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Wer wird das nächste Opfer unserer Geldflut? #WWDNOUG

In einem aktuellen Kommentar hat Daniel Gros bereits darauf hingewiesen. Die amerikanischen Sparer können gar nicht für die globale Geldflut der vergangenen Jahre verantwortlich gemacht werden. (Für unser Börsenmilchmädchen Anja Kohl von der ARD wird diese Neuigkeit sicherlich ein Schock sein.) Die US-Notenbank kann soviel Reservegeld schaffen und die US-Banken damit zuschütten, wie sie will. Am Ende haben die Amerikaner – also die gesamte Volkswirtschaft der USA – seit 2009 immer noch Jahr für Jahr mehr Kredit im Ausland aufgenommen.

Gemessen an der Leistungsbilanz sind zwischen 2009 und 2013 netto rund 2240 Mrd. Dollar in die USA geflossen. Nächstes Jahr werden es nach IWF-Prognose noch einmal 500 Mrd. Dollar mehr. Die Quelle für die globale Geldflut muss also woanders zu finden sein, sagt Daniel Gros. Sie kann nur in Europa liegen. Italien und Spanien sammeln bereits fleißig Leistungsbilanzüberschüsse – nachdem dort die Binnennachfrage (und somit auch die Importnachfrage) eingebrochen ist.

Dieses Jahr werden es 300 Mrd. Dollar werden, die aus dem Euro-Raum kommen, sagt der IWF voraus. Europa überholt damit China deutlich, von wo es nur 240 Mrd. Dollar sein werden. In den 15 größten Öl exportierenden Ländern sinkt die Summe für alle Staaten zusammen dagegen in diesem Jahr: um 100 Mrd. auf 600 Mrd. Dollar.

Deutschland sammelt ohnehin so viele Exportüberschüsse an – als hätten wir noch nie einen Cent verloren im Ausland. Die Erlöse legen wir natürlich weiter im Ausland: In den zwölf Monaten bis Juli waren es laut Kapitalbilanz der Bundesbank bereits 250 Mrd. Euro – das sind 70 Prozent mehr als in den zwölf Monaten bis Juli 2012. Das sind sagenhafte 9 Prozent unserer Wirtschaftsleistung oder 50mal die Kosten für den neuen Flughafen in Berlin.

Selbst wenn die Deutschen, Italiener oder Spanier ihre Ersparnisse komplett in US-Staatsanleihen angelegt hätten: Am Ende sind wir Europäer es, die für Geldflut in die Schwellenländer verantwortlich sind – auch wenn der letzte Dollar, der in Brasilien, Indien oder Indonesien gelandet ist, vielleicht von einem Pensionsfonds aus den USA investiert wurde. Wir haben mit unserer Austerität und den Lohnsenkungen erst den Währungskrieg ausgelöst, den Brasilien schon 2010 beklagt hat.

Bildschirmfoto 2013-09-12 um 14.39.02Und wir sind es auch, die jetzt für die Kapitalflucht in letzter Instanz verantwortlich sind, die die Währungen der Schwellenländer abstürzen lässt. Auch wenn der Auslöser dafür die Pläne der US-Notenbank sind, die Anleihekäufe zu reduzieren. „Thus, if anything, emerging-market leaders should have complained about European austerity, not about US quantitative easing”, schreibt Daniel Gros. Und weiter schreibt er:

„As capital withdraws from emerging markets, these countries soon will be forced to adopt their own austerity measures and run current-account surpluses, much like the eurozone periphery today. But who will then be able – and willing – to run deficits?

 

Two of the world’s three largest economies come to mind: China, given the strength of its balance sheet, and the eurozone, given the euro’s status as a reserve currency. But both appear committed to running large surpluses (indeed, the two largest in the world). This implies that, unless the US resumes its role as consumer of last resort, the latest bout of financial-market jitters will weaken the global economy again. And any global recovery promises to be unbalanced – that is, if it materializes at all.“

Auf kurze Sicht fallen einem auch noch andere Länder als die USA ein, die von unserer Geldflut getroffen werden: Osteuropa ist in der aktuellen Schwellenländerwährungskrise erstaunlich standhaft geblieben – einige Währungen haben sogar deutlich aufgewertet im Vergleich zum Dollar. Auch Überschussländer wie Korea sollten wachsam sein. Die Schweiz hat zwar eine Mauer gebaut mit ihrer Untergrenze an den Euro – die Interventionen der SNB wirken aber nur wie ein Staubsauger, der Kapitalansturm landet am Ende wieder bei der EZB oder den Euro-Staaten.

Bildschirmfoto 2013-09-12 um 14.40.01Was ist mit Großbritannien oder Frankreich, das einzig verbliebene Tangoland im Euro-Raum, das bislang noch nennenswerten Kapitalimport (=Leistungsbilanzdefizite) aus dem Ausland bekommt? Schaffen wir hier Dank OMT-Programm vielleicht sogar die nächste Mörderblase? Angesichts der Lawine an Ersparnissen aus Deutschland sollten wir aber auf jeden Fall glücklich sein, dass wir so ein OMT-Programm der EZB haben. Für die Zeit nach dem Platzen der Blase. Die Planungsphantasien in Frankfurt und Berlin bleiben natürlich nur Phantasien. Noch regieren sie uns nicht, die Volkskaiser aus China.

Wenn die Öl-Länder schlau wären, würden sie jetzt riesige Investitionsprogramme starten, um weniger abhängig vom Öl zu werden. Ungefähr so wie es das DIW für Deutschland vorgeschlagen hat. Mexiko geht bereits mit bestem Beispiel voran. Wir können aber auch alle in Deutschland einmal aufwachen, danke!

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  • sirop

    Lustig, lustig: in Russland werden das schlechte Investitionsklima, die fehlende Rechtssicherheit für Netto-Kapitalabflüsse verantwortlich gemacht.

    Dafür aber sind die Auswirkungen des sudden stop beim ständigen Netto-Kapitalabfluss nicht so schlimm wie in anderen BRICS.

    Wie aber investieren , wenn die Arbeitslosigkeit sowohl in Deutschland als auch in Russland im Moment so niedrig ist ?

    Man könnte ja direkt in die Menschen investieren (Bildung/Fortbildung), aber da ist return on investment so schwer einzuschätzen.

  • Andreas

    „Die US-Notenbank kann soviel Reservegeld schaffen und die US-Banken damit zuschütten, wie sie will. Am Ende haben die Amerikaner – also die gesamte Volkswirtschaft der USA – seit 2009 immer noch Jahr für Jahr mehr Kredit im Ausland aufgenommen.“

    Wenn die Amerikaner sich Waren in China kaufen, bezahlen sie die mit Dollar. Die fliessen wieder zurück in die USA und China erhält Staatsanleihen der USA.

    Von meiner Logik her müßte es auch so zwischen USA und EWU laufen.

    Wenn wir in Deutschland Überschüsse gegen die europäischen Südländer haben, fliessen bei uns Sparguthaben raus und kommen bei den Unternehmen an, die die Waren liefern, die die anderen von uns kaufen. Ein Überschuß- Land gibt Kredit. (Bei den Chinesen sind es halt die Dollar, die eben vorher reingeflossen sind, die sie den Amis als Kredit geben.)

  • André Kühnlenz

    @Andreas

    Worauf willst Du genau hinaus, dass das alles nicht so gefährlich ist? Dann würde ich doch widersprechen. Vor der Finanzkrise sind so um die 5000 Mrd. Dollar in die USA geflossen – von 2001 bis 2007: aus Schwellenländern, Ölproduzierenden Ländern. Das hat maßgeblich dazu beigetragen, dass der Kreditboom auf dem US-Häusermarkt und damit auch im US-Finanzsystem überhaupt diese Dimensionen erreicht hatte. Der Mechanismus war dabei so, dass Chinesen klassische „AAA“-Anleihen gekauft haben und somit die Zinsen gedrückt haben. Investoren aus den USA oder Düsseldorf haben dafür dann verpackte „Immobilienanleihen“ erworben, die plötzlich auch ein „AAA“ aufwiesen, aber höhere Zinsen versprachen.

    Und genau so lief es auch seit Beginn der jüngsten Niedrigzinsphase in den USA: Irgendwoher fließt Kapital ins Land, soviel, dass die Amerikaner weiterhin auf Pump leben (jetzt vor allem der Staat) konnten. Investoren aus den USA und Europa legten dafür ihre Geld lieber in Schwellenländern an – statt US-Staatsanleihen zu kaufen. Das war aber nur möglich, weil die USA eben weiterhin von der ganzen Welt Kredit bekommen haben. Und mittlerweile ist Europa der größte Kreditgeber der Welt, größer als China, die dafür ja immer kritisiert wurden. Und diese Kapitalbewegung dreht jetzt und bereitet den Schwellenländern enorme Probleme.

