit möchte ich hier gar nicht gehen. Wenn es stimmt, was der Leser weiter schreibt, dann haben die extremistischen Gruppen „sofort mit dem Terror gegen alle linken und demokratischen Kräfte sowie gegen alles russische im Land begonnen“. Klingt zunächst nach Putin-Propaganda. Mir fehlen jedenfalls die Quellen, die das bestätigen oder widerlegen.

 

(1) Russland geht in der Ukraine bis zum Äußersten (4. März 2014)

Russlands kriegerische Eskalation in der Ukraine ist durch nichts zu entschuldigen. Noch sieht sie nach einem Machtspiel des Präsidenten Wladimir Putin aus und noch ist zwischen den beiden Slawenvölkern kein Blut geflossen. Es wäre der Horror für beide Seiten, wenn russische Soldaten auf ukrainische schießen oder umgekehrt. Gleichwohl sollte der Westen bei aller berechtigten Empörung nicht ignorieren, wie Moskau den Umsturz in Kiew wahrnimmt.

Es ist nicht das erste Mal, dass Putin sich vom Westen und von der EU hintergangen fühlt. Dem Präsidenten muss es so vorkommen, dass er sich auf niemanden verlassen kann, wenn es um seine Interessen in der Ukraine geht-so wenig berechtigt sie auch sein mögen. Die Vereinbarung für den Übergang zu einer neu gewählten Führung, die gebrochen wurde, hatten die Außenminister Deutschlands, Frankreichs und Polens vermittelt. Russland hat sie zumindest gebilligt.

Nicht zu vergessen, dass die neue Übergangsregierung auch rechtsnationalistische Köpfe integriert, was weitere Munition für den aktuellen Propagandafeldzug Moskaus liefert. Offenbar ist Putin jetzt sogar bereit, auch Börsenabstürze, eine Kapitalflucht oder Sanktionen des Westens hinzunehmen, die seine Wirtschaft destabilisieren und mindestens in diesem Frühjahr in eine Rezession stürzen werden. So sehr sieht er seinen großen Plan gefährdet, mit der Ukraine als wichtigstem Baustein eine Zollunion auf den Trümmern der alten Sowjetunion aufzubauen.

Dabei wollte Deutschland schon länger auf die Russen zugehen. Ziemlich schnell haben die deutschen Politiker, allen voran der neue Außenminister Frank-Walter Steinmeier, gemerkt, wie falsch sie lagen, Russlands Interessen zu ignorieren-damals, als das Assoziierungsabkommen mit der Ukraine ausgehandelt wurde. Genau diesen Pakt hatte Ex-Präsident Wiktor Janukowitsch auf Druck Moskaus nicht unterzeichnet. Frau Merkel lässt nun schon seit Ende Januar das Abkommen neu verhandeln: Die Ukraine soll demnach auch der russischen Zollunion beitreten dürfen.

Wenig hilfreich war der Appell der ehemaligen Ministerpräsidentin Julia Timoschenko, die am Samstag eine schnelle Unterzeichnung des alten Vertragsentwurfs gefordert hat. Noch gibt es aber Hoffnung, dass ein Rest Vertrauen zwischen Russland und dem Westen geblieben ist und die Diplomatie noch eine Chance bekommt. Alles andere läuft auf eine blutige Katastrophe hinaus.

(2) Ukraine braucht eine sanfte Rettung (28. Februar 2014)

In der Ukraine sind Eile und Weisheit geboten. Sehr schnell muss die Übergangsregierung in Kiew mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) über neue Rettungsmilliarden und die damit verbundenen Auflagen verhandeln. Die Staatskasse ist leer und die Landeswährung Hrywnja fällt ins Bodenlose.

Der Westen sollte aber sehr vorsichtig agieren, wenn er den wirtschaftlichen Absturz des Landes aufhalten will. EU und IWF können jetzt beweisen, dass sie aus Fehlern der Euro-Rettung gelernt haben. Die hat der Währungsfonds ohnehin längst eingeräumt: Die Rezepte der rabiaten Budgetsanierung in Staaten wie Griechenland, Portugal oder Spanien sind nach hinten losgegangen, sie haben die Krise überall nur verschärft. Hohe Arbeitslosigkeit und der Aufstieg rechtsextremer Parteien destabilisieren die Krisenränder Eurolands.

Sicher sollte ein Land wie die Ukraine nicht ewig die Gaspreise für seine Bewohner künstlich drücken dürfen. Dies fordert der IWF schon seit Jahren. Doch wer jetzt abrupte Gaspreiserhöhungen ins Spiel bringt, wird den Absturz der Volkswirtschaft nur noch mehr beschleunigen. Dabei verteuert sich jetzt schon die künftige Gasrechnung an Russland – jeden Tag, an dem die Hrywnja abrutscht. Sie hat mittlerweile mehr als 50 Prozent ihres Wertes aus dem Jahr 2007 verloren.

Dabei ist klar, dass die Devise abwerten muss, um die Schieflage im Außenhandel abzubauen. Bei rund neun Prozent des Bruttoinlandsprodukts lag 2013 der Finanzierungsbedarf der Ukraine im Ausland. Doch auch hier gilt: Der unkontrollierte Währungsabsturz verschlimmert die Lage für viele ukrainische Unternehmen und Haushalte drastisch. Denn sie müssen jetzt noch mehr für den Schuldendienst im Ausland aufbringen.

Wenn der Westen den Revolutionären des Maidans wirklich helfen will, dann dürfen nicht nur die Auflagen für das Rettungspaket milde formuliert werden. Auch die westlichen Notenbanken – zum Beispiel EZB und Federal Reserve – müssen dabei helfen, die Währung Hrywnja langsam und kontrolliert nach unten zu geleiten.

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