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Den Chinesen ihr „Likonomics“ – uns mehr von „Marcelonomics“

Der vorherige Beitrag hat sich am Ende eher zu einer Lehrstunde für Statistikliebhaber entwickelt. Hoffen wir einfach, dass Destatis beim nächsten Mal noch Platz findet für so etwas wie Fußnoten. Schauen wir uns jetzt lieber halbwegs verlässliche Daten zum deutschen Außenhandel an – und zwar zum Handel mit China.

Hier können wir besonders schön beobachten, was unsere Standortpropheten garantiert nicht so gerne sehen: Deutschlands Exportmodell ist auf Sand gebaut.

Nein, damit sind nicht nur die Verluste von 600 Mrd. Euro gemeint, die wir alle in der Finanzkrise verloren haben (also diejenigen, die noch was zu verlieren haben und hatten). Es geht auch darum, wie extrem anfällig unsere Wirtschaft geworden ist gegenüber den aberwitzigen Launen der Weltwirtschaft. Kein Wunder bei einem Exportanteil von 52 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Wobei… Sollen wir es wirklich eine Laune nennen, was gerade in China passiert. Die Führung in Peking versucht doch tatsächlich ihre Binnenwirtschaft zu stärken. Weg vom Export- und Kreditboom der vergangenen Jahre – hin zu mehr Einkommen und Konsum. Auch ein schickes neues Wort dafür gibt es schon: „Likonomics“ – abgeleitet vom Namen des chinesischen Ministerpräsidenten Li Keqiang.

Nach Abenomics in Japan, nun also Likonomics in China. Nur dass Ausländer erst einmal wenig zu lachen haben. Das Kreditwachstum in der Volksrepublik soll gebremst, Überkapazitäten abgebaut und dann fährt der Staat auch noch seine Ausgaben runter. Keine gute Nachricht für uns Deutsche – gehen doch 7 Prozent unseres Exports in die Volksrepublik. Schauen wir uns die Bundesbankzahlen für die Ausfuhren an – zusammen mit den Importzahlen des Zollamtes in Peking, die es seit dieser Woche auch für Juni gibt.

130710 DE CN EXPORTWorauf die Abweichungen zwischen deutschen und chinesischen Daten beruhen, das interessiert hier nicht weiter. Denn irgendwann ist auch einmal genug mit Lehrstunden für Statistikliebhaber. Beide Zeitreihen zeigen ohnehin nahezu den gleichen Trend. Und sie zeigen auch schön, wie gerade unsere Exportfirmen vom riesigen Konjunkturpaket 2010 in China profitiert haben.

Und wenn Likonomics in China auch das zweite Halbjahr und noch viel länger bestimmen wird – dann haben deutsche Autobauer wohl am wenigsten zu lachen dieses Jahr. Selbst, wenn es zuletzt schon irgendwie nach Stabilisierung auf ganz niedrigem Niveau ausgesehen haben mag – nach dem tiefen Absturz spätestens seit Ende 2012.

130710 DE CN AUTOEXPORTSicherlich werden die deutschen Automobilhersteller auch einmal wieder davon profitieren, wenn der Wandel in Chinas Wirtschaft voranschreitet. Wenn die Binnenwirtschaft auch ohne exorbitante Kredite und Investitionen florieren wird. Wahrscheinlich werden einige deutschen Unternehmen sogar irgendwann einmal deutlich mehr profitieren als bisher. Andere werden verlieren so wie die Maschinenbauer – die schon heute immer seltener in der Top-5 deutscher Güter in China auftauchen.

Marcelonomics“ so wie in „DIW-Chef Marcel Fratzscher

Doch bis dahin dürfte noch etwas Zeit vergehen. Und die Pause im Chinaboom sollten wir nutzen. Für etwas, was wir zum Beispiel „Marcelonomics“ nennen könnten so wie in „DIW-Chef Marcel Fratzscher“. Ein riesiges Investitionsprogramm jedenfalls – bei uns zuhause. Wie neulich vom DIW vorgeschlagen.

Wie Alexander Armbruster im Fazit-Blog schon richtig analysiert hat, geht die SPD irgendwie mit ihrem Wahlprogramm zumindest schon in diese Richtung. Natürlich dürfen da drüben auch die (typisch liberalen) Bauchschmerzen beim FAZ-Kollegen nicht fehlen. Wahrscheinlich werden viele seine Bauchschmerzen sogar teilen – ich auch. Können wir öffentlichen Investitionsplanern mehr vertrauen als denen in der Privatwirtschaft?

Aber mal ganz ehrlich: Privatwirtschaft (samt Geldhäuser), wir Sparer sowie die öffentlichen Banken – wir können es doch einfach auch nicht besser. Wir wissen doch gar nicht, was wir mit dem vielen Geld anfangen sollen, wenn man uns allein lässt. Wir verschleudern so viele Milliarden, die kann nicht mal der Steuerzahlerbund oder Bundesrechnungshof aus irgendwelchen ominösen Verschwendungszauberhüten hervor ziehen.

Auch wenn es in den Ohren derjenigen, die gar nichts mehr zu verlieren haben, zynisch klingen mag: Aber was sind schon ein paar verschwendete Millionen oder sogar Milliarden im Vergleich zu den 600 Mrd. Euro, die wir Deutschen seit der Finanzkrise in den Sand gesetzt haben? Richtig, das ist alles nur Peanuts! Zeit, dass uns mal jemand an die Hand nimmt. Und damit ist jetzt nicht das berühmte Gelenk gemeint, das unsichtbar mehr oder weniger unsere Geschicke lenken soll.

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  • Hardy

    „Können wir öffentlichen Investitionsplanern mehr vertrauen als denen in der Privatwirtschaft?
    Aber mal ganz ehrlich: Privatwirtschaft (samt Geldhäuser), wir Sparer sowie die öffentlichen Banken – wir können es doch einfach auch nicht besser. Wir wissen doch gar nicht, was wir mit dem vielen Geld anfangen sollen, wenn man uns allein lässt.“

    Und genau da hat der Staat riesige Vorteile: Er kann auf seinen Erfahrungsschatz bauen. Er kann Bewährtes tun. Er kann sich zu nominal (fast) Nullzins finanzieren.

    Wie das aussieht? Infrastruktur. Alleine in die Wasserwirtschaft könnten 30-50 Milliarden gesteckt werden (Trink-/Abwasser). Die Straßen in Westdeutschland, zunehmend auch die Brücken, werden zum Problem. In die Schiene wird zuwenig investiert (s. Posting von egghat). Unis und Schulen sind seit Jahren, eher Jahrzehnten, unterfinanziert. Polizeibeamte, ganze einfache Stellen für den Streifendienst, würden auch nicht schaden, gleiches gilt für Lehrer und Profs. Von der Energiewende gar nicht zu reden.

    Der Staat muss ja gar nicht nach „Investitionschancen“ suchen, muss keine Rendite erwirtschaften, muss sich nix Neues ausdenken. Er muss nur das tun, was er seit Jahrzehnten vernachlässigt hat: In die Infrastruktur unseres Landes zu investieren. Dann hat er ausreichend zu tun, auf Jahrzehnte.

  • Jörg

    Genau, und dazu noch eine vernünftige Lohnpolitik mit produktivitätsorientierten Erhöhungen für alle Arbeitnehmer.

    Dann wäre neben den öffentlichen Investitionen das zweite Standbein der Binnenwirtschaft, nämlich Konsum und private Investitionen, wieder auf Dauer möglich.

    Andere machen es uns zur Zeit vor, wie es funktionieren könnte.

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