  • Andreas

    „Die US-Notenbank kann soviel Reservegeld schaffen und die US-Banken damit zuschütten, wie sie will. “

    Ich wollte darauf hinaus, dass es sich um gedruckte Dollar handelt. Die Waren, die die Amerikaner kaufen, bezahlen sie mit Geld, dass bei ihnen gedruckt wurde.

    „Am Ende haben die Amerikaner – also die gesamte Volkswirtschaft der USA – seit 2009 immer noch Jahr für Jahr mehr Kredit im Ausland aufgenommen.“

    Ja, aber eben Dollar, die zurückfliessen. ich wollte der Eingangsthese widersprechen!

  • Edmund

    Adreas sieht es richtig. – Denjenigen, die nicht in Schwellenländer investieren, die Schuld an deren Verwerfungen zu geben, ist ziemlich weit hergeholt.
    – Zum anderen laufen Investitionsvorgänge anders ab: Nicht die (Schwellen)Länder befinden sich im Risiko, sondern die Investoren. Bei Direktinvestitionen ist das Risiko geringer als bei Aktien- oder Rentenpapieranlagen (tägliche Kursbildung). Wenn 100 Mio US-Dollar (oder Euro) in (Schwellen)Länder fließen, kann in diesen Ländern der Gesamtbetrag investiert werden, egal ob es danach Verwerfungen gibt. Wenn die Aktien-, Rentenpapierkurse oder Währungen abrutschen, sind nur die Investoren betroffen, was der Grund für die Massenpanik war (Beeinflussungen der Währung können durchaus auch positiv für die Wirtschaft der betroffenen Länder sein)
    – Was fällt noch auf? Was hat das alles mit „Überschussländern“ zu tun? Ich kenne fast keine „Überschussländer“, die in „Defizitländer“ investieren. Es sind zum Großteil nicht-staatliche Marktteilnehmer, sowohl „aus Überschuss- als auch aus Defizitländern“. Bei strikter Trennung von Staat und (privaten und gewerblichen) Haushalten kommen oftmals ganz andere Ergebnisse heraus als man denkt.

  • André Kühnlenz

    @Edmund

    Ich gebe niemandem die Schuld. Ich schreibe nur darüber, wer in der letzten Instanz für die Kapitalflut und die darauf folgende Kapitalflucht verantwortlich ist. Ich habe keine Ahnung, wo meine deutsche Versicherung mein angespartes Geld anlegt, ich gehe davon aus, dass ein Teil davon auch irgendwie ins Ausland wandert.

    Natürlich steht der Investor im Risiko. Das wissen wir Deutschen nur allzu gut, haben wir doch 600 Mrd. Euro an Nettoauslandsvermögen in der Finanzkrise verloren. Von einer plötzlichen Umkehr der Kapitalströme sind aber auch die Schwellenländer betroffen, wenn das Wachstum einbricht, die Arbeitslosigkeit steigt und die Inflation anzieht. Wem das egal ist, nun gut…

    Zum zweiten Punkt: Ein Defizitland z.B. die USA oder Frankreich bekommt als Gesamtwirtschaft mehr Kredit aus dem Ausland (plus Direktinvestitionen), als es im Ausland Kredit vergibt (oder als Direktinvestition anlegt). Das schließt natürlich mit ein, dass es immer Investoren auch im Defizitland gibt, die im Ausland ihr Erspartes anlegen. Doch es geht hier um Summen (oder Salden), auf die es ankommt. Die Mechanismen habe ich im vorherigen Kommentar schon beschrieben.

    Unterm Stich (also netto) sind es immer die Überschussländer, die das Geld in das System pumpen und die Defizitländer sind diejenigen, die es das Geld als Kredit (im weitesten Sinne) bekommen. Wenn US-Pensionsfonds oder andere Investoren ihre gesamtes Geld in Brasilien anlegen, muss eben aus einem anderen Winkel der Welt sehr viel mehr in die USA geflossen sein, denn sonnt wären die USA ja nicht im Defizit. Das ist die ganze Logik. Und Europa pumpt mittlerweile mehr in die Welt als es China tut, die dafür über Jahre kritisiert wurden.

  • André Kühnlenz

    @Andreas

    Ich weiß immer noch nicht so genau, worauf Du eigentlich hinaus willst. Wenn die Fed Anleihen aufkauft, schafft sie damit Zentralbankgeld. Das legen die Banken wieder bei der Zentralbank an – sie können damit nichts anderes machen, als zwischen den Banken hin und her zu schieben.

    Wenn damit aber Anleihen vom Markt verschwinden, steigt deren Preis und die Zinsen gehen in den Keller. Ein Pensionsfonds, der die Ersparnisse der Amierkaner verwaltet, überlegt jetzt, ob er überhaupt noch in US-Staatspapieren investieren soll oder nicht doch lieber in Aktien oder Anleihen von Schwellenländern. Deswegen steigen ja die Aktienkurse und bis vor kurzem werteten die Währungen der Schwellenländer auf.

    Gedruckte Dollar oder elektronische Dollar, mit denen die Amerikaner ihre Rechnungen im Inland und im Ausland bezahlen, entstehen zu einem großen Teil durch Kredit der Banken. Dieser Kredit muss irgendwann einmal refinanziert werden – durch Ersparnisse – ein Teil davon sind Eigenkapital, ein Teil davon ist Fremdkapital (also z.B. Einlagen oder Anleihen). Wenn eine Volkswirtschaft mehr ausgibt, als sie einnimmt, fehlen ihr diese Ersparnisse im Inland.

    Ein Defizitland wie die USA bekommt also ständig Ersparnisse aus dem Ausland – sonst wäre es ja kein Defizitland. Die von den Geschäftsbanken erzeugten Dollar fließen erst nach China und kommen dann als Ersparnis zurück. Richtig. Am Ende steht aber die USA in der Kreide bei den Chinesen. Obwohl nur Dollar hin- und her geflossen sind. Wächst der Kredit der USA aus China irgendwann einmal sehr kräftig, auch weil die Amerikaner sich im Inland immer stärker verschulden und damit auch die Refinanzierung aus dem Ausland anwächst, kann es halt zu Krisen kommen, deren Beginn wir 2007 erlebt haben.

  • Edmund

    Hallo André, nun, die einzige Instanz, die für Kapitalflut und –flucht verantwortlich ist, sind die Direktinvestoren (z.B. US-Pensionsfonds). Sie können doch nicht der Meinung sein, dass Investoren, die den USA Kredit geben und von den „Schwellenländern-Geschäften“ der US-Pensionsfonds nichts wissen bzw. diese nicht beeinflussen können, auch nur teilweise mitverantwortlich sind. Dann ist Lieschen Müller verantwortlich, weil sie bei der Sparkasse Geld spart, die Sparkasse den USA Kredit gewährt und die US-Pensionsfonds in Schwellenländern große Gewinne einfahren wollen.
    „Wir Deutschen“ gibt es nicht und deshalb haben „wir Deutsche“ auch keine 600 Mrd. € in der letzten Finanzkrise verloren. „Wir Deutsche“ klingt so nach dem CDU-Kalauer: „Deutschland geht es gut“. Deutschland ist in der volkswirtschaftlichen Betrachtung nur ein Gebilde. Etwas verlieren können nur konkrete (private und juristische) Personen und der Staat, wenn sie zuvor investiert oder für eine schlechte Sache gebürgt haben.
    Zum zweiten Punkt: Sie schreiben, dass „Überschussländer“ unterm Strich den „Defizitländern“ Kredit geben müssen. Nun gut, das ist korrekt, wenn man Transaktionen zwischen den „Ländern im Ganzen“ aufrechnet. Und hierfür haben ganz Schlaue Statistiken entwickelt, um von den wahren Transaktionen abzulenken, denn Transaktionen können nur diejenigen vornehmen, die hierfür die Mittel haben. „Wir Deutsche“ haben diese Mittel nicht, sondern nur die reichen Mitbürger und die Geldsammelstellen der kleinen Leute (Kleinvieh macht auch Mist). Dasselbe gilt für alle anderen „Überschuss- und Defizitländer“. – Ist Ihnen schon aufgefallen, dass Leistungsbilanzüberschüsse/-defizite am 01.01. auf 0 gesetzt werden und Vermögen/Schulden unverändert bleiben? Das eine ist Statistik ohne Wert, das andere sind reale Werte.

