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Mehr Wettbewerbsfähigkeit? Pustekuchen!

Der seit wenigen Tagen laufende Kursrutsch an vielen Aktienbörsen wird gern mit der Furcht um die Schwellenländer begründet. Viele Währungen dort verlieren seit Tagen wieder an Wert. Bereits seit Mai 2013 waren die Anleger aus den Schwellenländern geflüchtet, nachdem sie dort zuvor noch monatelang ihre Ersparnisse angelegt hatten. (Ja, natürlich und gerade auch aus dem Euro-Raum.)

Erklärt wurde die plötzlich einsetzende Kapitalflucht im vergangenen Jahr damit: Die US-Notenbanker bereiteten seit dem Frühjahr die Finanzmarktakteure darauf vor, dass sie ihre Anleihekäufe reduzieren wollen. Die Rendite zehnjähriger US-Staatsanleihen stieg seitdem in der Spitze bis September um fast 1,5 Prozentpunkte, aktuell sind es noch immer gut ein Prozentpunkt mehr: 2,7 Prozent Rendite.

Der Zinsanstieg war Grund genug für viele Investoren, ihre Anlagen umzuschichten. Zurück in die Industrieländer, in Wertpapiere die auf Dollar oder vielleicht auch Euro lauten. Doch mittlerweile rücken eher hausgemachte Krisen und Unruhen in den Blickpunkt der Anleger, die ihr Vertrauen zum Beispiel in die Regierenden in Ankara oder Kiew verloren haben. Folgende Grafik von Barclays zeigt die Kehrtwende sehr schön:

140127 BarCapHaben sich die US-Notenbanker schon vorher kaum darum geschert, welche Auswirkungen ihre Entscheidungen außerhalb der USA bringen können, sollten sie sich also gerade jetzt wohl am wenigsten von ihrem Kurs abbringen lassen. Wenn sie die Käufe reduzieren wollen, dann sollen sie auch weiterhin schrittweise aus der ultralockeren Geldpolitik aussteigen.

Nun geht aber tatsächlich die Furcht um, dass auch weniger instabile Schwellenländer angesteckt werden und ebenfalls in den Sog der Währungskrisen geraten könnten. Die Folgen sind jetzt schon klar, die Zentralbanken sehen sich gezwungen, ihre Zinsen noch mehr zu erhöhen, was wiederum das Wachstum in vielen Schwellenländern abwürgen dürfte. Und das werden auch die Industrieländer zu spüren bekommen.

Selbst der türkische Ministerpräsident Erdogan wird nicht weit kommen mit seinen Verschwörungstheorien von der „Zinslobby“, die den aktuellen Machkampf in der islamischen Elite des Türkei angezettelt haben soll. Morgen um Mitternacht wird die Zentralbank ihren Leitzins erhöhen. Analysten internationaler Banken fordern bereits Erhöhungen zwischen 3 bis 5 Prozentpunkten beim Zins für die Übernachtausleihe – sonst werde die Wirkung verpuffen.

Aber wir Europäer sollten vielleicht nicht nur auf die jüngsten Bewegungen am Devisenmarkt seit vergangener Woche schauen (wozu auch der Absturz des argentinischen Peso gehört). Die Verluste der Schwellenländerwährungen in einem längeren Zeitraum, seit einem Jahr im Vergleich zum Euro, sollten niemand kalt lassen:

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Und dann schauen wir uns einmal die folgende Analyse von Nomura an. Sie zeigt uns bereits, dass Länder wie Spanien zwar durchaus an Wettbewerbsfähigkeit gewonnen haben: ein Exportplus nach Argentinien, Brasilien, die Türkei und Venezuela von 7,1 Prozent von Januar bis Oktober – im Vergleich zum Vorjahr – beweist dies sehr eindrucksvoll. Zusehen ist in den letzten beiden Zeilen der Tabelle auch, dass die positive Wirkung sinkender Lohnstückkosten in Spanien aber schon längst wieder nachlässt. Dass Frankreich, das sich bislang wacker gewehrt hatte, da keine Chance hat, ist auch klar: Die franzöischen Exporte in diese Länder schrumpften zuletzt um 10 Prozent.

140127 NomuraExportShareAlso könnte es sein, dass derzeit genau das eintritt, wovor die Kritiker der Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands und natürlich auch im Rest Eurolands immer wieder gewarnt haben? Das Ausland wird natürlich nicht tatenlos zusehen, wenn Euroland unter Anleitung der Deutschen mit seiner Deflationspolitik (der Austerität und „Lohnzurückhaltung“) seine Wettbewerbsfähigkeit steigern will. Das geht auf Dauer gar nicht gut und hinterlässt am Ende nur ein Heer an Arbeitslosen.

Dabei folgen die Schwellenländer wohl kaum einer bewussten Strategie der Abwertung. Dazu sind die Nebenwirkungen der aktuellen Turbulenzen zu gravierend für diese Volkswirtschaften. Was wir sehen, ist aber: Auf gewaltsame und krisenhafte Weise verschwinden die Vorteile in der Wettbewerbsfähigkeit Europas wieder, die man sich hier so mühsam „erkämpft“ hat.

140127 NomuraValueAddedInsgesamt, so schätzt Nomura, wird ein Einbruch der Importe aus den lateinamerikanischen Ländern (Argentinien, Brasilien, Venezuela) plus Türkei um 10 Prozent das Bruttoinlandsprodukt im Euro-Raum um 0,1 Prozentpunkt dämpfen.

Es braucht nur keiner glauben, dass Deutschland davon verschont bleiben wird: Bei uns haben die Exporte nach Argentinien, Brasilien, China und in die Türkei immerhin den höchsten Anteil im Euroland – gemessen am Bruttoinlandsprodukt – wie oben die Tabelle zeigt. Und was tun, wenn die Schwellenländer mit ihren billigeren Währung nicht mehr so viel einkaufen bei uns und den anderen Europäern? Was, wenn nicht nur Lateinamerika seine Importe zurückfährt, sondern zum Beispiel auch die Asiaten?

140127 ImportsRegionsWWSolange unser Finanzminister weiter von den Erfolgen der Deflationspolitik träumt und solche verwirrten Interviews gibt, solange ist auch klar, dass mit ökonomischer Einsicht hierzulande eh nichts zu holen ist. Auch Bundesbankchef Jens Weidmann ist da nicht viel besser. Es wird nur auf die harte Tour gehen, wir müssen es erst spüren. Doch das könnte sehr gefährlich werden.

140127 ImportRegionsEM Es sei denn, es erscheint wieder ein weißer Ritter auf der Bühne, der gern wieder alles aufkauft – auf Pump versteht sich. Und da bleiben eigentlich nur noch die Amerikaner und die Chinesen übrig (oder die Japaner?). Doch Peking bekämpft seinen Kreditboom wie die Pest – allerdings noch mit ungewissem Ausgang.

Die Amerikaner versuchen es mit höflicher (!) Kritik an den Leistungsbilanzüberschüssen von uns Deutschen. Natürlich wollen die aus Eigeninteresse nicht gleich wieder in die nächste Krise schlittern. Das hatten sie doch gerade erst. Nur Deutschlands Spitzenpolitiker und Wirtschaftschefs wittern eine gewaltige Verschwörung aus Amerika und tun wieder einmal gar nichts.

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