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FöjetongSubjektiv: Neuigkeiten aus Gulag Sachs

Michael Lewis hat ein neues Stück erstklassigen Journalismus abgeliefert (und sich dazu auch noch interviewen lassen). Und mein erster Eindruck beim Lesen: Wie ähnlich wären doch die Vereinigten Staaten von Amerika dem heutigen, ach so demokratischen Russland, wenn Goldman Sachs dort das Land so richtig regieren würde. Es geht um den Fall des russischen Programmierers Alexej Alejnikow, der fatalerweise an Michail Chodorkowski in Putins Zarenreich erinnert.

Alejnikow hat Quelltext der Software für den Hochfrequenzhandel bei Goldman kopiert. Es geht um sagenhafte 8 Megabyte. Erdnüsse, nennen wir Deutschen das. Der Russe hat sie viermal auf einem Server im Deutschland abgespeichert – kurz bevor er Goldmann Mitte 2009 verlassen hat.

[Alejnikow (l) nachdem er vor einem Jahr erneut verhaftet worden war]

Es ist der Fall, in dem die Investmentbank lustigerweise indirekt zugibt, die Märkte früher auf „faire Weise“ manipuliert zu haben: „Die Bank hat auch die Möglichkeit erwähnt, dass jemand, der weiß, wie man dieses Programm benutzt, die Märkte auf unfaire Weise manipuliert“, sagte Staatsanwalt Joseph Facciponti (zitiert die SZ aus den Gerichtprotokollen). Zu einem großen Teil handelt es sich bei dem Kopierten um öffentlich zugänglichen Quelltext, den Alejnikow verändert hat. Und alles nur dazu, ein marodes Softwaresystem zu reparieren.

Nun ist in der Open Source-Gemeinde eins üblich: Wenn jemand freien Programmtext verändert, sollte er ihn auch an die Allgemeinheit zurückgeben. Nicht so bei Goldman Sachs, hier beanspruchen sie auf die Arbeit Alejnikows geistige Eigentumsrechte – obwohl man zuvor von der Kreativität der Gemeinde profitiert hatte. Für jedes kopierte Megabyte sollte der Russe ein Jahr in den Knast. Acht Jahre, von denen er eins tatsächlich absaß.

Lasst uns die Großbanken zerschlagen!

Die Geschichte Alejnikow ist nur ein weiteres Mosaik in dem großen Bild, das sich immer klarer abzeichnet. Aus den großen Investmentbanken (ja auch die Deutsche Bank) sind längst lauter zerfallende Zarenreiche geworden. Niemand kann sie mehr kontrollieren, schon gar nicht die Führung dieser Geldhäuser. Je mehr Chaos dort herrscht, um so wilder schlagen die paranoiden Regenten und ihre Mitläufer zurück.

Vor wenigen Jahr hätte man vielleicht noch gesagt: Es sind die ersten Vorboten dessen, wie demokratische Marktwirtschaften in eine autoritäre Barbarei abgleiten können. Heute von Vorboten zu reden, würde jedoch nur noch niedlich klingen. Natürlich versuchen angeschlagene Monarchen bis zur letzten Sekunde ihre Macht zu erhalten. Bis ihre ganz eigene Oktoberrevolution sie davon fegen wird. Verkürzen wir den ökonomischen und moralischen Zerfall der Großbanken. Zerschlagen wir sie doch einfach jetzt schon in viele kleine Geldhäuser. Längst geht es nicht mehr nur um die Zukunft der Kapitalismus.

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