  • André Kühnlenz

    Das mit der Verantwortung meine ich auch nicht in einem engen Sinn, dass jeder Sparer ganz persönlich dafür verantwortlich ist, wo am Ende sein Geld landet. Das entscheidet im Fall von Lieschen Müller, die ihr Geld bei der Sparkasse zu liegen hat, jemand ganz anderes. Und ein Fondsmanager muss das Geld dort anlegen, wo er glaubt, dass es am meisten Rendite bringt. Das ist kein persönlicher Vorwurf gegenüber irgendjemanden. So funktioniert das eben. Auch den Fondsmanager oder Anlagestrategen in der Versicherung trifft doch keine persönliche Verantwortung, dass wir Geld in die Welt pumpen.

    Aber woher kommt es aber denn, dass wir so viel Geld in die Weltpumpen?

    In einem weiteren Sinne gibt es aber dann schon ein „Wir Deutsche“ und auch eine Verantwortung von uns Deutschen. Weil unsere Volkswirtschaft mit unserem nationalen Sozialsystem, unserem nationalem Steuersystem, unserer nationaler Regierung, unsere Unternehmen und die Arbeitnehmer, die Reichen und die Armen usw. bislang nichts dagegen unternehmen, dass wir so hohe Leistungsbilanzüberschüsse einfahren. Und dann verlieren wir eben doch alle, weil die Verluste von wenigen eben auch entgangene Investitionen in Infrastruktur, Bildung usw. zuhause sind.

    Und deswegen ist es auch sinnvoll, Transaktionen zwischen den „Ländern im Ganzen“ zu betrachten. Hätten wir in Europa eine einheitliche Regierung, ein einheitliches System, wie hier Tarifverträge ausgehandelt und Löhne festgesetzt werden, ein einheitliches Steuersystem, ein Parlament mit Budgethoheit usw. dann können wir in der Tat Europa als Ganze betrachten, so wie wir auch die USA und China als Ganzes betrachten…

    Dass die Leistungsbilanzsalden Flussgrößen sind, ist mir in der Tat schon aufgefallen. Deswegen habe ich auch die kumulierten Leistungsbilanzsalden der Jahre bis 1971 zurück – mit „unserem“ Bestand an Nettoforgederungen an das Ausland verglichen und bin zu der Erkenntnis gelangt, dass die deutsche Volkswirtschaft 400 Mrd. Euro seit der Jahrtausendwende verloren hat. (Die 600 Mrd. Euro ist eine Schätzung des DIW allein für die Finanzkrise). Siehe hier: http://www.weitwinkelsubjektiv.com/2013/05/24/herr-weidmann-und-der-leistungsbilanzuberschuss/

  • Edmund

    Hallo André, Sie schreiben: Die „deutsche Volkswirtschaft“ soll 400 oder 600 Mrd. € seit der Jahrtausendwende verloren haben – und dies in Verbindung gesetzt mit dem Bestand von ‚Nettoforderungen‘ gegenüber dem „Ausland“. So etwas kann vielleicht das DIW schreiben, aber wir sollten uns hüten, auf dieses Kunstwerk einzugehen, denn Forderungen sind noch nicht beglichene Rechnungen – und somit bezieht sich diese Aussage auf die Zukunft, und kein Mensch kann voraussagen, ob und wann eine Forderung beglichen wird.
    Anders formuliert: Die Leistungsbilanzüberschüsse werden im Großen und Ganzen durch Bezahlung (der ausländischen Vertragspartner) ausgeglichen. Forderungen bleiben nur in geringem Maße bestehen – und werden üblicherweise ausgebucht, wenn ’nichts mehr zu holen ist‘. Die Mär, dass „wir Deutschen“ auf langfristigen, enorm hohen Forderungen sitzen bleiben, ist in der Realität nicht anzutreffen.
    – Bitte nicht missverstehen: auch ich prangere die soziale Situation an und sehe die Gewinner und Verlierer in dieser Welt; auch ich würde es gerne sehen, wenn Einiges grundlegend geändert werden würde. Ich sehe nur das Argument von Gros, das Sie besprachen, als falsch an.

  • André Kühnlenz

    Hallo Edmund: „Die Leistungsbilanzüberschüsse werden im Großen und Ganzen durch Bezahlung (der ausländischen Vertragspartner) ausgeglichen.“

    Kann es sein, dass Sie folgende Forderungen meinen: Wenn bei einem Handelsgeschäft schon das kleinste Zahlungsziel vereinbart wird, handelt es sich um eine Forderung. Solange es keine Krisen gibt, werden diese Forderungen im Großen und Ganzen auch beglichen. Und nur ein kleiner Teil wird „ausgebucht“, wenn nichts mehr zu holen ist, wie Sie schreiben.

    Aber was, wenn wir vor dem Handelsgeschäft noch einen anderen Kredit vorfinden? Zum Beispiel, wenn eine deutsche Versicherung spanische Bankanleihen kauft und die spanische Bank damit einen Immobilienkredit refinanziert. Der spanische Häuslebauer kauft mit diesem Kredit wiederum ein Möbelstück in Deutschland.

    Dann hat der deutsche Sparer mit seinen Beträgen, die er monatlich an die Versicherung überweist, den Möbelkauf (auf Pump) des spanischen Immobilienbesitzers finanziert – ganz unabhängig davon welches Zahlungsziel zwischen Häuslebauer in Spanien und Möbelhersteller in Deutschland vereinbart wurde.

    (Und ganz ohne persönliche Schuldzuweisung an den deutschen Sparer oder die deutschen Versicherung!)

    Nun stellen wir uns vor, es gibt nicht nur einen Häuslerbauer in Spanien sondern tausende. Alle haben Kredit bei ihrer Bank aufgenommen. Und mit einem Mal ist Krise, die Hauspreise steigen nicht mehr, die Ausfallraten steigen, Hypothekendarlehen werden nur noch verzögert zurückgezahlt. Vielleicht geht deswegen auch eine spanische Bank pleite. Am Ende sinkt der Wert der spanischen Bankanleihen und die deutsche Versicherung muss Wertverluste abschreiben oder sie verliert alles.

    Wo treten dann Verluste auf? Einerseits bleibt der deutsche Möbelhersteller auf Forderungen sitzen, die jetzt nicht mehr so einfach mal so „ausgebucht“ werden können (wie in Nichtkrisenzeiten), weil tausende Spanier plötzlich nicht mehr zahlen können. Und anderseits hat auch die Versicherung Verlust erlitten, wahrscheinlich sogar viel größere als der Möbelhersteller.

    So haben wir deutschen Sparer am Ende den Immobilienboom in Spanien finanziert, was dazu beigetragen hat, dass der Leistungsbilanzüberschuss immer stärker stieg. Denn je mehr sich Spanier, Amerikaner usw. innerhalb ihres Finanzsystems verschuldet haben, umso mehr brauchten sie Ersparnisse aus den Überschussländern (Deutschland, China), was wiederum den Leistungsbilanzüberschuss nochmals aufgebläht hat, was wiederum zu einem noch höherem Export an deutschen Ersparnissen führte. Das ist wie eine Spirale. Alle fühlen sich reicher, sind es aber gar nicht. Und das entlädt sich dann in Krisen, wie wir sie seit 2007 erleben.

    Das was Sie mit dem Satz da oben beschreiben, das ist der Zustand, wenn wir keine Krise haben. Handelsgeschäfte mit Zahlungsziel können nicht erklären, wie es zu dem Anstieg an Leistungsbilanzdefiziten und -überschüssen auf der ganzen Welt gekommen ist – auch wenn sich natürlich hinter einem Großteil der Handelsgeschäfte Forderungen mit Zahlungsziel verbergen. Sie allein erklären noch den Mechanismus der ausufernden Leistungsbilanzsalden.

    Auch wenn sich alle reicher fühlen, kann man natürlich nicht den Gesamtbestand an Nettoauslandsforderungen als garantiert ansehen – da haben Sie recht. Und wenn wir (oder eher ein Teil von uns) 400 Mrd. Euro an Forderungen verloren haben, heißt das noch lange nicht, dass man die 400 Mrd. Euro eins zu eins einfach zu hause hätte investieren können. Aber vielleicht die Hälfte. Wenn wir aktuell einen jährlichen Leistungsbilanzüberschuss von 190 Mrd. Euro ausweisen – warum nicht die Hälfte davon zuhause investieren – also ungefähr 80 bis 90 Mrd. Euro pro Jahr – so als Ziel versteht sich. Das wäre dann genau das, was das DIW vorschlägt.

    Und die 400 Mrd. Euro macht deutlich wie aufgebläht das Ganze war. Aber kann es sein, dass hinter vielen dieser Euro eben auch ersparte Euro standen, die irgendein Deutscher bei seiner Versicherung angelegt hat in der Hoffnung einmal im Alter etwas verzinst zurück zu bekommen?

