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Streit ums OMT-Programm – Wollen wir wirklich Chinas Staatskapitalismus kopieren? (Teil I – Ein starkes Pro-Argument von Lorenzo Bini Smaghi)

Das beste Argument für unbegrenzte Anleihekäufe (auch bekannt als OMT-Programm) der EZB kam vom Lorenzo Bini Smaghi. Der Italiener saß vom 1. Juni 2005 bis 31. Dezember 2011 im Direktorium der Euro-Notenbank. Am Montag saß er auf dem Podium dieser Konferenz in Berlin. (Hier das Twitter-Protokoll zum Nachlesen) Der Ex-Währungshüter trug in meinen Augen das beste Pro-Argument gegen die Kritiker wie Otmar Issing oder Bundesbank-Chefvolkswirt Jens Ulbrich vor. Bini Smaghis Argumentation ist einfach und doch sehr einleuchtend – sie geht so:

Wir müssen uns einfach nur vorstellen, die EZB ist – wie heute auch – die Notenbank für unseren gemeinsamen Währungsraum. Nun stellen wir uns aber auch vor, es gebe weiterhin wie früher D-Mark, Franc, Lira oder Peseta. Die nationalen Währungen wären über einmalig festgelegte Wechselkurse aneinandergekettet.

Damit hätten wir es wie heute auch mit einer Gemeinschaftswährung zu tun. Denn die EZB müsste sich in diesem hypothetischen Fall verpflichten, immer dann am Markt einzugreifen, wenn die Wechselkurse am Markt von den Niveaus abweichen, auf die wir uns einmal und für alle Zeit geeinigt haben. Die EZB würde somit immer dann die Fundamente der Währungsunion verteidigen, wenn es nötig wäre.

Lorenzo Bini Smaghi - Festival Economia 2013Konkret ginge das so: Kommt es zum Beispiel zu einer ungebremsten Kapitalflucht aus Spanien – aus welchen Gründen auch immer – verlieren die Peseten an Wert. Investoren verkaufen in Massen spanische Wertpapiere und die Erlöse tauschen sie in eine andere Währung wie die D-Mark. Nun müsste die EZB aber Peseten aufkaufen und so sicherstellen, dass sich der festgelegte Wechselkurs wieder einpendelt.

Notenbanken kaufen ständig Anleihen

Die EZB würde so die Grundfesten der Währungsunion absichern, verteidigen und garantieren. Genau das ist ihre Aufgabe, denn sie ist immer noch die Notenbank der Währungsunion. Ohne die Eingriffe wären die festgelegten Wechselkurse aber Makulatur und damit auch die Währungsunion.

Von diesem Gedankenexperiment Bini Smaghis kommen wir zur Realität in der heutigen Währungsunion. Was machen Notenbanken, wenn sie am Devisenmarkt eingreifen und fremde Währung aufkaufen? Sie legen die erworbenen Devisen (im obigen Beispiel sind es Peseten) in Wertpapieren des Krisenlandes an (also zum Beispiel in spanischen Staatsanleihen – d.h. sie kaufen spanische Staatsanleihen). Oder die intervenierende Notenbank (hier die EZB) legt die Gelder auf ein Konto der entsprechenden Notenbank (also der Banco de España).

So wie die Chinesen und die Schweizer auch

Für beides gibt es auch Beispiele außerhalb der Euro-Zone: Die Chinesen, die sich in einer informellen Währungsunion mit den USA befinden (natürlich nur mit stiller Zustimmung der Amerikaner) bestimmen den Wechselkurs ihres Renminbi zum Dollar auf eigene Faust. Man kann auch sagen, dass sie sich seit mehr als einem Jahrzehnt von den absurden Wechselkursbewegungen am Devisenmarkt befreit haben. Und sie legen selber fest, wie stark ihre Währung aufwerten darf oder nicht.

Das andere Beispiel sind die Schweizer, die auch am Devisenmarkt eingreifen und seit 2011 den Franken über einen Kursuntergrenze an den Euro gekoppelt haben. Auch hier geht es darum, eine zu starke Aufwertung zu verhindern. Wieder haben wir es quasi mit einer informellen Währungsunion zu tun. Und die Schweizer legen ihre Euros zum Teil in Staatspapieren aus dem Euroland an – jedoch auch auf Konten bei der EZB.

Zentralbanken geben ständig irgendeinem Staat Kredit

Rein formal gibt die Schweizerische Nationalbank damit praktisch den Euro-Regierungen – und auch der Euro-Notenbank – einen Kredit. Genau wie die People’s Bank of China den Amerikanern Kredit gibt, aktuell halten die Chinesen immerhin 1276 Mrd. Dollar an US-Staatspapieren, wie jüngste Zahlen des US-Finanzministeriums zeigen. Ingesamt liegen sogar 4000 Mrd. Dollar an US-Wertpapieren in Depots ausländischer Notenbanken.

Anleihekäufe gehören praktisch immer dazu – egal, ob es sich um einen expliziten oder weniger expliziten Währungsverbund handelt. Das gehört zum Geschäft von Notenbanken. Im Euro-Land könnte man natürlich solche Eingriffe verhindern. Dazu bräuchten wir aber Euro-Bonds. Dann gäbe es keine ungebremste Kapitalflucht mehr aus irgendeinem Euro-Staat. Aber das mit den Euro-Bonds ist nicht so einfach.

Ohne Euro-Bonds hilft nur das OMT-Programm

Da es Euro-Bonds auf absehbare Zeit wohl nicht geben wird, erfüllt das OMT-Programm der EZB genau diese wichtig Funktion: Es baut genau die fehlende Verteidigungslinie in das Konstrukt der Euro-Währungsunion ein, die es bis Mitte 2012 nicht gab. Das Programm ähnelt genau den Devisenmarkteingriffen, wie sie Bini Smaghi skizziert hat.

Bislang reicht glücklicherweise allein die Ankündigung des Programms unbegrenzter Anleihekäufe. Wobei allerdings immer die Gefahr besteht, dass Marktteilnehmer den unbedingten Willen der EZB jederzeit testen könnten, die Währungsunion tatsächlich bis zum Letzten zu verteidigen. Auch deswegen ist es aber wichtig, dass die Käufe von vornherein unbegrenzt angekündigt wurden – denn der mögliche Test soll so lange wie es nur geht hinausgezögert oder gar komplett verhindert werden.

Das sollte eigentlich kein Grund für die Bundesbank oder für Otmar Issing sein, das OMT-Programm abzulehnen. Ihre wichtigsten Gegenargumente ziehen einfach nicht. Interessanterweise verstummte Issing auf der Konferenz nach den Aussagen Bini Smaghis auch. Wie und warum die Deutschen das OMT-Programm ablehnen und was das alles mit Chinas staatskapitalistischer Planwirtschaft zu tun hat – dazu mehr im nächsten Teil.

Teil I – Ein starkes Pro-Argument von Lorenzo Bini Smaghi
Teil II – Was kritisieren denn eigentlich die Deutschen?
Teil III – Planungsphantasien wie aus dem Politbüro
Teil IV – „Nur nach Hause, nur nach Hause, nur nach Hause gehn wir nicht“
Teil V – Bockenheimer Ampelmännchen springen im Quadrat
Teil VI – Die Verfassungsrichter blamieren sich bis auf die Knochen
Teil VII (Schluss) –
Ein salomonisches Urteil muss her: Mehr Demokratie in der Rettungspolitik!

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