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Streit ums OMT-Programm – Wollen wir wirklich Chinas Staatskapitalismus kopieren? (Teil III – Planungsphantasien wie aus dem Politbüro)

Im zweiten Teil dieser Serie wurde hoffentlich klar, dass ohne das OMT-Programm die wichtigste Aufgabe der EZB – stabile Preise zu garantieren – keinen Sinn ergibt: Einem Land (und auch den Marktteilnehmern) stellt sich doch die Frage, was es überhaupt noch in dieser Währungsunion soll? Warum soll es im Euro bleiben, wenn ein solventes Land in einem Währungsverbund nicht vor dem Ausbluten geschützt werden kann? Stabile Preise hin oder her, und über die Unabhängigkeit der Notenbank braucht wir erst gar nicht reden.

Die EZB muss leider auf Instrumente zurückgreifen, die eher an die Zeit vor der Währungsunion erinnern. Der Grund liegt darin, dass der Euro-Raum als Währungskonstrukt im Vergleich zur USA vorerst noch unterentwickelt bleibt, wie im ersten Teil und zweiten Teil dieser Serie klar wurde. Genau mit dem OMT-Programm schützt die Euro-Notenbank aber solvente Länder vor einer nie enden wollenden Kapitalflucht und schafft somit die Basis dafür, auch dort stabile Preise zu garantieren – bei allen Risiken, die solche Eingriffe bergen können.

Erst damit schafft sie überhaupt die Grundlage dafür, noch halbwegs unabhängig in der Währungsunion zu handeln. Gibt es keine Währungsunion, gibt es auch keine unabhängige Notenbank für diese Währungsunion! Stellen wir ein paar Gedanken vom Kopf wieder auf die Füsse!

Nach dem Motto „Griechenland kann überall sein“

Natürlich kann man sich der Überlebensfrage des Euro auch eher auf abstrakte Art und Weise nähern. Das ist der Weg der Bundesbank. Die Bundesbank postuliert, dass im Zweifel immer die Preisstabilität und die Unabhängigkeit der Notenbank Vorrang haben muss. Sind rein theoretisch „Abstriche beim Ziel Preisstabilität“ erkennbar, lehnt sie jede weitere Verantwortung als Notenbank ab – besonders dann, wenn ein „bestehender Ordnungsrahmen“ nicht mehr garantiert werden kann oder die „Unabhängigkeit der Notenbank“ gefährdet ist.

Dann blieben die Staaten sich selber überlassen, die Solvenz bislang noch solventer Mitglieder des Euro-Raums zu sichern. Egal ob die Mittel oder Macht der Staatengemeinschaft dafür überhaupt ausreichen. Nach dem Motto „Griechenland kann überall sein“ spielt es auf dieser abstrakten Ebene auch keine Rolle mehr, ob die Zinsen zum Beispiel in Spanien innerhalb nur weniger Wochen plötzlich von 5 auf 7,5 Prozent steigen. Ähnliches geschah in Italien im Frühjahr und Sommer 2012.

Die heile Gedankenwelt eines Notenbank-Ponyhofs

So subjektiv die Beurteilung auch sein mag, ob ein Zinsniveau das richtige Risiko wiederspiegelt, so wenig sollte eine Notenbank aber die Augen davor verschließen: Ein solventes Land kann in der noch unfertigen Konstruktion der Währungsgemeinschaft einfach so ausbluten – auch ohne dass dafür gravierende neue Gründe aufkommen müssen. Wer das nicht erkennt, lebt wahrscheinlich in der heilen Gedankenwelt eines Notenbank-Ponyhofs.

Gerade die Monate nach Ankündigung des OMT-Programms haben doch gezeigt, dass Anleger durchaus in der Lage sind, Spanien so zu bewerten, wie es das Land vermutlich auch verdient hat: Als eine solvente Volkswirtschaft. Erst kürzlich hat zum Beispiel Daniel Gros festgestellt, dass Spaniens Auslandsverschuldung dieses Jahr ein tragfähiges Niveau erreichen wird. In Italien stand die Tragfähigkeit der Auslandsschulden sogar nie in Frage.

Gefährlicher Dogmatismus

Mit dem unbedingten Postulat der Preisstabilität und der Unabhängigkeit der Notenbank wird ihr eigentlich doch sinnvolles Ziel aber zum Dogma. Es blendet die konkreten Gefahren der Währungsunion komplett aus. Und wohin zuviel Dogmatismus führt, das haben wir in der DDR und den anderen staatssozialistischen Ländern zu spüren bekommen – so toll und sinnvoll die ursprünglichen Ideen und Ideale der Kommunisten auch gewesen sein mögen.

Die Bundesbank blendet völlig aus, welch positive Rolle unbegrenzte Anleihekäufe spielen können. Sie sieht in ihrem Dogmatismus auf lange Sicht nur das Negative, die Risiken. Die Finanzmarktpanik in Spanien oder Italien wird zur subjektiven Welt des Marktes verallgemeinert, in der eine Notenbank nichts mehr verloren hat. Somit bleibt in den Augen der Bundesbank logischerweise nur ein Weg übrig, den Währungsraum auf ein stabiles Fundament zu stellen: Die Krisenländer sollen in Zukunft am besten gar keine Kredite mehr im Ausland aufnehmen – egal ob Privathaushalte, Unternehmen oder Regierungen.