  • Edmund

    Hallo André, ich kann jetzt nicht auf alles von Dir Gesagte eingehen. So begnüge ich mich auf die entscheidenden Punkte:
    1. Immobilienkrisen sind immer hausgemacht! (In den USA hat Clinton 1995 das aus der schweren Krise in 1929 geschaffene Trennbankensystem abgeschafft und in Spanien hat die durch den Euro-Beitritt eingetretene Niedrigzinsphase ein kurzzeitiges Strohfeuer entfacht – die BIZ warnte jahrelang vor dem Platzen der Blase)
    2. Nun verlasse ich mal den Gütermarkt und komme zu den „deutschen“ Investitionen, bei denen im Ausland voraussichtlich 600 Mrd. € abgeschrieben werden mussten. Wenn ich es richtig interpretiere, fordern Sie, dass Geld der „Deutschen“ zum Teil in „Deutschland“ bleiben muss, wodurch der Leistungsbilanzüberschuss abgebaut wird. Das setzt Steuerung voraus. – Sie und andere schreiben ständig von „den Deutschen“ oder „Deutschland“, als wenn diese Gesamtheit das Geld und die Verwendungsmacht für Investitionen hätten. Das Problem ist eben, dass „einzelne Deutsche“ autark über ihr Geld verfügen. Das müssten Sie verändern, damit etwas in Ihrem Sinne herauskommt. Nur was kommt dabei heraus? (Ihr Beispiel: Den Spaniern fehlt Geld aus dem Ausland bzw. die Zinssätze steigen oder in Deutschland steigen die Preise für Vermögenswerte, weil das Angebot auf eine höhere Nachfrage trifft. Sie wünschen sich höhere Löhne, ich auch. Aber wer wird sie bekommen? Der Chef und das mittlere Management oder der Zeitarbeiter? Wer muss die höhere Inflation für Güter zahlen? – Wir drehen uns ständig im Kreis, wenn wir von dieser Bilanz-Argumentation nicht lassen. Fordern wir doch ganz allgemein höhere Löhne im unteren Bereich, gesteuert über einen gesetzlich bestimmten Mindestlohn jenseits von irgendwelchen Leistungsbilanzen.)

  • André Kühnlenz

    Hallo Edmund,

    Punkt 1 – Der Ursprung von Immobilienkrisen mag hausgemacht sein. Da stimme ich mit Ihnen ja überein. Aber: Das Ausmaß der Übertreibungen hängt auch davon ab, wie stark eine Volkswirtschaft dabei durch eine andere finanziert wird: (Vor der Krise) die USA ganz direkt durch China, Japan und die ölproduzierenden Staaten und auch durch Deutschland. Spanien vor allem durch Deutschland.

    Natürlich ist Deutschland nicht China, wo alles Ersparte zentral „eingesammtelt“ und direkt in US-Staatspapieren (vor der Krise auch MBS) angelegt wird. Aber der Mechanismus ist der gleiche. Nur eben indirekter über verschiendene Kreditketten vermittelt. Ganz direkt erfolgte der Transfer an Ersparnissen in Europa aber über den Interbankenmarkt, wo deutsche Banken den Geldhäusern aus den Peripherieländern Kredit gaben. Deutsche Banken waren vor der Krise dort die größten Kreditgeber.

    Daneben spielen natürlich auch hausgemachte Entwicklungen eine Rolle, wenn etwa das Finanzsystem eine übermäßge Kreditvergabe fördert, wie in den USA vor der Finanzkrise und womöglich heute auch schon wieder. Zu laxe Kreditvergabepraxis und Finanzierung sind jedoch beides entscheidende Faktoren, die das Ausmaß der Krise der bestimmen. Es sind zwei Seiten einer Medaille.

    Punkt 2 – „Fordern wir doch ganz allgemein höhere Löhne im unteren Bereich, gesteuert über einen gesetzlich bestimmten Mindestlohn jenseits von irgendwelchen Leistungsbilanzen.“ Einverstanden. Das ändert aber nichts an der Bilanz-Argumentation. Diese Forderung lässt sich doch unmittelbar daraus ableiten. Die übermäßgen Leistungsbilanzüberschüsse in Deutschland kommen ja vor allem von den zu niedrigen Löhnen. Bei 2 oder 3 Prozent Überschuss würde ja niemand etwas sagen. Aber brauchen wir 7 oder 8 Prozent Überschuss?

    Nun könnte man natürlich sagen, die Löhne steigen eine Weile stärker als Produktivtätszuwachs und (Ziel-)Inflation es naheliegen würden. Das Resultat wäre höhere Inflation, was nicht unbedingt wünschenswert wäre und nicht realistisch in Deutschland. Bleiben also nur enorme Investitionsprogramme. (Was ja auch zu steigenden Löhnen führen würde, aber vielleicht nicht so sehr zu Inflation, oder?)

    Dazu bräuchten wir natürlich einen ordnungspolitischen Rahmen, der für alle, die „zuviel“ im Ausland sparen, es attraktiver macht, das Geld im Inland anzulegen. Auch wenn ich von „uns“ und „den Deutschen“ schreibe, weiß ich doch immer noch, welche Unterschiede es in Deutschland gibt. Wenn ich aber von „uns“ rede, dann meine ich eben genau diesen ordnungspolitischen Rahmen, den wir uns geben könnten. Dazu dann auch mein nächster Blogbeitrag, wenn ich es schaffe, kommt er noch heute.

  • Edmund

    Hallo André, Sie schreiben: „das Ausmaß der Übertreibungen“ hängt gewiss nicht von der Finanzierung anderer Länder ab. China hat doch nicht in den US-Immobilienmarkt investiert, sondern überwiegend US-Staatsanleihen gekauft, wohlgemerkt mit Geld, das in den USA gedruckt wurde, wie ein Diskutant richtig erwähnte. Und die (gezielt in den US-Immomarkt) investierende IKB oder WestLB sind bezogen auf die Größenordnung nicht der Rede wert. Dasselbe gilt für die Engagements deutscher Geldgeber nach Spanien. Welcher Deutsche investiert denn in Spanien? Das waren (sind) hauptsächlich deutsche Banken für deutsche Unternehmen zu Zwecken von Exportgeschäften oder Urlauber, also Aktionen, die zwar in die Leistungsbilanzen eingerechnet werden, aber in der Realität kurzfristig ausgeglichen werden.
    Das Ausmaß der Übertreibungen hängt vom Gelddrucken der inländischen Geschäftsbanken ab, bedingt durch die – durch Bauwut (Mehrwert)- hervorgerufene Kreditvergabe. Vergleichen Sie mal die Zahlen: Millionen von Häuser, die allein in den USA oder Spanien auf Pump gebaut wurden, können gewiss nicht durch die deutschen, chinesischen oder Petro-Dollar-Leistungsbilanzüberschüsse entstanden sein.
    Zu Punkt 2: „Das ändert aber nichts an der Bilanz-Argumentation.“ Das ist Ihre Argumentation. Ich kann dieser nicht folgen.
    „Die übermäßigen Leistungsbilanzüberschüsse in Deutschland kommen ja vor allem von den zu niedrigen Löhnen.“ Welche Löhne sind niedrig? Bestimmt nicht die exportabhängigen Löhne.
    „Bleiben also nur enorme Investitionsprogramme.“ Nun gut, aber gerade haben die Deutschen genau das Gegenteil gewählt. Die meisten Deutschen (CDU,CSU,FDP,AfD) wollen keine Steuererhöhungen und somit keine Investitionsprogramme. Ihr Wunsch bleibt somit – zunächst – unerfüllbar.

  • Edmund

    Berichtigung des 1. Satzes – Sinnrichtigstellung
    Hallo André, Sie schreiben: „das Ausmaß der Übertreibungen“ hängt von der Finanzierung anderer Länder ab. Aber: China hat doch nicht in den US-Immobilienmarkt investiert, sondern überwiegend US-Staatsanleihen gekauft, wohlgemerkt mit Geld, das in den USA gedruckt wurde, wie ein Diskutant richtig erwähnte. Und die (gezielt in den US-Immomarkt) investierende IKB oder WestLB sind bezogen auf die Größenordnung nicht der Rede wert. Dasselbe gilt für die Engagements deutscher Geldgeber nach Spanien. Welcher Deutsche investiert denn in Spanien? Das waren (sind) hauptsächlich deutsche Banken für deutsche Unternehmen zu Zwecken von Exportgeschäften oder Urlauber, also Aktionen, die zwar in die Leistungsbilanzen eingerechnet werden, aber in der Realität kurzfristig ausgeglichen werden.
    Das Ausmaß der Übertreibungen hängt vom Gelddrucken der inländischen Geschäftsbanken ab, bedingt durch die – durch Bauwut (Mehrwert)- hervorgerufene Kreditvergabe. Vergleichen Sie mal die Zahlen: Millionen von Häuser, die allein in den USA oder Spanien auf Pump gebaut wurden, können gewiss nicht durch die deutschen, chinesischen oder Petro-Dollar-Leistungsbilanzüberschüsse entstanden sein.
    Zu Punkt 2: „Das ändert aber nichts an der Bilanz-Argumentation.“ Das ist Ihre Argumentation. Ich kann dieser nicht folgen.
    „Die übermäßigen Leistungsbilanzüberschüsse in Deutschland kommen ja vor allem von den zu niedrigen Löhnen.“ Welche Löhne sind niedrig? Bestimmt nicht die exportabhängigen Löhne.
    „Bleiben also nur enorme Investitionsprogramme.“ Nun gut, aber gerade haben die Deutschen genau das Gegenteil gewählt. Die meisten Deutschen (CDU,CSU,FDP,AfD) wollen keine Steuererhöhungen und somit keine Investitionsprogramme. Ihr Wunsch bleibt somit – zunächst – unerfüllbar.

  • André Kühnlenz

    China hat überwiegend Staatsanleihen gekauft – das stimmt. Zu einem erheblichen Teil aber auch quasi-staatlich garantierte Immobilenanleihen (MBS) der Finanzierungsagenturen Freddie und Fannie. Aber stimmt schon, das meiste waren Staatsanleihen. Nun wissen Sie ja selber was mit den Zinsen passiert, wenn ein Großinvestor wie China massenweise Staatspapiere kauft: Sie sinken. Für klassische Investoren auf diesem Markt, seien es Versicherungen oder Pensionsfonds, bot sich damals jedoch zugleich eine lukrative Alternative: „AAA“-Tranchen aus verpackten Immobilienkrediten, die eine höhere Rendite boten und angeblich höchste Bonität genossen. Durch den Kauf haben diese Investoren damit eine Reihe von Immobilienkrediten refinanziert.

    Ganz konkret und vereinfacht lief diese Kreditkette dann so ab, dass Chinas Notenbank einer US-Versicherung eine Staatsanleihe abkaufte und die das Geld dann in einer diesen „AAA“-Tranchen investierte. Direkt gibt es hier keinen direkten Link zwischen China und dem Immobilienmarkt – schon klar. Praktisch läuft es aber auf das selbe hinaus, als hätte China die Immobilienkredite finanziert, indem Chinas Geldflut den klassischen Anleiheinvestoren in die Arme der Anbieter dieser verpackten Immobilienanleihen getrieben hat.

    Am Beispiel Chinas wird besonders deutlich, wie diese Finanzierungsverkettung funktioniert. Sehr schön übrigens von Anton Brender beschrieben:

    https://www.dexia-am.com/globalisedfinance.htm

    Hier habe ich darüber in der FTD geschrieben: http://www.weitwinkelsubjektiv.com/wp-content/uploads/2012/12/FTD_2009-06-29_p14_Sonderseite-Globale-Ungleichgewichte.pdf

    Dass deutsches Geld in den USA wohl eher eine kleinere Rolle gespielt hat, dürfte wohl stimmen. Sie schreiben, dass das Ausmaß der Übertreibung vom Gelddrucken der Banken abhängt. Das stimmt eben nur zum Teil. Wie schon erwähnt, es gibt immer noch eine zweite Seite der Medaille. Denn jeder Kredit, wird er auch zunächst von der Bank aus dem Nichts geschaffen, muss irgendwann einmal refinanziert werden. Die US-Banken haben sich dabei eben nicht nur auf einheimische Ersparnisse gestützt, sondern immer stärker auch auf ausländische Ersparnisse – deswegen war und ist die USA ja noch immer ein Defizitland – also ein Land, das im Ausland Kredit aufnimmt und auf Pump lebt.

    Zwischen 2002 und 2007 sind auf diesem Weg 5000 Mrd. Dollar aus China, anderen Schwellenländern und den Ölländern in die USA geflossen. Zugleich stieg die Verschuldung der Privathaushalte im gleichen Zeitraum um 5000 Mrd. Dollar. Soweit dazu, wie diese Länder den Immobilienboom finanziert haben. Da sehen Sie doch sehr schön den Zusammenhang. Dass dabei auch die laxe Kreditvergabepraxis in den USA, mit dem ganzen Risikotransfer in Zweckgesellschaften oder ins Schattenbanksystem, den Kreditboom angeheizt hat, das steht außer Frage. Das ist genau die zweite Seite der Medaille. Dazu gehört auch die Niedrigzinspolitik der Notenbank, keine Frage.

    Beides schaukelte sich hoch, Amerikaner weiten in der ersten Runde ihren Kredit aus, den sie sich von den Chinesen finanzieren lassen, was wiederum das Leistungsbilanzdefizit der USA vergrößert. Umgekehrt steigt dadurch aber auch der Leistungsbilanzüberschuss Chinas, womit die Chinesen in der zweiten Runde aber noch mehr Staatsanleihen kaufen und die Kreditvergabe in den USA kann noch mehr steigen. Und so weiter und so fort, so schaukelt sich alles Runde für Runde hoch, bis es knallt.

    Dieses Hochschaukeln hätte durch eine strengere Regulierung in den USA eingedämmt werden können und dadurch, dass China seine Währung stärker aufwerten lässt. Letzteres hätte ja dazu geführt, dass die Notenbank Chinas weniger Staatsanleihen kauft und damit (auf indirektem Weg) auch weniger Kredit in den USA finanziert – also weniger Dollar zurück in den USA fließen, um in ihrem Bild zu bleiben.

    Die Rolle des Wechselkurses in China spielten in Deutschland die Lohnstückkosten. Die blieben ja weit unter der Entwicklung in anderen Euro-Ländern zurück. Frankreich zum Beispiel hielt sich nahezu perfekt an die alte Regel: Das Lohnwachstum entsprach der Rate des Produktivitätszuwachses plus 2 Prozent (Ziel-Inflationsrate der EZB). Spanien und Italien wichen davon nach oben ab. Aber Deutschland wich erheblich nach unten ab. Die Folge: Deutschland sammelte Leistungsbilanzüberschüsse an, seit 2000 ungefähr eine Summe von 1500 Mrd. Euro. Und dass Leistungsbilanzüberschüsse eben doch irgendwo auf dieser Welt – direkt oder indirekt – Kredite refinanzieren – das habe ich oben bereits deutlich gemacht.

    Konkret waren es auch deutsche Investoren die spanische Pfandbriefe kauften, mit den die Banken dort ihre Immobilienkredite refinanzierten. Den Rest besorgten deutsche Banken auf dem Interbankenmarkt. Exportgeschäfte und Urlauber haben da eher eine geringe Rolle gespielt.

    Und damit ist die Geschichte ja nicht zu Ende. Wir sammeln immer noch enorme Leistungsbilanzüberschüsse an, die irgendwo auf der Welt Kredite finanzieren. Klar dass der US-Pensionsfonds oder die US-Versicherung im obigen China-Beispiel heute eben keine US-Immobilienanleihen mehr kaufen, sondern bis vor kurzem sehr viele Papiere aus Schwellenländern. In letzter Instanz sind es aber die Überschussländer, also vor allem Deutschland und mittlerweile auch Spanien und Italien, die irgendwo auf der Welt die Kreditmaschine am Laufen halten.