Die einfache Logik: Keine Auslandskredite, keine Kapitalflucht

Die Logik der Bundesbank und auch der Bundesregierung ist einfach und bestechend: Wer netto kein Kapital aus dem Ausland bekommt, der setzt nicht nur an den Ursachen der Krise an, der kann auch nicht mehr in einem Abwärtssog der Kapitalflucht geraten und der braucht auch keinen Mechanismus, der eine solche Flucht stoppt. Genau deswegen braucht der Euro-Raum nach Überzeugung der Bundesbank auch kein OMT-Programm, das eine Kapitalflucht stoppen müsste.

Und genau darauf zielt am Ende auch die Austeritätspolitik in den Krisenländern sowie der Fiskalpakt: Erst sinken die Löhne, die Defizite werden mitten in der Rezession gekürzt – zugleich brechen die Einfuhren und Binnennachfrage weg. Später soll es bloß keinen Konsum oder sogar Bauboom mehr auf Pump aus dem Ausland geben. Das schön-abstrakte Codewort dafür heißt: Wettbewerbsfähigkeit.

Und hier kommen wir zu einem wichtigen Punkt, den Arne Kuster, Betreiber des Blogs „Wirtschaftswurm“, bereits es in den Kommentaren zum vorherigen Teil diese Beitrags bemerkt hat – wenngleich er wohl anderes im Sinne hatte, als es in diesem Beitrag gemeint ist. Er schreibt: „Erst führt man den Euro ein, damit das Kapital ungehindert fließen kann, dann will man aber keine Kapitalflucht. Das passt nicht zusammen.“ Wie recht er doch damit hat.

Rettungspolitik greift in den Ordnungsrahmen der Marktwirtschaft ein

Merken wir eigentlich noch wie tief wir mit unserer „Rettungsstrategie“ in das Wirtschaftleben von 330 Millionen Menschen im Euroland eingreifen wollen? Kann es sein, dass wir uns mehr oder weniger plötzlich von den Regeln Marktwirtschaft und des freien Kapitalverkehrs verabschieden sollen? Könnte es vielleicht sein, dass erst die realexistierende Rettungspolitik der Bundesregierung den „bestehenden Ordnungsrahmen“ der Bundesrepublik und des Eurolands in Frage stellt?

Nun mag es so sein, dass sich Frau Merkel 1989 den „Goldenen Westen“ in etwa genauso vorgestellt hat. Ich jedenfalls nicht. Mich erinnert das alles daran, wie Politbüro und Staatsrat in Peking noch immer versuchen, die Kapitalströme der Volksrepublik mehr schlecht als recht zu kontrollieren. Kann es also sein, dass unsere Regierung und die Bundesbank auf den Pfaden des chinesischen Staatskapitalismus wandeln?

Gipfel der kruden Planungslogik

Ist es tatsächlich schon so weit, dass eigentlich die größten Vertreter eines „marktwirtschaftlichen Ordnungsrahmens“ ihre ursprünglichen Ideen dem eigenen Dogma geopfert haben. Es wäre nicht das erste Mal in der Geschichte. Dabei geht es von einem Extrem zum anderen Extrem: Erst gab es die völlige Freizügigkeit des Kreditverkehrs vor Krise und nun schwenken Bundesbank und Bundesregierung in das komplette Gegenteil um – die komplette Kontrolle der Kreditaufnahme.

Aber vergessen wir nicht, wie Frau Merkel im Sommer 2012 ihr „okay“ zu Mario Draghis „Whatever it takes“ gegeben hat. Dieser Pragmatismus lässt vielleicht noch hoffen. Gleichwohl besteht auch die Bundesregierung drauf, dass sich alle an Regeln halten müssen – Regeln für die Budgets der Unternehmen, Privathaushalte und der Regierungen – dann werde schon alles gut, so das Motto. Sollte die Bundesbank aber mit ihrem Widerstand gegen das OMT-Programm durchkommen – es wäre der Gipfel der kruden Planungslogik. Aber eher noch würde es das Ende des Euro einläuten. Auch so kann man aus einem Ponyhof vertrieben werden.

Im vierten Teil geht es darum, wie die chinesischen Planungsphantasien der Bundesbank und die Obsession der Deutschen mit Regeln in einer komplexen Wirtschaft wie dem Euro-Raum keinen Erfolg haben werden und welche Alternativen es dazu gibt.

Teil I – Ein starkes Pro-Argument von Lorenzo Bini Smaghi
Teil II – Was kritisieren denn eigentlich die Deutschen?
Teil III – Planungsphantasien wie aus dem Politbüro
Teil IV – „Nur nach Hause, nur nach Hause, nur nach Hause gehn wir nicht“
Teil V – Bockenheimer Ampelmännchen springen im Quadrat
Teil VI – Die Verfassungsrichter blamieren sich bis auf die Knochen
Teil VII (Schluss) –
Ein salomonisches Urteil muss her: Mehr Demokratie in der Rettungspolitik!

 

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  • Jörg

    Tja, so kann man die Unabhängigkeit der Bundesbank eben auch nutzen: Scheuklappen auf, nix sehen und nix hören um des reinen Dogmas willen.

    Schließlich kann uns ja keiner reinreden und verantwortlich sind immer die anderen… ;-)

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