    Zum zweiten Punkt möche ich nur auf meinen jüngsten Blogeintrag verweisen: http://www.weitwinkelsubjektiv.com/2013/09/25/bleigehalt-an-fuessen/

  • Edmund

    Hallo André, Sie schreiben: „Dieses Hochschaukeln hätte durch eine strengere Regulierung in den USA eingedämmt werden können und dadurch, dass China seine Währung stärker aufwerten lässt.“
    Sie bestätigen hier, dass die Subprime-Krise hausgemacht ist. Clinton hat doch die (seit 1929 bestehende) strenge Reglementierung, die Sie fordern, abgeschafft und Bush jun. hat den Bauboom weiterhin gefördert. Als es den Hypothekendarlehen gebenden Banken zu heiss wurde, haben sie die Risiken u.a. über CDO-Bündel ausgelagert, wobei die US-Ratingagenturen mithalfen. Resultat: Hauptleidtragende sind die US-Regierung und die US-Notenbank (siehe Aufblähen der Bilanzen). Das Szenario wäre nicht anders verlaufen, wenn Ausländer den US-Unternehmen oder dem US-Staat keinen Kredit gegeben hätten (nochmal: die Summe beider Bilanzen von Regierung und Notenbank wären im Vergleich zum heutigen Verlauf gleich hoch).
    Wieso soll China seine Währung stärker aufwerten? Damit der Staat anschließend weniger US-Dollar-Reserven hat? Das wäre freiwillige Kapitalvernichtung. Wären Sie damit einverstanden, wenn ihr behinderter Nachbar, für den Sie freundlicherweise jeden Tag Lebensmittel einkaufen, nicht mehr den gesamten Rechnungsbetrag zahlen möchte?
    Und noch etwas Grundsätzliches: Glauben Sie tatsächlich daran, dass Lohnerhöhungen in Deutschland dessen Leistungsbilanzüberschuss reduziert? Da kennen Sie die deutschen Arbeitgeber und die deutschen exportabhängigen Arbeitnehmer – und Gewerkschaften – nicht. Bleiben wir realistisch. Zudem: Was kann Griechenland gegen dann teurere deutsche Produkte ausrichten (die den deutschen Überschuss sogar vergrößern), wenn die griechische Industrie das deutsche Niveau (Hidden Champions, Innovationen …) nicht erreichen kann? Anstelle Griechenland können Sie gerne andere Ländernamen einsetzen.

  • André Kühnlenz

    Hallo Edmund, natürlich gab es auch ganz wesentliche hausgemachte Ursachen der Subprime-Krise. Das will und kann ich doch gar nicht bestreiten. Dafür dass aber die Krise so eine Dimension erreicht hat, die sie dann schließlich hatte, dafür war eben auch die Bereitschaft und der Willen notwendig, dass Länder enorme Leistungsbilanzüberschüsse anhäufen (allen voran China). Und vergessen wir nicht, die Kreditaufblähung erfolgte ja im unregulierten Schattenbanksystem, das sich bei der Notenbank gar kein Geld leihen konnte.

    Deswegen stimmt die Aussage einfach nicht, dass es auch ohne Finanzierung der Ausländer zu der Krise in diesem Ausmaße gekommen wäre. Daran können Sie doch niemals im Ernst glauben, dass die US-Notenbank vor der Krise eingesprungen wäre und ihre Bilanz so stark ausgeweitet hätte, wie sie es nach Krisenausbruch getan hat. Auch die regulierten Geschäftsbanken hätten vor der Krise nie ihr Kreditvolumen so stark ausweiten können, wie es das gesamte Finanzsystem tat. Dafür hätte nämlich immer noch das Eigenkapital der regulierten Banken wachsen müssen.

    Selbst wenn es zu höherem Eigenkapital gekommen wäre, hätten die Zinserhöhungen der Fed (ab 2004) immer noch Wirkung auf das Kreditgeschäft gezeigt, die Wirkung blieb aber aus. Nein, für die Dimension der Krise in den USA brauchte es eben ein unreguliertes Schattenbanksystem, Ratingagenturen die überall ein „AAA“ draufkleben, Eigenkapitalvorschriften, die dieses „AAA“ sanktionieren und eben eine enorme Kapitalflut.

    Ausgangspunkt ist doch aber immer der Überschuss, wodurch auch immer er in der ersten Instanz zustande kommt: Lohnzurückhaltung, staatliches Sparen, übermäßiges Anhäufen von Devisenreserven. Das Kapital findet immer seinen Weg – da helfen auch keine Kapitalverkehrskontrollen. Und sei es durch gefakte Exportrechnungen, wie es in China jüngst passiert ist.

    Dass China stärker aufwerten soll, das habe ich nie geschrieben. Es gab gute Gründe für die Chinesen, damals diese Politik zu fahren. Und ja, ich glaube, dass stärkere Lohnerhöhungen in Deutschland (und auch China), den Leistungsbilanzüberschuss eindämmen würden. Während China derzeit zumindest versucht, diesen Weg zu gehen, ist in Deutschland noch nicht einmal die Erkenntnis vorhanden. Da mache ich mir genau wie Sie auch gar keine Illusionen. Dennoch bleibt es bitter.

    Höhere Löhne würden übrigens auch dazu führen, dass wir mehr konsumieren und importieren. So wie nach der Einheit im Osten Deutschlands und schon hatten wir ein kleines Leistungsbilanzdefizit.

  • Edmund

    Hallo André, höhere Löhne (auf breiter Front) führen nicht zwangsläufig zu höherem Konsum und Import. Höhere Löhne (auf breiter Front) führen zwar zu mehr Kaufkraft, aber auch zu einer durchsetzungsfähigen Teuerung von Waren und Dienstleistungen. Die Verkaufsstrategen von Aldi & Co sind doch keine Dummköpfe.

    Sie schreiben u.a.: „Sie“ können „doch niemals im Ernst glauben, dass die US-Notenbank vor der Krise eingesprungen wäre und ihre Bilanz so stark ausgeweitet hätte …“ Nein, das ‚glaube‘ ich genauso wenig wie Sie, denn die Bilanzsumme wurde erst nach dem Platzen der Blase aufgebläht.

    Bei der Ursachenzuordnung der US-Subprime-Blase haben wir weiterhin unterschiedliche Meinungen. Ich dachte bisher immer, dass die örtlichen US-Banken in Minnesota, Illinois und in den anderen US-Bundesstaaten jedem ‚kleinen‘ und jedem ‚kleinen farbigen Mann‘ ein Haus aufgedrängt haben und die hierfür benötigten US-Dollar als Fresh-Money zur Verfügung gestellt haben, in der (unberechtigten) Hoffnung, dass die Immobilienpreise immerzu weitersteigen, wodurch sogar ein (möglicher) Ausfall der Zinszahlung durch das Hochfahren der Beleihungsgrenze abgefangen werden sollte (was vor dem Platzen der Blase gang und gäbe war). Fresh-Money war und ist hier deshalb kein Problem, weil dem Geldwert ein echter (neuer) Vermögenswert gegenübersteht. Mir ist nicht bekannt, dass irgendeine örtliche US-Bank oder die beiden großen Hypothekenbanken auf Gelder aus dem Ausland angewiesen waren, geschweige denn, dass sie darauf warten mussten.

  • MR

    @Edmund.

    „jedem ‚kleinen farbigen Mann‘ ein Haus aufgedrängt haben“? Sie sind also ein kleiner Rassist? Wieso bringen Sie eine Unterscheidung der Hautfarbe ins Spiel?

    Natürlich haben höhere Löhne auch zur Folge, dass die Preise steigen. Aber genau dieses ist auch in unserer Wirtschaftsordnung das Ziel. Die Preissteigerung SOLL jedes Jahr rund 2 % betragen. Dazu muss aber auch der jeweilige Verteilungsspielraum bei den Lohnverhandlungen ausgenutzt werden. Wenn dieses, wie seit 1996 nicht mehr geschieht, führt das wie in Deutschland 1. zu einer Schwächung der heimischen Nachfrage (der deutsche Binnenmarkt ist seit Jahren flach wie ein Brett), 2. zu einer zu starken Fokussierung auf den Export (mit exorbitanten Leistungsbilanzüberschüssen, 3. geringen Investitionen in Deutschland, da die Ersparnisse auf dem heimischen Markt geringe Renditen abwerfen und 4. zu einer steigenden Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung. Wer diese Folgen auf lange Zeit beibehalten will, nur zu. Dann bricht aber irgendwann das ganze System zusammen.

  • Edmund

    Das mit dem kleinen Rassist ist geschenkt. Ich finde, dass, wenn man über die USA schreibt, diese Unterscheidung angebracht ist, denn die Intension des etablierten weissen Mannes war ja nicht, dass man den Farbigen ein schönes Zuhause verschafft, sondern dass der eigene Gewinn mithilfe dieser armen Menschen ansteigt. Denn man sieht ja, was nach dem vorhersehbaren Platzen der Blase herauskam: die Armen sind wieder in den Armenvierteln.

    Generell: Wir differenzieren nicht, immer dieses ‚Deutschland‘ oder diese ‚Deutsche‘. Auch wenn ich jedem regulär bei VW beschäftigten Arbeitnehmer mehr Gehalt wünsche, lege ich mehr Wert auf ordentliche Gehaltserhöhungen bei Binnenmarkt orientierten Dienstleistungen, bei Kranken- und Altenpfleger(innen) zum Beispiel. Oder: in Finnland (siehe PISA-Studienprimus) werden Kindergärtner(innen) so bezahlt wie Lehrer(innen), da sie ebenfalls ein Studium absolvieren. Von nichts kommt nichts. Hier ist der Staat „Deutschland“ in der Pflicht, die notwendigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Hier könn(t)en wir Bürger mitreden, – bei reinen betriebswirtschaftlichen Ereignissen, mit denen man z.B. Leistungsbilanzen ausrechnen kann, sind wir doch machtlos, da wir nicht in betriebswirtschaftliche Abläufe hineinreden können.

    Die „Ungleichheit innerhalb der Bevölkerung“ hat nichts mit der statistischen Größe „Leistungsbilanz“ zu tun, sondern damit, dass den ‚Deutschen‘ immer noch nicht auffiel, dass sie mehrheitlich die falsche Partei bzw. die falschen Parteien wählen.

  • MR

    So lange die VW-Beschäftigten berechtigten Anteil (Verteilungsspielraum) erhalten, ist alles in Ordnung. Leider sind die VW-Beschäftigten nicht als Querschnitt der AN in Deutschland anzusehen. Gerade in Branchen mit geringer Tarifbindung brechen die Lohnsteigerungen noch stärker von der gesamten Schnitt ab, nach unten!

    „bei reinen betriebswirtschaftlichen Ereignissen, mit denen man z.B. Leistungsbilanzen ausrechnen kann, sind wir doch machtlos, da wir nicht in betriebswirtschaftliche Abläufe hineinreden können.“ ??? Erst einmal sind betriebswirtschaftliche Ergebnisse von den gegebenen volkswirtschaftlichen Rahmenbedingungen abhängig. Deshalb sind die extremen Leistungsbilanzüberschüsse Deutschlands auch zum sehr großen Teil durch die politischen Rahmenbedingungen verursacht. Was denn sonst? Der deutsche Michel wählt aber gerne die Angela, die glaubt, dass die Volkswirtschaft wie eine schwäbische Hausfrau agiert.

  • Edmund

    Hallo MR, zunächst ist festzuhalten, dass wir beide für Lohnerhöhungen sind. Während Du und andere Flassbeck-Jünger dies aus der – für mich nicht nachvollziehbaren – Tatsache eines Leistungsbilanzüberschusses, also eines nur für die Statistik interessanten Wertes herleiten, gehe ich von der einfachen These aus, dass Lohnerhöhungen in – aus neoliberaler Sicht betrachtet – unproduktiven Berufen durchgesetzt werden müssen, also für Personengruppen, die bisher mit mickriger Bezahlung einverstanden waren.

    VW nannte ich stellvertretend für die exportstarken Unternehmen, bei denen die Gewerkschaften zumindest für die Stammbelegschaft noch handlungsfähig sind. Auf Feinheiten, wie die Behandlung von Leiharbeitern brauche ich hier nicht eingehen, denn hier werden wir einer Meinung sein. – VW habe ich auch genannt, um darauf aufmerksam zu machen, dass deren (deutsche) Markenautos nicht gerade billig sind, auch nicht im Ausland. Es muss wohl an der Qualität (und dem Prestigegehabe) liegen, dass die VW-Autos ‚gut laufen‘. – VW ist auch ein gutes Beispiel dafür, dass die Flassbecksche These in die falsche Richtung läuft, denn Gehaltserhöhungen bei VW wirken sich definitiv positiv auf die deutschen Bilanzüberschüsse aus. Das hängt damit zusammen, dass der Lohnkostenanteil (pro Auto) gerade einmal 14% beträgt und c.p. eine von der Gehaltserhöhung indizierte Preissteigerung minimal wäre, so dass die freie Entscheidung z.B. eines Griechen, entweder den gewünschten AUDI oder einen Fiat zu kaufen, nicht beeinflusst wird.
    Die ‚deutsche Exportstärke‘, die es schon immer gab, hat nichts mit Löhnen zu tun, sondern mit dem ‚gewusst wie‘ der ‚deutschen Wirtschaft‘. Dasselbe gilt auch für Österreich, die Schweiz, Norditalien und einigen anderen Industriegebieten in Europa. Eine Marginalverschiebung der Warenströme bei marginalen Lohnsteigerungen gibt es nicht, soll heißen: wenn in Deutschland das Gehaltsniveau steigt, steigt nicht die Produktion in anderen (Euro)Ländern. Das würde nämlich voraussetzen, dass die gleichen Produktionsstrukturen vorherrschten.

  • MR

    Haha, nicht ganz.

    1. Es müssen (insgesamt und im Schnitt) in Deutschland höhere Löhne gezahlt werden.

    2. Wir können soviel exportieren, wie wir möchten. Wir müssen dann aber auch importieren. Anderenfalls geben wir dem Ausland Kredit, dessen Rückzahlung (jaja, unsere Rente in 30 Jahren) doch eher unwahrscheinlich ist. Absolut sinnfreie Handlung.

    3. Damit 2. ermöglicht wird, ist die Binnenkonjunktur zu stärken. Investitionen (Bildung, Infrastruktur…) sind notwendig, um insgesamt den Kapitalstock wieder aufzubauen, den wir in der Zukunft nötig haben. Daraus müssen dann aber auch die Löhne (auch die der „aus neoliberaler Sicht betrachtet – unproduktiven Berufen“!!!) steigen.

    4. Wenn die deutschen Exportbranchen so produktiv sind, dann können sie verdammt nochmal auch dementsprechende höhere und steigende Löhne zahlen, z. B. darf die Leiharbeit in diesen Branchen nicht dazu führen, dass dadurch die Kosten im Vergleich zu ausländischen Unternehmen gesenkt werden.

  • Edmund

    Hallo MR, langsam komme ich in den Wiederholmodus.
    Zu 1. Wieso sollen die Gehälter der regulär bei VW Beschäftigten erhöht werden, wenn diese zusätzlich zur überdurchschnittlichen Lohnhöhe letztes Jahr –allesamt- über 8.000 € Boni bekommen haben? – Ich plädiere nicht für das Gießkannenprinzip, sondern für Lohnerhöhungen von bisher vernachlässigten Gruppen (z.B. Pflegekräfte …).
    Zu 2. Zwischen ‚Leistungsbilanzüberschuss‘ und ‚Investitionen‘ muss unterschieden werden. Länder mit einem „Leistungsbilanzdefizit“ sind in der Summe auf mehr Auslands- als Inländerinvestitionen angewiesen. Nun gut, aber was macht das für einen Unterschied, ob ein Inländer oder Ausländer investiert? Beide haben doch die gleichen Interessen (Zinszahlungen und Rückzahlung). – Altersrente und Leistungsbilanz korrelieren nicht. / Bei der nicht Umlage finanzierten Altersrente kommt es auf das Anlagegeschick an. Lebensversicherer kaufen doch keine 30jährigen (Staats)Papiere; bis 30 Jahre vorüber sind, werden mit dem Investitionsvolumen tausende Käufe und Verkäufe getätigt – und sie haben dabei immer das Risiko im Auge. (Unabhängig davon: seit 2005 gilt Finger weg von Lebensversicherungen und seit 2003 gilt Finger weg von privaten Rentenversicherungen)
    Zu 3. Wo auf dieser Erde der Kapitalstock aufgebaut wird, überlasse ich den Investoren. Wirtschaft läuft sowieso anders und zwar über den Aufbau neuer Schulden, generiert von Banken, die somit Risiken übernehmen, die andere Investoren nicht eingehen würden oder nichts davon erfahren. -Wir befinden uns doch leider im „Kapitalismus“.
    Zu 4. … wie ich schon feststellte: da beißt sich der Hund in den Schwanz. Je teurer die Exportartikel, umso höher fällt der deutsche Leistungsbilanzüberschuss aus, den Sie eigentlich reduzieren wollen. Bei sehr ungeschicktem Verhalten der deutschen Unternehmen kann es aber sein, dass die Produktion von ebenfalls hoch spezialisierten japanischen oder südkoreanischen Unternehmen übernommen wird. Dann würde sich Ihr Wunsch der Leistungsbilanzreduzierung erfüllen, allerdings auf Kosten von Arbeitsplätzen.

  • MR

    Zu 1. Ich habe nicht von den VW-Beschäftigten gesprochen, sondern generell von der Exportindustrie sowie auch in den anderen Beschäftigungsgruppierungen.
    Zu 2. Natürlich muss da diffenziert werden. Es erscheint aber lediglich nicht sinnvoll die Rahmenbedingungen so einzurichten, dass dauerhaft unsere Ersparnisse, in der Weise wie bisher, ins Ausland transferiert werden.
    Zu 3. Völlig korrekt. Etwas anderes habe ich nie behauptet. Da es aber im ureigenen Interesse der verantwortlichen Politiker sein sollte, auch in der Zukunft einen funktionsfähigen Staat vorzufinden, ist gerade hier ein Umsteuern notwendig. AK ha das ja hier im Blog zutreffend formuliert: „Nein, das sollte eben nicht bezweifelt werden. Gemeint sind hier unsere Exportüberschüsse. Aber „Blei an Füßen“ heißt nichts anderes, als dass Konzerne, Unternehmer, die kleinen und großen Sparer, die Vermögenden in diesem Land, ihr überschüssiges Geld in die Zukunft dieses Landes investieren (oder dazu nutzen, höhere Löhne zu zahlen) und nicht in jeder Finanzkrise aufs neue verbrennen lassen. Ohne „Blei an den Füßen“ lösen wir auch keine Demografieprobleme in diesem Land, so es sie denn überhaupt gibt. Dieses Land bleibt einfach nur stehen – mehr “Wohlstand für alle” ist damit nie und nimmer in Sicht.“

    4. Es geht hierbei weiterhin darum, dass die Angestellten am Erfolg des Unternehmens partizipieren.

  • Edmund

    Hallo MR, wenn ich Sie richtig verstehe, wollen Sie 1. die ‚deutschen‘ Investoren und Sparer daran hindern, ihr Geld (oder Teile davon) auch anderen Menschen, Völkern und Ländern geben zu dürfen – mit der Begründung, dass es der deutsche Staat und die deutschen Wirtschaftsunternehmen auch benötigen. Das ist meiner Meinung nach ein Eingriff in die Eigentumsrechte und hätte vor dem Bundesverfassungsgericht wohl kaum Bestand. Zum 2. wollen Sie die Löhne und Gehälter unspezifisch erhöhen, ohne an die Folgen zu denken, die in einem strengen Wettbewerbssystem dadurch auftreten können, hier speziell bei exportorientierten Unternehmen. Das wäre ein selbstverschuldetes ‚Niederkonkurrieren‘.
    (Selbstverständlich werden Sie zumindest Punkt 1 nicht so wollen, aber anders kann man die Aussagen nicht deuten.)

    Nun noch ein paar Sätze zur letzten großen Finanzkrise, die Sie hier in das ‚Leistungsbilanz‘-Thema einbauen: Der deutsche Staat hätte auch dann die Banken ‚gerettet‘, wenn -theoretisch betrachtet- die Löhne höher und die deutsche Leistungsbilanz negativ gewesen wäre (siehe andere Länder). Es wurden hierbei keine Ersparnisse gerettet, sondern fresh-money, das die Banken aufgrund eines ‚geistigen Überschwangs‘ bedenkenlos im Laufe der letzten Jahre und bei der HBV und Commerzbank in den vergangenen Jahrzehnten (Stichwort ‚Wiedervereinigung‘) generiert haben.
    Nochmals: Leistungsbilanzen, Sparen, fresh-money, Finanzblasen dürfen nicht vermengt werden

  • MR

    Lieber Edmund, wie oft denn noch? Niemand soll daran gehindert werden, sein Geld da anzulegen, wo er es möchte. Der Staat sollte lediglich die Rahmenbedingungen schaffen, damit diese Gelder (Ersparnisse) vermerkt in Deutschland angelegt werden und somit benötigte Investitionen ermöglicht werden. Es gibt einen riesen Investitionsstau in Deutschland (Infrastruktur, Bildung etc.). Es gibt dazu verschiedenste Wege Investitionen zu ermöglichen. Zum Beispiel hat das DIW dazu auch verschiedene Vorschläge unterbreitet. Ihre Aussage zur den verfassungsrechtlichen Einschränkungen sind daher absolut unbedeutend. Weiterhin soll jede Branche die Löhne so erhöhen, wie es für sie notwendig ist. Es soll dabei ein Ziel (branchenübergreifend) wieder gelten: Lohnerhöhung = Zielinflation + Produktivität.
    Ihre „Belehrung“ zu der Leistungsbilanz lasse ich mal bewusst unkommentiert ;)

  • Edmund

    Hallo MR,
    1. Der Investitionsstau in Deutschland ist politisch bedingt (und somit bewegen wir uns sehr weit vom Artikel von André weg). Dieser Stau kann nicht in Gänze durch Lohnerhöhungen aus der Welt geschafft werden, sondern durch Erhöhungen der ‚richtigen‘ Steuern. – Ich bin mal gespannt, welche Steuern die Politiker (CDU, sPD) aufgrund der Neuverschuldungsobergrenze erhöhen werden. Das Problem hierbei sind aber nicht die Politiker, sondern die (Ver)Wähler. Die schlucken jede Kröte, was den Reichen nie einfallen würde.
    2. Ihr Branchen übergreifendes Ziel (Lohnerhöhung= Zielinflation + Produktivitätserhöhung) kann bei der Lohnfindung gut sein, nur was machen wir mit den vielen Millionen Beschäftigten, die keine messbare ‚Produktivitätssteigerung‘ vorweisen können oder bei denen gar keine Steigerung erwünschenswert ist (Pflegekräfte etc.)?
    – Mein vorrangiges Ziel wäre, wenn man zunächst einmal einen anständigen Mindestlohn einführt (weg mit der den Staatshaushalt belastenden Aufstockerei), der selbstverständlich streng überwacht und bei Verstoß übermäßig geahndet wird (beim Arbeitgeber und beim Arbeitnehmer), zudem bestimmte Berufe (Pflege, Kindererziehung) fördert (Diplom), für Umweltinfrastrukturen Steuergelder einsetzt … – alles andere, was als privatwirtschaftlich daherkommt, kann der Staat – in einer kapitalistischen Marktwirtschaft – sowieso nicht beeinflussen.

  • MR

    Zu 1. Ich habe nie etwas anderes behautet, als dass der Investitionsstau durch die politischen Rahmenbedingungen verursacht wurde. Eine verstärkte Binnenkonjunktur wird man aber nicht dauerhaft ohne höhere Löhne (die Ziele kennen Sie ja ;) ) sowie stärkeren staatliche Investitionen (durch höhere Steuern!) erzielen können. Lediglich die durch die Lohndrückerei (http://3.bp.blogspot.com/_tk4IaJRyiSY/TVFvGOBVf5I/AAAAAAAADU8/5zNGgyZzcoI/s1600/Deutschland%252C+Lohnst%25C3%25BCckkosten%252C+Graph+Prof.+Heiner+Flassbeck%252C+Jan+2011.jpg) geschaffenen Wettbewerbsvorteile müssen zwingend abgebaut werden, da diese eine der Hauptursachen, der aktuellen Probleme darstellen.

    2. Auch hier völlige Zustimmung. Ohne die Möglichkeit durch AN-Vertreter eigene Interesse zu bekunden, müssen in allgemein bzw. jedoch mindestens (wenn sich die Union nicht bewegt) in den betreffenden Branchen Mindestlöhne eingeführt werden. Es wäre auch ziemlich schwierig die Produktivität in der Pflegebranche zu messen ;)

  • Edmund

    Hallo MR, im Grunde unterscheiden wir uns nur bei der Flassbeckschen These, dass die deutschen Exporterfolge hauptsächlich durch Lohndrückerei zustande kommen. Die Stammbelegschaften der Export orientierten Unternehmen verdienen im Schnitt mehr als Binnenmarkt orientierte.
    Den Grund der Exporterfolge sehe ich –wie schon erwähnt- bei der Herstellung wettbewerbsfähiger Produkte. Bezogen auf die Euro-Südstaaten stelle ich fest, dass deren Industrie kein adäquates ‚Gewusst wie‘ aufweisen kann und somit auch keine ausgeglichene Handelsbilanz (mit Deutschland) hinbekommen. Wenn der Euro (mit der jetzigen Länderkonfiguration) überleben soll, dann geht das nur über einen Länderfinanzausgleich, so wie zwischen Bayern und Brandenburg.
    Flassbeck hat sich da –meiner Meinung nach- verrannt.

    Die von Ihnen als Beweis herangezogene gezogene Grafik ist, wie jede Statistik, so eine Sache. Zunächst einmal wäre sie nur dann zu gebrauchen, wenn bei den Lohnstückkosten dieselben Produkte verglichen werden (was nicht der Fall ist) und zum anderen absolute und nicht nur relative Größen (hier Prozentsätze) angegeben worden wären. (Bsp. Wenn in D im Jahr 1999 die Lohnstückkosten 30 € betrugen und in Südeuropa 20 €, dann zeigt diese Grafik auf, dass in D die Lohnstückkosten auch 2010 höher sind als in Südeuropa, unabhängig davon, dass die Inflationsrate im angegebenen Zeitraum in Südeuropa höher als in D war, wodurch die Südeuropäer netto auch nicht mehr in Händen halten. Weiterhin wird die Zu- oder Abnahme von Arbeitsplätzen nicht berücksichtigt …)

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